18.09.2015
Mit Gott die Welt gestalten
RÜDESHEIM/EIBINGEN. Den Glaubensverlust so vieler Menschen in der heutigen Zeit nicht einfach hinzunehmen, sondern ihn als drängende Aufgabe zu begreifen, dazu hat Abt Benedikt Müntnich (Maria Laach/Abtei St. Hildegard) aufgerufen. Die heilige Hildegard gebe wertvolle Hinweise, wie den Zeitgenossen vermittelt werden könne, dass der Glaube nicht nur zum Leben dazu gehöre, sondern unerlässlich sei, sagte der Benediktiner beim Pontifikalamt zum Hildegardisfest in Eibingen am Donnerstag, 17. September. Das Fest stand in diesem Jahr im Zeichen des Gedenkens an die Klostergründung Hildegards vor 850 Jahren. Nachmittags folgten die Pilger in der traditionellen Prozession dem kostbaren Reliquienschrein durch die geschmückten Straßen. Die Ansprache in der Reliquienfeier hielt Schwester Maura Zátonyi aus der Abtei St. Hildegard.
Die Welt gestalten
Als eine Frau, von der ungebrochen Faszination ausgehe, beschrieb Abt Müntnich die Heilige Hildegard in seiner Predigt. Die Menschen hätten sie damals um Rat gefragt und sie habe auch heute noch etwas zu sagen. Der Sinn des menschlichen Lebens liege nach ihren Worten darin, dass der Mensch auf der Erde lebe, um im Blick auf Gott und mit ihm zusammen diese Welt zu gestalten. Um das anschaulich zu machen, habe sie ein wunderbares Bild gebraucht: „Als Gott den Menschen erschuf, da gab er ihm den Kuss der Liebe“. Das sei der Sinn, der Wert des Glaubens, „dass wir geliebt sind“, sagte der Abt. Aus diesem Wissen heraus könne der Mensch „zu etwas nütze sein“, wie es Hildegard formuliert habe. Als Beispiel nannte der Prediger die Flüchtlingsproblematik, wo es darum gehe, „im Sinne dieser Liebe die Türen unserer Herzen zu öffnen“ und nach konkreten Hilfsmöglichkeiten zu schauen.
Befreiende Kraft der Benediktusregel
Dass das benediktinische Leben, das als "gesegnetes Leben" übersetzt und verstanden werden könne, nicht nur die Sache einiger Menschen hinter Klostermauern sei, erklärte Schwester Maura Zátonyi aus der Abtei St. Hildegard in der Reliquienfeier. Es gehe stattdessen um eine Lebensgestaltung, nach der sich jeder Mensch sehne, sagte die Ordensschwester in ihrer Festansprache. Die Benediktusregel sei ein Gesetzbuch und das Wesen dieses Gesetzbuches „ist befreiende Kraft und weist zu einem gesegneten Leben jenen maßvollen Weg, der jedem Menschen zugänglich ist.“
Hunderte Pilger
An dieses Hildegardisfest werde man noch lange denken, sagte beim anschließenden mittäglichen Zusammensein im Innenhof Pfarrer Georg Franz, der in diesem Jahr nach dem Weggang von Pfarrer Holger Daniel zum ersten und ? vor seinem eigenen Wechsel nach Limburg ? auch zum letzten Mal für das große kirchliche Ereignis in der Region verantwortlich war. Gemeint war damit allerdings nicht die besondere Bedeutung in diesem Jahr, sondern der Dauerregen, der diesmal die Hunderten Pilger von nah und fern, darunter auch wieder eine große Gruppe aus Frankreich, vom Wallfahrtsplatz in die bis auf den letzten Stehplatz gefüllte Wallfahrtskirche vertrieben hatte. Regen zum Hildegardisfest ist so selten, dass die betreffenden Jahre bekannt sind: „Zum letzten Mal 1989“, weiß Anita Weiler vom Katholischen Bezirksbüro Rheingau. Unter den Gästen, die sich vom misslichen Wetter nicht abschrecken ließen, war auch der gerade ins Amt eingeführt Wiesbadener Stadtdekan Klaus Nebel.
Hildegardisvesper zum Abschluss
Die Festwoche zum Jubiläum wird mit der Hildegardis-Vesper am 19. September um 17 Uhr abgeschlossen. Dazu wird in der Pfarrkirche der Konvent der heutigen Benediktinerinnen-Abtei erwartet. (rei)
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