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WIESBADEN, 27.08.2024

Alt und Neu fügen sich ineinander

St. Bonifatius ist derzeit die wohl höchste Baustelle Wiesbadens. Was ursprünglich als Innenraumsanierung geplant war, entpuppte sich rasch als umfangreiches Sanierungsprojekt

Wer vom Luisenplatz aus einen Blick hoch auf die Türme der St. Bonifatiuskirche wirft, wird mit bloßem Auge nicht erkennen, dass dort oben im Mauerwerk tönerne Terrakotta-Engel über die Stadt und die Gemeinde wachen.

Während viele gotische Ornamente und Zierteile wie Palmetten und Kreuzblumen gut sichtbar den West- und Ostturm verschönern, liegen die Engel unterhalb der Turmspitzen in rund 40 Metern Höhe fast schon versteckt im Mauerwerk und beeindrucken mit ihrer majestätischen Gelassenheit nur die Wenigen, die über Aufzug und Baugerüst den Weg nach oben finden.

Was ursprünglich als Innenraumsanierung geplant war, entpuppte sich nach genauerer Prüfung rasch als umfangreiches Sanierungsprojekt, das mit jahrelangem Vorlauf akribisch geplant wurde. Mittlerweile befinden sich die Arbeiten an der St. Bonifatiuskirche im zweiten Bauabschnitt. Der Westturm ist bereits fertig, Ostturm und Südfassade sind noch komplett eingerüstet. Buchstäblich jeder Stein werde einmal umgedreht, gibt Stadtpfarrer Klaus Nebel zu Auskunft.

Für das Bistum Limburg, das den Hauptteil der Kosten trägt, ist Bezirksarchitekt Stefan Zeyen regelmäßig vor Ort. Gemeinsam mit Architekt Hermann Alt, Restaurator Stefan Klöckner und der Bezirkskonservatorin Dr. Henriette Freifrau von Preuschen vom Landesamt für Denkmalpflege Hessen sowie Verwaltungsleiter Thomas Bischoff wird die Baustelle regelmäßig inspiziert und das weitere Vorgehen genauestens abgesprochen.

Deutliche Farbunterschiede zwischen Alt und Neu

„Alles, was wir erhalten konnten, haben wir erhalten“, erklärt Klöckner. Die Zeit und die Witterung haben den Sandsteinen und den Terrakotta-Ornamenten jedoch stark zugesetzt.

Viele Neuteile wurden angefertigt, nachbearbeitet und angepasst. Die Farbunterschiede zwischen altem und neuen Material sind deutlich erkennbar, doch auch hier werde die Witterung mit der Zeit alles wieder angleichen, so Klöckner. Ausgetauscht werden auch die korrodierten Eisenanker, die das Mauerwerk zusammenhalten. Zwischen vier und sechs Steinmetze sind ständig auf der Baustelle im Einsatz. Sie bringen nicht nur ihr handwerkliches und künstlerisches Geschick ein, sondern sind auch noch schwindelfrei und absolut wetterunempfindlich – macht ihnen im Winter der zugige, kalte Wind, der um die Türme pfeift, zu schaffen, ist es im Sommer die Sonne, die gnadenlos auf die Türme brennt.

Begehbar sind die beiden Kirchtürme nur bis knapp über die Glockengeschosse. Seit dem Bau vor rund 175 Jahren sind sie deshalb innen erstmals wieder über ein Gerüst zu erreichen. Damit künftig eine leichtere Wartung möglich ist, wird für Seilkletterer jeweils oben im Turm ein Träger eingezogen. Ebenfalls für die Wartung werden zudem Roste eingezogen.

Vorbild ist der ursprüngliche Bau von Philipp Hoffmann

Der Denkmalpflege gehe es vor allem darum, im Rahmen der Sanierung möglichst in der Zeit von Architekt und Erbauer Philipp Hoffmann zu bleiben und dem ursprünglichen Bau so nah wie möglich zu kommen, so die Bezirkskonservatorin. Hoffmann habe mit seinen Bauten in Wiesbaden das Stadtbild nachhaltig geprägt, so dass man die Gesamtkonzeption im Blick behalten müsse. Ein Beispiel: Der derzeitige Putz stammt aus der Zeit des Wiederaufbaus nach dem Zweiten Weltkrieg, stattdessen soll im Frühjahr, wenn der dritte Bauabschnitt beginnt, ein erdiger Ziegelton wie zu Hoffmanns Zeiten aufgebracht werden. Am Langhaus und den Querhäusern stehen neben der Ausbesserung und des Anstrichs des Putzes noch der Anstrich der Fenster und die Sanierung des Dachs an. Im letzten äußeren Bauabschnitt wird dann der Chor saniert.

Wenn dann irgendwann alle Gerüste außen abgebaut sind und die Engel auf den Türmen unverstellt über Kirche und Stadt wachen können, bleibt keine Zeit zum Verschnaufen und es geht im Inneren weiter. Ein wenig Geduld müssen die Wiesbadener noch aufbringen, bis ihre „Boni“ wieder im alten Glanz erstrahlt.

 Die St. Bonifatiuskirche

Nachdem die ursprünglich am Luisenplatz im neoklassizistischen Stil erbaute Kirche wegen Baumängel kurz vor der Weihe in sich zusammengestürzte, erhielt Architekt Philipp Hoffmann den Auftrag zum Bau der St. Bonifatiuskirche. Hoffmann hatte in Wiesbaden einen Namen, hatte er doch die Russisch-Orthodoxe Kirche auf dem Neroberg und die Synagoge auf dem Michelsberg errichtet. Am 5. Juni 1845 wurde der Grundstein für eine Kirche gelegt, in der Hoffmann gotische Bauformen mit dem antiken Rundbogen verband. Am 19. Juni 1849 wurde St. Bonifatius geweiht.

Die aktuelle Sanierung ist die größte Baumaßnahme seit Errichtung der Kirche, so Pfarrer Klaus Nebel. Vor acht Jahren habe die Pfarrei mit Unterstützung des Bistums mit den Planungen begonnen, sagt der Pfarrer, der noch mit vier weiteren Sanierungsjahren rechnet.

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