Eine Prophetin im Dienst der Kirche


Am Sonntag, 5. Juni, hat Bischof Georg Bätzing den Gottesdienst zu Pfingsten im Limburger Dom gefeiert. In seiner Predigt würdigte er das Leben und Wirken der heiligen Hildegard von Bingen, die von Papst Benedikt XVI. vor zehn Jahren zur Kirchenlehrerin erhoben wurde.
„Hildegard von Bingen, eine Prophetin im Dienst der Kirche. Mehr als 850 Jahre trennen uns von ihr. Aber sie hat nicht aufgehört zu wirken und Menschen innerhalb wie außerhalb der Kirche zu inspirieren“, sagte Bätzing. „Nach wie vor ist sie eine Zeitgenossin – und das bewirkt Gottes guter Geist, für den Zeiten und Räume, Unterschiede in Gedanken, Kulturen, Sprachen und Prägungen kein Hindernis darstellen, Brücken zu schlagen und Verbindungen zu schaffen.“ Seit Pfingsten erweise der Geist Jesu diese einende und verbindende Kraft. Viele Anknüpfungspunkte des Wirkens der Heiligen gebe es bis heute, beispielsweise in Wissenschaft und Forschung, Bewahrung der Schöpfung, das Wort gegenüber den Mächtigen in der Kirche und Politik und der Ansporn für Frauen im Ringen um Anerkennung ihrer Charismen und ebenbürtigen Rolle in Kirche und Gesellschaft.
Auch heute aktuell
„Es ist für mich ganz erstaunlich, wie viele Themen, die Hildegard bewegt und vorangetrieben hat, uns heute beschäftigen und in kreative Unruhe versetzen“, sagte Bätzing. Hildegard inspiriere, weil sie selber inspiriert, das heißt vom Geist Gottes bewegt, gelebt und gehandelt habe. „Freilich ist sie nicht einfach eine von uns. Der Wandel der Zeiten, der Gedankenwelt sowie der sozialen und kirchlichen Lebensverhältnisse ist doch enorm“, sagte der Bischof. „Wir dürfen sie nicht einfach vereinnahmen für unsere heutigen Aufgaben und Anliegen.“ Sie habe in der Gegenwart Gottes gestanden und sich für das Gleichgewicht zwischen den Menschen, der Schöpfung und Gott eingesetzt.
„Hildegard von Bingen ist eine ganz und gar außergewöhnliche Gestalt. Kaum vergleichbar mit anderen leuchtet diese Frau aus dem Mittelalter zu uns herüber. Dabei war sie keineswegs unerschütterlich. Ihre Stärke lag auch im Mut zur Schwachheit“, so Bätzing. Sie habe immer wieder von Krankheit und Leiden berichtet, aber genau das mache sie so sympathisch und glaubwürdig, „denn sie vertraut ganz auf Gott und seine Kraft.“
Christliches Ich-Bewusstsein
Sich dem Atem Gottes anzuvertrauen, darauf angewiesen sein, dass Gott einen bewege, dies sei nicht Schwäche, sondern die eigentliche Stärke der christlichen Existenz. „Und in diesem Sinn dürfen wir heute wohl sagen: Pfingsten ist der Tag des christlichen Selbstbewusstseins – oder besser noch des gesunden christlichen Ich-Bewusstseins“, sagte Bätzing. „Liebe Geschwister im Glauben, die Prophetin Hildegard macht mir Mut, in aller Bescheidenheit und zugleich mit gläubiger Überzeugung zu sagen: Ich bin gerne ich. Tun Sie es auch, vom Feuer des Geistes bewegt, vom Atem Gottes beflügelt.“
Man sagt: Pfingsten ist der Geburtstag der Kirche. Also, herzlichen Glückwunsch, Mutter Kirche. Dir verdanken wir unseren Glauben. Angefochten bist du, kritisiert, du wirst verlassen von Scharen von Menschen. Du hast es verdient, dass wir dir das Beste wünschen, denn du bist nicht so schlecht, wie du gemacht wirst. Wir, die Hirten, haben dich in Misskredit gebracht, haben dir Schaden zugefügt. Aber, du hast eine einzigartige Aufgabe. Wenn es nicht gäbe, wer soll die Botschaft bezeugen, die die Welt verändert hat. Dass Jesus uns erlöst hat und das er lebt. Dass er am Ende der Zeiten auf uns wartet als große Hoffnung. Du bist es, Kirche, die diese Botschaft trägt. Also: herzlichen Glückwunsch und alles Gute zu deinem Geburtstag.
Bischof Dr. Georg Bätzing in der Einleitung des Pfingstgottesdienstes