Suizid und Depression enttabuisieren
Pro Jahr gibt es etwa 10.000 Suizide und noch deutlich mehr Suizidversuche in Deutschland: Die ökumenische „Woche für das Leben“ widmet sich in diesem Jahr vom 4. bis 11. Mai der Suizidprävention und stellt die vielfältigen Beratungsangebote beider Kirchen für suizidgefährdete Menschen und deren Angehörigen in den Mittelpunkt. Im Bistum Limburg wird es mehrere Veranstaltungen zur „Woche für das Leben“ geben. Dabei geht es um die Gründe von Todeswünschen, um Prävention, um die Trauer nach einem Suizid und um die Versorgung suizidgefährdeter Menschen.
Am Mittwoch, 8. Mai, um 19.30 Uhr gibt es einen Vortrag „Trauer nach Suizid“ im Pfarrsaal Hadamar (Franziskanerplatz 3). Referentinnen sind Elke Trevisany und Martina Kommescher-Dittlof vom der bundesweiten Selbsthilfeorganisation AGUS (Angehörige um Suizid). Am Donnerstag, 9. Mai, um 19 Uhr wird Dr. Dieter Schoepf, Klinikdirektor der Vitos-Klinik, zumThema "Nur traurig oder depressiv? Die unterschätzte Volkskrankheit Depression“ sprechen. Veranstaltungsort ist das Kolpinghaus in Limburg. Zu beiden Veranstaltungen ist der Eintritt frei.
Am Freitag, 10. Mai, und Samstag, 11. Mai, sind die Kirchen mit verschiedenen Beratungsstellen von Diakonie und Caritas, der Telefonseelsorge und der Selbsthilfekontaktstellen des Kreises Limburg-Weilburg sowie weiteren Akteuren wie etwa der Vitos-Klinik Weil-Lahn bei einem Infostand auf dem Limburger Europaplatz ansprechbar.
„Wir als Kirche dürfen uns bei diesem Thema nicht wegducken. Die Themen Suizidalität und psychische Erkrankung werden in unserer Gesellschaft immer noch tabuisiert“, erklärt Angela Ruhr, im Bistum Limburg als Seelsorgerin für Menschen mit psychischer Beeinträchtigung tätig. „Doch letztlich steht hinter jeder statistischen Zahl ein Menschenleben. Wenn sich 10.000 Menschen in Deutschland jährlich das Leben nehmen, sind das mehr Menschen als Verkehrsopfer und Drogentote zusammen. Wir als Kirche möchten diese Menschen in ihrer Krise und darüber hinaus begleiten und ihnen zur Seite stehen. Dazu gehört auch, dass wir über psychische Erkrankungen aufklären und Hilfsangebote vorstellen wie bei dem geplanten Infostand. Es gibt in dem Bereich der wohnortnahen psychiatrischen Versorgung ein großes Netzwerk, das wir vorstellen wollen,“ so Ruhr. Sie und ihre Kollegin Birgit Losacker wollen die vielfältigen Beratungsangebote bekannter machen. Außerdem könne die „Woche für das Leben“ mit diesem Schwerpunkt helfen, Suizid und psychische Erkrankungen zu enttabuisieren und die Sensibilität für betroffene Menschen zu erhöhen.
Kardinal Marx und Landesbischof Bedford-Strohm haben „Woche für das Leben” eröffnet
Mit einem ökumenischen Gottesdienst in der Marktkirche in Hannover haben der Vorsitzende des Rates der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Landesbischof Dr. Heinrich Bedford-Strohm und der Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz, Kardinal Reinhard Marx, am 4. Mai die bundesweite Aktion Woche für das Leben eröffnet. Sie wird bis zum 11. Mai in katholischen und evangelischen Kirchengemeinden begangen.
In seiner Predigt zu Matthäus 14,22–33, lenkte Landesbischof Dr. Heinrich Bedford-Strohm den Blick auch auf das Umfeld der Menschen, die sich das Leben genommen haben: „Studien sagen, dass ein Mensch, der sich das Leben nimmt, mindestens zehn Menschen aus seinem Lebenskreis in eine schwere Krise stürzt. Das sind bei 10.000 Suizidenten pro Jahr in Deutschland mindestens 100.000 Menschen.“ Natürlich stelle sich dann die Frage: „Wie können wir da überhaupt noch von Gott reden? Angesichts von so viel Verzweiflung? Angesichts von so viel unerhörten Gebeten?“ Bedford-Strohm erinnerte an die Osterbotschaft von der Auferstehung und die radikale Liebe, die darin zum Ausdruck komme: „Eine radikale Liebe, die so weit reicht, dass sie auch noch in die Abgründe der Verzweiflung vordringt.“ Diese Liebe sei stärker als die Verlorenheit, mit der die Verstorbenen in den Tod gegangen sind. Zudem sprach er ein Versagen der Kirche an: „Es ist eine historische Schuld der Kirche, dass sie viel zu lange diese offenen Arme Gottes dementiert hat, dass sie Menschen, die sich das Leben genommen haben, als Selbstmörder moralisch verdammt hat, dass sie ihnen das Begräbnis verweigert hat, dass sie die Schuldgefühle der Angehörigen damit potenziert hat. Dass sie das Zeugnis der Auferstehung schuldig geblieben ist.“ Gleichzeitig dankte er den unzähligen haupt- und ehrenamtlich in den Beratungsdiensten Tätigen für ihren Einsatz. Insbesondere die Telefonseelsorge habe große Bedeutung für die Prävention.
Kardinal Marx sprach von der Aufgabe der Kirchen bei der Suizidprävention. „In diesem Jahr befassen wir uns – für manche überraschend, für andere längst überfällig – mit einem weiteren Lebens-Thema: ‚Leben schützen. Menschen begleiten. Suizide verhindern.‘ Was etwas nüchtern in der Fachsprache Suizidprävention heißt, ist für uns als Kirchen die Aufforderung, jedem Menschenleben nachzugehen: den Bedrängten, den Verfolgten, den Ausgestoßenen, den Verzweifelten und auch denen, die sich mit dem Gedanken tragen, ihr Leben zu beenden. Das Leben kann für manche Menschen lebensbedrohlich sein, Depression und Angst führen zu dem Wunsch, dem Leben ein Ende zu setzen. Mit unseren vielfältigen Angeboten – gerade in Caritas, Diakonie und Telefonseelsorge – leisten wir Hilfe, sind ansprechbar", erklärte Marx. Zudem spracher sich für mehr Achtsamkeit aus: „Wir appellieren an unsere Gesellschaft um ein wachsames Miteinander, um ein aufmerksames Auge auf den Nachbarn und um ein beherztes Eingreifen, wenn es um die Rettung und Begleitung eines Menschenlebens geht. Suizidprävention geht uns alle an! Gott ist ein Freund des Lebens! Für dieses Leben setzen wir uns ein. Wir wollen da sein, wo wir gebraucht werden. Das hat uns Jesus von Nazareth aufgetragen.“ Die Woche für das Leben sei zudem ein starkes ökumenisches Zeichen für das Leben und zwar vom Anfang bis zum Ende.
Hintergrund: Woche für das Leben
Die Woche für das Leben steht in diesem Jahr unter dem Titel „Leben schützen. Menschen begleiten. Suizide verhindern.“ Sie jährt sich in diesem Jahr zum 25. Mal. Seit 1994 ist sie die ökumenische Initiative für die Anerkennung der Schutzwürdigkeit und Schutzbedürftigkeit des menschlichen Lebens in allen Phasen. Weitere Informationen gibt es auf der Internetseite www.woche-fuer-das-leben.de.