Menschen stärken, nicht demütigen
Die Mutter Jesu ist ein Vorbild an Gottvertrauen und gläubigem Selbstvertrauen. Das hat Bischof Dr. Georg Bätzing an Mariä Himmelfahrt am Mittwoch, 15. August, in der Wallfahrtskirche Wirzenborn in Montabaur betont. „Diese außergewöhnliche Frau macht Mut, den Mund aufzutun und zu erzählen, wie wunderbar und überraschend unser Gott sich zeigt. Diese Frau, die alles gegeben hat, damit Gottes ewiges Wort unser Bruder werden konnte, hat dabei nicht verloren, sondern gewonnen an Stärke und Statur, an Wertschätzung für sich selbst und tiefem Gottvertrauen“, sagte der Limburger Bischof vor mehreren hundert Gläubigen. Im Kloster Marienthal feierte Weihbischof Dr. Thomas Löhr die Diözesanwallfahrt des Bistums Limburg anlässlich des katholischen Hochfestes. „Maria ist unverzichtbar, um die Menschheit Jesu zu verstehen“, erklärte Löhr. Durch seine Menschlichkeit garantiere er die Würde jedes Menschen. Sie gelte für alle Menschen „ohne Unterschiede“. Löhr warnte davor, unmenschliches Verhalten mit der Bewahrung christlicher Werte zu rechtfertigen.
Glaube und Frömmigkeit darf nicht missbraucht werden, um Menschen klein zu machen
Marienfrömmigkeit müsse sich laut Bätzing daran messen lassen, ob sie dem eigenen Glauben zuträglich oder überzogen und damit schädlich sei: „Es lässt sich daran ermessen, wie wir diesen Ort der Gnade verlassen: Gestärkt und mit größerem Vertrauen oder gedemütigt und klein gemacht.“ Bis heute würde die Rede von der „demütigen Magd“ in der Kirche dazu genutzt, um Menschen fügsam zu machen, nicht zu hinterfragen, niemals aufzubegehren und furchtsam zurückzulassen, anstatt sie stark und selbstbewusst im Glauben zu machen, kritisierte der Bischof. Im Magnifikat werde Maria aber als selbstbewusste Figur präsentiert: „Maria beginnt ihr Lied, indem sie ,ich‘ sagt: ,Meine Seele preist die Größe des Herrn und mein Geist jubelt über Gott, meinen Retter.‘ Da ist nichts von ängstlicher Unterwürfigkeit, von buckelnder Frömmigkeit“, machte er deutlich.
Auch die Kirche hat eine „Me-too“-Debatte
In diesem Kontext blickte Bätzing auch auf die seit Monaten anhaltende „Me-too“-Debatte um sexuelle Belästigung und den Missbrauch von Frauen. „Als Kirche haben wir seit dem Bekanntwerden sexuellen Missbrauchs von Kindern und Jugendlichen durch Kleriker und Ordensleute im Jahr 2010 unsere eigene „Me-too“-Debatte. Sie ebbt nicht ab“, sagte Bätzing und verwies auf die Ereignisse in der katholischen Kirche in Chile oder in den USA. „Kinder, Jugendliche und Frauen sind Opfer des Machtgebarens und der sexuellen Ausbeutung von Ordensfrauen und Kirchenmännern geworden. Das ist beschämend und hat zurecht öffentliche Empörung hervorgerufen.“ Erst jetzt stünden die Opfer, denen ein lebenslanges Leiden aufgebürdet worden sei, im Mittelpunkt. Über Jahre seien sie mundtot, sprachlos und stumm gemacht worden.
Jesus garantiert die Würde des Menschen
Weihbischof Löhr unterstrich in seiner Predigt, dass die Mutter Gottes im Ringen um das Wesen Jesu nicht wegzudenken sei: „Unser Glaube ist, dass Jesus Christus immer Gott und Mensch zugleich ist.“ Durch Maria sei Gott in die Welt gekommen. „Durch sie hat er einen menschlichen Leib angenommen“, sagte er. Die menschliche Natur Jesu dürfe nicht vergessen werden. „In unserer Zeit, in der so viel Unmenschliches geschieht, können wir das nicht genug betonen. Wenn sogar Christen meinen, sie könnten unmenschliches Verhalten gegenüber anderen Menschen rechtfertigen – womöglich mit dem Vorwand, ein christliches Abendland zu retten – ist es Jesus Christus selbst, der als wahrer Gott und wahrer Mensch die Würde des Menschen bewahrt und durchsetzt.“ Die Würde des Menschen gelte aber für alle Menschen ohne Unterschiede. Es dürfe nicht zwischen Fremden und Hiesigen, zwischen denen, die auf der Flucht sind und denen, die hier leben, unterschieden werden. „Gehören Sie nicht alle zur Menschheitsfamilie, deren menschliche Natur auch Jesus Christus gelebt hat?“
Zugleich warnte Löhr davor, Maria zu überhöhen. Maria sei nicht eine, „die den anderen Heiligen und allen Geschöpfen unendlich überlegen ist, so wie die Sonne bei ihrem Aufgang die Sterne zum Verschwinden bringt. Im Gegenteil, sie hilft, dass alle anderen wachsen können.“ Es sei eigentlich die Bescheidenheit Mariens, die sie für Menschen zum Vorbild mache.
Das Fest Mariä Himmelfahrt wurzelt in der Mitte des 5. Jahrhunderts, als man den „Tag der Gottesmutter“ in Jerusalem feierte. Seit dem 7. Jahrhundert wurde das Marienfest in Rom am 15. August gefeiert, wo es heute noch ein wichtiger, auch staatlicher Feiertag ist und als „Ferragosto“ den Höhepunkt der italienischen Feriensaison markiert. Seit 813 gibt es die Festtradition auch in Deutschland. 1950 wurde der Glaube an die leibliche Aufnahme Mariens von Papst Pius XII. für die römisch-katholische Kirche zum Dogma erhoben.
Die Wallfahrtskirche in Wirzenborn wurde 1510 erbaut, weil die damals dort stehende kleine Kapelle für die Zahl der Wallfahrer nicht mehr ausreichte. Das Gnadenbild von Wirzenborn, eine Madonna mit dem Jesuskind auf dem linken Arm und einem Zepter in der rechten Hand, wird um das Jahr 1380 datiert. Aufgrund eines Gelöbnisses feiert die Pfarrei St. Peter Montabaur seit dem Zweiten Weltkrieg am 15. August mit einer Prozessionen und einem Festgottesdienst ihren „Verlobten Tag“ zum Dank für Hilfe in schwerer Zeit.
Das Franziskanerkloster Marienthal im Rheingau ist einer der ältesten Wallfahrtsorte Deutschlands. Zeugnisse datieren die Ursprünge der Wallfahrt auf das Jahr 1309. Das Gnadenbild von Marienthal ist ein kleines Vesperbild. Es stellt Maria dar, wie sie nach der Kreuzabnahme ihren toten Sohn auf dem Schoß trägt.