Seelsorge auf Schienen


LIMBURG/FRANKFURT.- Morgens um 6.55 Uhr: Abfahrt der Regionalbahn von Limburg nach Frankfurt. Draußen ist es knapp unter null Grad und noch ziemlich dunkel. Pfarrer Olaf Lindenberg sitzt im Steuerwagen ganz hinten im Zug, an Priesterhemd und weißem Kollarkragen deutlich erkennbar als Geistlicher und bereit für Gespräche. In den nächsten Wochen, noch bis zum 2. April, hat Lindenberg ein besonderes Angebot für Zugfahrer und Mitreisende, das er „Pendeln durch die Fastenzeit“ nennt. Immer dienstags ist er im Zug von Limburg nach Frankfurt unterwegs und ganz bewusst ansprechbar: ab Limburg um 6.55 Uhr, retour ab Frankfurt um 17.01 Uhr.
Dass Lindenberg Seelsorge auf die Schienen bringt, kommt nicht von ungefähr: Er ist ein „Bahnerkind“, Vater und Großvater waren Bahner. „Dieses Angebot ist ein Experiment. Das gab es so noch nicht im Bistum“, sagt er. „Wenn es angenommen wird, biete ich es nächstes Jahr wieder an.“ Es sei kein großes Projekt, meint er, aber manchmal scheiterten Ideen gerade daran, dass sie zu groß gedacht würden. Und was ist, wenn keiner mit ihm sprechen möchte? „Wenn der Heilige Geist will, dass ich nichts anderes mache als einfach nur Zug fahren, dann ist das so“, sagt er mit einer Gelassenheit, die weder aufgesetzt noch überheblich wirkt. Auf eine Rückmeldung zu seiner Fastenaktion, ob er nicht auch mal mit dem ICE fahren könne, verabredet sich Lindenberg spontan zu einer Fahrt mit dem Schnellzug: „Man kann mich also auch buchen“, sagt er und lacht.
In besonderer Weise ansprechbar ist der Seelsorger zusätzlich jeden Mittwochabend von 19 bis 20 Uhr in der Kirche St. Nikolaus in Dorchheim. Diese Möglichkeit hatte er schon einmal in Königstein für insgesamt ein Jahr angeboten: Die Themen der Menschen, die zu ihm kommen, sind vielfältig: „Das ganze Leben“, fasst Lindenberg das zusammen. Manchmal tue es einfach gut, wenn jemand zuhöre. Es gehe gar nicht unbedingt um Antworten. Oft seien es die „Grübelspiralen“, die das Leben schwer machten. Wichtiger Impuls, gerade vor Ostern, sei aber auch, sich einmal darauf zu fokussieren, was wirklich zähle im Leben. „Und Dinge bewusster wahrzunehmen“, ergänzt Lindenberg. „Das kann etwas Schönes sein, aber vielleicht auch einmal etwas, das nicht so gut läuft.“
Reinhören auf www.andersbeten.blog
Auf seiner Internetseite www.andersbeten.blog bietet Lindenberg jeden Tag einen Impuls zur Fastenzeit an – als Text und als Audio. „Anders beten“ bedeute dabei, dass es nicht nur eine Form des Betens gebe. Sich an einen Fluss zu setzen und das Wasser anzuschauen, könne genauso ein Gebet sein. Er selbst beginnt und beendet jeden Tag mit einem Gebet. „Wenn ich das mal nicht mache, ist der ganze Tag verstolpert“, erklärt er. Die Impulse für die Fastentage hat er selbst geschrieben und als Audio eingesprochen. Ein Kerngedanke aller Impulse sei die Zusage Gottes: „Ich bin da!“. Mit seiner Fastenaktion für Pendler und der Internetseite will Lindenberg „Beten und Alltag“ zusammenbringen.
Seit 25 Jahren ist Lindenberg Priester. Er hat in Frankfurt und Rom Theologie und Philosophie studiert. Lange Zeit war er Jugendpfarrer im Bistum Limburg. Neben seiner derzeitigen Arbeit im Pastoralen Raum Blasiusberg arbeitet er als Spiritual für den Ständigen Diakonat und als Exerzitienbegleiter. (fl)