Kulturwandel ohne Dornröschenschlaf
„Mich hat das mitten ins Herz getroffen“, lautet das Fazit des Religionslehrers Stephan Hien zum Impulsreferat von Bischof Dr. Georg Bätzing beim Don-Bosco-Tag in Limburg. Dass ein Bischof sich so klar zu einem Perspektivwechsel in der Kirche bekenne, habe er noch nicht erlebt. Der Limburger Bischof hat in seinem Vortrag bei dem Studientag am Mittwoch, 31. Januar, die etwa 100 Religionspädagogen und Erzieher zu einem hoffnungsvollen Blick in die Zukunft und zu mehr Gelassenheit ermutigt, auch wenn sich Kirche in einer gewaltigen Umbruchszeit befinde. Denn in dieser Krise stecke die Chance eines Perspektivwechsels und Kulturwandels. Einer der wichtigsten Perspektivwechsel sei der hin zum einzelnen Menschen mit seinen Bedürfnissen und seinem Kontext. Die Kirche müsse fragen, für wen sie wie da sein könne. Das entspreche auch einer der Aufgaben des Religionsunterrichts: Kindern und Jugendlichen Hilfen zur Orientierung in ethischen, moralischen und religiösen Fragen anzubieten. Dabei könnten Erzieher und Lehrer als Ansprechpartner und Glaubenszeugen die Tür zu Gott öffnen, aber den Glauben selbst schenke Gott, nicht der Mensch. Auch sei der Glaube nicht vererbbar. Der Bischof zitierte dazu eine Gesprächspartnerin, die ihm zu diesem Gedanken gesagt habe: „Gott hat keine Enkel, nur Töchter und Söhne“.
Der grundlegende Perspektivwechsel hin zum Menschen müsse sich in der Kirche „vom Selbsterhalt zur Selbstlosigkeit“ vollziehen, so Bätzing über den Wandel im kirchlichen Selbstverständnis. Kirche brauche eine neue Sozialgestalt, die auf Erfahrung, Entscheidung, Taufwürde, Charisma, Beteiligung und Vernetzung setze. Diesen Weg beschreite gerade der Prozess der Kirchenentwicklung in der Diözese. Nötig sei ein solcher Prozess, da die alten Strukturen überholt und mitunter entleert seien. Deshalb brauche es eine Zukunftsbewegung und kein „Comeback“ alter Strukturen. In 100 Jahren könne man vielleicht erst sagen, was daraus erwachsen ist. Aber es sei natürlich kein hundertjähriges Warten, griff der Bischof einen Zwischenkommentar auf, kein Dornröschenschlaf, sondern ein aktives Gestalten.
Bei der Podiumsdiskussion mit vier Lehrern verschiedener Schulformen und einer Erzieherin ging es unter anderem um die Herausforderung, Religion zu vermitteln und dabei sowohl eine verständliche Sprache einzusetzen als auch relevante Themen aufzugreifen. Auch Ganztagsbetreuung, Schulseelsorge, Kommunionvorbereitung und Interreligiosität waren Themen.
Keinen Auftrag und keine Lehrmaterialien im Gepäck
Das Amt für Katholische Religionspädagogik im Bezirk Limburg hatte den Studientag mit dem Thema „Schule und Kita als Kirchorte?!“ überschrieben. Dabei seien, so der Bischof, Kitas und Schulen vielmehr „Ort des kirchlichen Lebens“ und „Weg- und Glaubensgemeinschaften“. Neben Fachwissen vermitteln gelte es, Sinnfragen der Kinder und Jugendlichen ernst zu nehmen.
Der Bischof dankte den Erziehern und Lehrern für ihre Arbeit. „Ich habe nicht noch einen Auftrag für Sie. Ich weiß, was Sie leisten und will Ihnen nicht noch mehr Druck mitgeben“, stellte der Bischof bereits zu Beginn seines Vortrags klar. Vielmehr rät er zu einer „Gelassenheit im eigenen Tun“: „Sie müssen und können nicht alles alleine leisten. Ziehen Sie Grenzen.“ Zuvor erklärte auch der Leiter des Amts für Religionspädagogik, Dr. Marc Fachinger, in seiner Begrüßung: Nicht mit einem Paket neuer Lehrmaterialien sollten die Anwesenden nach Hause geschickt werden, sondern gestärkt durch Ermutigung und Austausch. Was darüber hinaus wichtig sei, das habe er in seiner Zeit als Religionslehrer festgestellt: „Es geht nicht ohne eine gewisse Liebe zur Kirche“. (fl)