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18.09.2015

"Mit dem Wort in Berührung bringen"

Studientag im Wilhelm-Kempf-Haus wirft Blick auf Bibelpastoral

WIESBADEN. "Wie viel ein jeder Heilige aus der heiligen Schrift gewinnt, ebenso viel gewinnt diese heilige Schrift bei ihm selbst", schreibt Papst Gregor der Große. Auch mehr als 1400 Jahre später haben die Worte des berühmten Theologen nichts an Bedeutung verloren. "Das Lesen der Bibel ist Kommunikation mit Gott", ist Dr. Katrin Brockmöller überzeugt. Die Direktorin des Katholischen Bibelwerkes in Stuttgart hat am Donnerstag, 17. September, gemeinsam mit 120 Pastoral- und Gemeindereferenten einen Blick auf die aktuelle Situation der Bibelpastoral geworfen und dabei den Seelsorgern Mut gemacht, kreative Wege in der Arbeit mit biblischen Texten zu gehen. Der Studientag im Wilhelm-Kempf-Haus in Wiesbaden-Naurod stand unter dem Thema "Die Schrift wächst mit den Lesenden". Prälat Helmut Wanka begrüßte die Mitarbeiter des Bistums.

Nähe zu Texten herstellen

Brockmöller machte in ihrem Vortrag deutlich, dass die Menschen heute einen persönlichen Zugang zu den biblischen Texten suchten. Das habe Konsequenzen für Pastoral in den Gemeinden: "Heutige Bibelpastoral kann nicht bloße Vermittlung exegetischen Wissens sein, sondern muss nach der Wirkung auf den Leser fragen", erklärte Brockmöller. Die Menschen fragten heute, welchen Gewinn sie aus der biblischen Lektüre ziehen können. Seelsorger stünden deshalb vor der Aufgabe, "Nähe zu den Texten" herzustellen und die Menschen "mit dem Wort in Berührung zu bringen". Das gelinge dann, wenn zum Beispiel die Lebenswelt berücksichtigt oder Träume und Wünsche der Menschen thematisiert würden.

Als ein Beispiel nannte Brockmöller das Projekt "Bibel in leichter Sprache". Mit der Initiative will das Bibelwerk Schrifttexte Menschen mit geistigen Beeinträchtigungen zugänglich machen. Ganz einfach ist das nicht: Menschen mit Lernschwierigkeiten oder geistiger Beeinträchtigung blieben oftmals an Namen oder komplexen Inhalten hängen. "Und sobald sie Fragen stellen, sind sie raus", sagt Brockmöller. Hinzukomme, dass durch die Übertragung in leichte Sprache der Text stark vereinfacht werde. Er verliere dadurch Sinnhorizonte oder Bedeutungsebenen. "Aber sie gewinnen auch etwas", meinte Brockmöller mit Blick auf ein besseres Verstehen des Textes.

Bibelauslegung und Traumaforschung ein Trend

Als einen weiteren Trend in der Bibelpastoral sieht Brockmöller die Versuche, biblische Texte anhand aktueller Erkenntnisse aus der Traumaforschung auszulegen. Als Beispiel referierte sie die Vorarbeiten der Theologin Professor Irmtraud Fischer zu einem Kommentar zum Buch Jona. Fischer interpretiere das Jonabuch als eine Anleitung zur Bewältigung von Traumata, erklärt Brockmöller. In der alttestamentlichen Schrift zeigten sich etwa Spuren eines kollektiven Traumas. Und auch beim Propheten Jona äußerten sich Symptome posttraumatischer Belastungsstörungen. "Gott ist wie ein Therapeut, der Jona wachsen lässt", deutete Brockmöller. Mit dieser Auslegung könnten Menschen einen neuen Zugang zu den biblischen Texten erhalten.

Bei zahlreichen Workshop tauschten sich die pastoralen Mitarbeiter im Bistum über verschiedene Methoden der Bibelpastoral aus: Bibel-Rap und Sprechgesang, Psalmen selbst schreiben und Bibliologe zu verschiedenen Geschichten aus der Bibel waren einige Angebote. Es gebe viele Möglichkeiten, Bibel zu entdecken, ermutigte Brockmöller: "Ich wünsche ihnen viel Freude bei allem, was sie mit den Texten machen. Sie können eigentlich nichts falsch machen." (CLM)

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