Brücken des Glaubens
Die katholische Kirche und die koptische Kirche teilen eine reiche und tief verwurzelte Geschichte, die bis zu den Anfängen des Christentums zurückreicht. Auf Spurensuche war jetzt eine ökumenische Reisegruppe im Rheinland unterwegs, um gemeinsame Wurzeln von Kopten und Katholiken neu zu entdecken und das Verständnis füreinander zu beleben.
Der koptische Glaube spielt eine entscheidende Rolle im kulturellen und religiösen Gefüge des Nahen Ostens, da er die älteste christliche Tradition in der Region repräsentiert und tief in der Geschichte Ägyptens verwurzelt ist. Auch hierzulande gibt es koptische Klöster und Kirchräume, beispielsweise in Wetzlar.
Gemeinsamkeiten: Heilige und Märtyrer
Beide Konfessionen sind aus der gleichen Quelle hervorgegangen und haben sich in den ersten Jahrhunderten nach Christi Geburt entwickelt. Die Gemeinsamkeiten zeigen sich in grundlegenden Glaubensüberzeugungen, liturgischen Praktiken und der Verehrung von Heiligen, die für Katholiken und Kopten gleichermaßen von zentraler Bedeutung sind.
„Auf vielen Ebenen erleben wir derzeit ein Auseinanderdriften der Gesellschaft. Daher wollen wir einen respektvollen Dialog ermöglichen, der Berührungspunkte zeigt“, so Dr. Frank van der Velden, Bischöflich Beauftragter für Islamfragen im Bistum Limburg und Studienleiter für Interreligiöses bei der der Katholischen Erwachsenenbildung (KEB).
Im Fokus der dreitägigen Reise von Köln nach Xanten und Bonn standen die thebäischen Heiligen. Diese Heiligen, zu denen unter anderem Gereon, Viktor, Cassius und Florentius gehören, sind eine Gruppe von Märtyrern, die im 4.Jahrhundert nach Christi in der römischen Legion Thebaea („aus Theben“) gedient haben sollen.
St. Gereon und St. Viktor
Die erste Station der Reise führte nach Köln zur Kirche St. Gereon. Laut der Legende war Gereon der Kommandeur der Thebäischen Legion. Dieser christliche Soldat weigerte sich, den Anweisungen des Kaisers Diokletian zu folgen und seine Glaubensgenossen zu verfolgen. Inspiriert von ihm legten auch die anderen Soldaten ihre Waffen nieder. In der Folge wurden sie gefoltert, enthauptet und in einen Brunnen geworfen. Über diesem Brunnen ließ die Kaisermutter Helena später eine Kirche errichten, um den Märtyrern zu gedenken: St. Gereon. Der Bau selbst stammt aus der Mitte des 4. Jahrhunderts und wurde auf einem römischen Gräberfeld außerhalb der damaligen Stadt errichtet. Der Mittelbau stellt das einzige Dekagon einer Kirche nördlich der Alpen dar und ist kunstvoll gestaltet.
Der Heilige Gereon ist einer der Schutzpatrone Kölns.
Entlang des Rheins ging die Studienreise weiter nach Xanten. Im dortigen St. Viktor Dom werden im Hochaltar die Gebeine des gleichnamigen Heiligen aufbewahrt. Auch Viktor und seine Gefährten wurden wie Gereon hingerichtet. Schon bald nach dem Tod pilgerten Gläubige zu dem Gräberfeld: „ad sanctos“ – zu den Heiligen – woraus sich später der Stadtname Xanten entwickelte.
Liturgie
Ein Vortrag des emeritierten Liturgiewissenschaftlers und Priesters Prof. Dr. Albert Gerhards ging auf die Besonderheiten der koptischen Liturgie ein. Er verdeutlichte, dass in der koptischen Religion der Priester als Mittler des Heiligen Geistes agiert. Bei den Katholiken hingegen ist der Priester Konsekrator, der „in persona Christi“, die Wandlung vollzieht. Gerhards betonte, dass in der westlichen Kirche seit dem Mittelalter eine Passionsfrömmigkeit herrsche, die das Leid Christi in den Mittelpunkt des Glaubens rücke. Dies sei insofern problematisch, als dass man damit nicht zum Eigentlichen, nämlich der österlichen Botschaft durchdringe.
Festhochamt im Bonner Münster
Ein Besuch in Bonn rundete die Studienreise ab. Die ehemalige Bundeshauptstadt feiert im Oktober eine Woche lang ihre Stadtpatrone Cassius und Florentius. Auch diese beiden waren Soldaten im römischen Heer und erlitten das Schicksal der Märtyrer.
Beim Festhochamt im Bonner Münster waren neben der Oberbürgermeisterin zahleiche Vertreterinnen und Vertreter des politischen Lebens dabei, Studentenverbindungen in bunten Roben und Hüten, die Malteser und weitere Verbände mit üppigen Fahnen. Auch die koptischen Diakone der Limburger Reisegruppe, Nader Attia und Mina Ghattas, zogen gemeinsam mit katholischen und evangelischen Christen in die Kirche ein und nahmen mit anderen Repräsentanten im Chorgestühl Platz. Vom Stadtdechant, Pfarrer Bernd Kemmerling, wurden die koptischen Gläubigen außerordentlich erfreut gleich zu Beginn des Hochamtes begrüßt. „Dass wir hier in Bonn persönlich miterleben konnten, wie die koptischen Heiligen auch nach 1700 Jahren noch immer verehrt werde, hat mich tief beeindruckt“, so Diakon Nader Attia. Besonders berührt habe ihn, dass die Reliquien von Cassius und Florentius in ihren Reliquiaren in Form von Büsten, gut sichtbar präsentiert wurden. „Hier konnten wir die Freude erleben, zu einer Gemeinde zu werden, durch die Heiligen, die uns verbinden“, ergänzte der koptische Diakon Mina Ghattas.
Ausblick
Veranstalterin der Reise war die Katholische Erwachsenenbildung Limburg und Wetzlar, Lahn-Dill-Eder (KEB). Bereits seit mehreren Jahren pflegt die KEB gute Beziehungen zu der koptischen Gemeinde in Wetzlar, die in der Kalsmuntstraße den Kirchraum der ehemaligen St. Elisabethkirche übernommen hat.
„Miteinander unterwegs sein, gemeinsam erleben, entdecken und lernen – das ist ein Auftrag der Erwachsenenbildung, den wir ernst nehmen und der uns antreibt. Denn die Begegnung von Menschen baut Brücken“, betont Annette Krumpholz, kommissarische Leiterin der KEB. Künftig sollen weitere koptisch-katholischen Exkursionen folgen, auch um junge Leute beider christlicher Kirchen zusammen zu bringen.