27.03.2015
Mehr tun für Vereinbarkeit von Familie und Beruf
LIMBURG - Lebensrealitäten anerkennen, mehr Barmherzigkeit im Umgang mit Wiederverheirateten Geschiedenen, Chancen in der Seelsorge ergreifen: Der zweite Fragebogen zur Vorbereitung der Familiensynode im Oktober 2015 in Rom hat im Bistum Limburg zu einer offenen Diskussion um die katholische Ehe- und Familienpastoral geführt. "Nicht selten erreichte uns die Rückmeldung - zum Teil sogar sehr aufgebracht formuliert - dass die Sprache zu kompliziert sei, der Fragebogen methodisch nicht dem heutigen Stand entspreche und das implizierte Ehe- und Familienbild so fern von der Lebensrealität sei, dass eine konstruktive Beantwortung der Fragen als nicht möglich angesehen wurde", schreibt Dr. Beate Gilles, Leiterin des Dezernates Kinder, Jugend und Familie, an die Deutsche Bischofskonferenz in Bonn. Anders als beim ersten Fragebogen sei es nicht zu einer breiten Beteiligung an der von Rom weltweit versandten Umfrage gekommen. Trotzdem hatten es viele Haupt- und Ehrenamtliche im Bistum Limburg grundsätzlich sehr befürwortet, dass der Vatikan die Gläubigen an der Diskussion um die katholische Ehe- und Familienlehre beteiligt. Aus der Auswertung ergeben sich zahlreiche Vorschläge für eine konstruktive Fortentwicklung des breiten pastoralen Angebots der Kirche für Ehepaare und Familien.
Anderen Lebensformen wertschätzender begegnen
In den Rückmeldungen wird eine Fokussierung der kirchlichen Lehre und Pastoral auf das Ideal der traditionellen christlichen Ehe und Familie als wenig realitätsnah bewertet. Obwohl getrenntlebende Eltern mit und ohne Sorgerecht, Patchwork-Familien, alleinerziehende Elternteile und gleichgeschlechtliche Paare mit Kindern für die Gesellschaft keine "Randgruppen" mehr darstellen, würde ihnen wenig Raum gewidmet. Viele Christen forderten von der Kirche, diesen Lebensformen wertschätzender zu begegnen und sie stärker in der pastoralen Praxis zu berücksichtigen. "Gerade von jungen Menschen wird eine wertschätzende Haltung der Amtskirche gegenüber den Formen von Zusammenleben erwartet, die auf Liebe und Verantwortung gegründet sind", heißt es in dem 19-seitigen Bericht. Unter anderem werden in den Rückmeldungen Segnungsfeiern für gleichgeschlechtliche Paare und Zivilehen vorgeschlagen. Eine Zulassung wiederverheirateter Geschiedener zu den Sakramenten findet in den Antworten ebenfalls Befürwortung.
In der Auswertung wird das bestehende pastorale Angebot der Kirche und deren Lobbyarbeit für die Familien gewürdigt. Die Pastoral versuche, vorhandene Fähigkeiten zu fördern und Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten. Zugleich wird in den Antworten beklagt, dass "die Problematik der Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu wenig Beachtung findet". Damit Familien ihre Berufung besser leben können, müsse sich die Kirche hier stärker engagieren. "Kirche als Institution und Gemeinschaft sollte mit dazu beitragen, Familien Freiräume zu schaffen, in denen Sie gemeinsame, wertvolle Zeit miteinander verbringen können."
Viele konkrete Denkanstöße für die Pastoral
Aus der Auswertung des Fragebogens ergeben sich konkrete Denkanstöße für die Seelsorge und die Aus- und Fortbildung pastoraler Mitarbeiter im Bistum. Zwar sei die Familienpastoral ein zentrales Handlungsfeld in den Gemeinden. Aber: "Der Bereich der Familienpastoral mit den Elementen der Familienbildung und Familienberatung ist kein Schwerpunkt in der Ausbildung, weder bei Priestern noch bei den anderen tätigen Mitarbeitern. Wo und wie dieses Thema aufgegriffen werden kann, muss von den für die Aus- und Fortbildung Zuständigen neu bedacht werden", heißt es in dem Schreiben. Auch bei der Vorbereitung junger Paare auf die Ehe werden Optimierungsmöglichkeiten gesehen. Um die Akzeptanz bestehender Angebote des Bistums zu erhöhen, wird eine bessere Vernetzung aller in der Pastoral tätigen Mitarbeiter und Einrichtungen angestrebt.
Pfarreien neuen Typs bieten große Chancen
Angesichts anstehender Umstrukturierungsprozesse und der Bildung von Pfarreien neuen Typs besteht die Sorge, der persönliche Kontakt und das Gespräch - insbesondere mit jungen Paaren in den ersten Ehejahren - könne vernachlässigt und nur noch zur "Formsache" erklärt werden. "Oasentage oder Auszeiten in wohltuender, anregender, spiritueller Umgebung könnten Frucht bringen" und gleichzeitig den von einer hohen Mobilität und Flexibilität gekennzeichneten Lebensbedingungen der Paare Rechnung tragen. Perspektivisch entstehen mit der Errichtung von Pfarreien neuen Typs Chancen, die Ehe- und Familienpastoral der Kirche zu ordnen und auszubauen.
Das Bistum Limburg hatte den zweiten Fragebogen im Frühjahr an mehr als 1.000 Personen, Gremien und Einrichtungen verschickt. Es erhielt etwa 60 Rückmeldungen per Email und Telefon. Im Durchschnitt wurden zwischen zehn und fünfzehn Fragen beantwortet. Die 27 Bistümer übermitteln ihre Ergebnisse des Fragebogens an die Deutsche Bischofskonferenz in Bonn. Dort erfolgt eine gemeinsame Auswertung, die bis zum 15. April nach Rom geschickt werden wird. (clm)