Heraus aus Dunkelzonen und Doppelmoral
Reden und Zuhören als Programm – beim zweiten Forum zur Frage kirchlicher Segensfeiern für Paare, die nicht katholisch heiraten können, stand erneut der Austausch auf der Tagesordnung. Was unspektakulär klingt, hat angesichts der sensiblen Frage schon einen Wert an sich: Davon jedenfalls zeigte sich bei der Begrüßung der rund 70 Teilnehmer im Wilhelm-Kempf-Haus am Samstag, 4. Mai, Dezernentin Dr. Beate Gilles überzeugt. Im gegenseitigen Respekt miteinander sprechen bringe den Prozess voran, sagte sie, und führte für die Wertschätzung des Diskurses gleich den Bundespräsidenten als Zeugen an. Der hatte in seiner Weihnachtsansprache die Bürger ausdrücklich zum Gespräch ermuntert und sich gewünscht: „Sprechen Sie mit Menschen, die nicht ihrer Meinung sind.“
Die Mehrheit ist für Segensfeiern
Dass sich auch dieser Wunsch des Staatsoberhauptes in Naurod erfüllen konnte und die Veranstaltung so spannend machte, hatte mit der veränderten Zusammensetzung des Teilnehmerkreises zu tun. Anders als beim ersten Hearing im Februar dieses Jahres, als sich eine kircheninterne Runde mit dem von Stadtdekan Johannes zu Eltz veröffentlichten Thesenpapier „Segensfeier“ befasste und einvernehmlich Zustimmung signalisierte, war bei der Fortsetzung eine erweiterte interessierte Öffentlichkeit geladen. Das abschließende Stimmungsbild am Nachmittag zeigte, dass auch hier eine deutliche Mehrheit der Anwesenden kirchliche Segensfeiern für den betroffenen Personenkreis – gleichgeschlechtliche Paare, zivil wiederverheiratete und unverheiratete Paare - befürwortet. Dennoch wurden im Laufe des Tages von einigen Teilnehmern immer wieder auch deutliche Gegenpositionen formuliert.
Respekt und Wertschätzung
Der Vorschlag für eine Segensfeier, den Michael Thurn, Bezirksreferent der Stadtkirche Frankfurt, vorstellte und für den er mit eindringlichen Worten warb, will die Partnerschaften, um die es hier geht, nicht als defizitär wahrnehmen, sondern von ihren Ressourcen und ihrem Potential her: „Nicht Abwertung, sondern Respekt und Wertschätzung stehen vorne an.“ Er ziele darauf ab, dass etwas sittlich Gutes da sei, das Gutheißung verdiene und, wo Glauben ins Spiel komme, segenswürdig sei. Bei einer solchen Segensfeier, die keine Eheschließung sei und nicht mit ihr verwechselt werden dürfe, handele es sich um ein Tun der Kirche, betonte Thurn. Die Feiern, die jetzt schon in privater Initiative gehalten würden, hätten dagegen keine kirchliche Legitimation: „Die derzeitige Lage treibt Paare und Seelsorgerinnen und Seelsorger in Dunkelzonen und Doppelmoral“, sagte er. Das sei für alle Beteiligten unwürdig.
„Gott ist für uns immer dabei, die Kirche nicht, weil sie uns als Paar nicht will“
„Der Segensvorschlag steht in starker Spannung zur kirchlichen Lehre“: Was der Bezirksreferent in seinen Ausführungen feststellte, wurde am Nachmittag noch einmal auf sehr persönliche Weise vom Frankfurter Stadtdekan aufgegriffen. Er skizzierte das Spannungsfeld, in das ihn die Vorgänge selbst bei seinem Ringen um eine gute Lösung versetzten. Ausführlich brachte er dabei anhand von Katechismus und Lehrschreiben das Gewicht der kirchlichen Gegengründe zur Geltung: weil er es nicht ertragen könne, wenn sie leichtfertig abgetan würden. Dennoch sei er für eine Segensfeier und stimme allen von Thurn vorgebrachten Argumenten zu. Der hatte seinerseits harsche Worte für die Auswirkungen der kirchlichen Lehre gefunden: Sie produziere Ausschließungen, spreche Paaren die Wahrhaftigkeit ihrer Liebe ab, treibe gläubige Menschen scharenweise aus der Kirche und verhindere, dass Menschen die Frohe Botschaft für sich als frohmachend entdecken könnten.
Bewegende Lebenszeugnisse
Wie sich das aus der Sicht von direkt Betroffenen darstellt, hatten am Vormittag Zeugen in eigener Sache eindrücklich vermittelt: Ein schwuler Mann, eine lesbische Frau und ein geschiedenes, wiederverheiratetes Paar hatten den Mut, freimütig und ungeschönt ihre Erfahrungen mit der katholischen Kirche, der sie alle angehören, zu schildern. „Gott ist für uns immer dabei, die Kirche nicht, weil sie uns als Paar nicht will“, hieß es da. Das ging manchen Zuhörern richtig unter die Haut: „Ich habe Tränen in den Augen“, sagte ein Mann in einem der Tischkreise, die sich anschließend untereinander austauschen konnten. „Das war bewegend, es ist ein großer Unterschied, es so live zu hören“, hieß es vielfach. Aus Sünde könne nichts Gutes erwachsen, da dürfe auch nichts gesegnet werden, sagte dagegen eine Teilnehmerin, die bei ihrer ablehnenden Haltung blieb: „Gottes Segen liegt nicht in unserer Hand.“ Wenn es Ausnahmen gebe, könnte das der erste Haarriss sein, der auf Dauer das ganze Gebäude gefährde, meinte sie.
Wo die Liebe ist, da ist auch Gott
Die ganze Bandbreite der Reaktionen blitzte auch in der großen Gesprächsrunde am Nachmittag noch einmal auf – wo auf der einen Seite von Barmherzigkeit und Liebe die Rede war, auf der anderen Seite von Gehorsam und Wahrheit. Ein Mitglied der Katholischen Jungen Gemeinde (KJG) pochte auf das „Recht zu scheitern“ und wünschte sich mehr Rückhalt von der Kirche für die Betroffenen. Eine junge Frau, ebenfalls von der KJG, schloss sich dem leidenschaftlich an mit dem Argument „Wo die Liebe ist, da ist auch Gott.“ Dass Homosexualität Sünde sei, wie ein anderer Teilnehmer behauptete, stehe nicht im Katechismus, stellte Generalvikar Wolfgang Rösch klar, der sich dafür aussprach, die katholische Lehre zu schützen und zugleich neue Wege des Verstehens und Interpretierens zu entwickeln, um der Lebenswirklichkeit der Menschen heute gerecht zu werden.
Das zarte Pflänzchen Segensbitte
Ausdrücklich gegen eine Regelung sprach sich in einem Statement Pfarrer Marcus Fischer aus. Er berichtete von seelsorglichen Situationen rund um den Segen für gleichgeschlechtliche Paare. Grundsätzlich aber halte er diese Frage für so persönlich und individuell, dass eine Regelung eher der Vielfalt und dem "zarten Pflänzchen Segensbitte" schade, zumal er die Frage angesichts vieler anderer aktueller Themen für nachrangig halte.
Belastbare Ergebnisse
Zum Schluss war mehrfach von der Hoffnung die Rede: Es sei ein guter Tag gewesen, resümierte eine Teilnehmerin, die sich selbst als betroffen outete. Er gehe „hoffnungsvoll“, meinte ein anderer, der sich wünschte, dass die Vielfalt auch in den Gemeinden spürbar werde. Ein besonderes Kompliment kam von außerhalb: Stephan Weidner, Referent für Erwachsenenseelsorge aus dem Bistum Mainz, der als Gast teilgenommen hatte, bezeichnete es als „Besonderheit“, dass das Bistum es schaffe, dieses Thema in dieser Breite zu diskutieren. „Das ist alles andere als selbstverständlich“, lobte er und schrieb den Verantwortlichen gleich noch eine Bitte ins Stammbuch: „Dass sie ein belastbares Ergebnis hinbekommen.“
Das Thesenpapier war im Nachgang zum ersten Frankfurter Stadtkirchenforum 2016 entstanden. Der damaligen Empfehlung an den Stadtsynodalrat, auf Ebene der Stadtkirche Segnungsfeiern anzubieten, hatte Stadtdekan zu Eltz eine Absage erteilt mit der Begründung, ein solches Angebot könne nur im Benehmen mit Bistum und Bischof erfolgen. Eine Arbeitsgruppe mit Vertretern der Bistumsleitung und der Frankfurter Stadtkirche wurde gegründet. Bischof Bätzing machte sich das in diesem Rahmen verfasste und auf dem zweiten Frankfurter Stadtkirchenforum vorgestellte Papier nicht zu eigen, wünschte sich aber einen ergebnisoffenen Diskussionsprozess dazu im Bistum. Am 21. September wird im Rahmen dieses Prozesses zu einer weiteren Veranstaltung im Haus am Dom in Frankfurt eingeladen.