Durch die Suche nach Wahrheit Zukunftshorizonte eröffnen


Angesichts der Krisen, die die katholische Kirche in Deutschland erschüttern, hat der Limburger Bischof Dr. Georg Bätzing davor gewarnt, sich in längst vergangene Kirchenbilder, alte Gewohnheiten und eine realitätsverweigernde Spiritualisierung zu flüchten. „Wir können nicht einfach zu den alten Mustern zurückkehren“, sagte der Limburger Bischof bei einem Gottesdienst anlässlich des Katholisch-Theologischen Fakultätentags am Freitag, 20. Januar 2023, im Limburger Dom. Auf Krisenphänomene wie beispielsweise die Corona-Pandemie, den sexuellen Missbrauch in der katholischen Kirche oder auch den Krieg in der Ukraine müssten Katholikinnen und Katholiken reagieren, die sich verändernden Realitäten anerkennen und tragfähige Antworten für die Zukunft entwickeln. Kirche müsse sich auch eingestehen, dass sie das Monopol auf den Glauben verloren habe. „Kirchliche Institutionen haben keine Macht mehr, ihn zu kontrollieren und zu disziplinieren“, zitierte Bätzing den tschechischen Theologen Halík. Alle Versuche, dies zu tun, schadeten der moralischen Autorität der Kirche nur noch mehr. Der Katholisch-Theologische Fakultätentag ist ein Zusammenschluss von etwa 50 katholischen Fakultäten und Instituten an staatlichen und kirchlichen Hochschulen.
Desaster oder Kairos
Katholikinnen und Katholiken sähen sich gewaltigen Herausforderungen gegenüber, machte Bätzing in seiner Predigt deutlich. „Unzweifelhaft ist die Zeit, in der wir leben, für die Kirche in allen Bereichen eine der schwersten Krisenzeiten der zurückliegenden Jahrhunderte. Krise klingt womöglich viel zu harmlos. Wir erleben eine Zeit der Disruptionen“, betonte Bätzing. Dabei sei jede und jeder aufgerufen, sich persönlich zu entscheiden, ob man die Krisenphänomene als Desaster oder die Möglichkeit für einen neuen Aufbruch betrachten wolle. „Wir sind Zeitzeuginnen und Zeitzeugen einer grundlegenden Transformation in der Glaubensgeschichte des Christentums. Und mit unseren Entscheidungen – so oder so – leisten wir einen kleinen Beitrag dazu, ob diese Krise mehr oder weniger in den Untergang abdriftet oder zu tragenden neuen Gestalten des Kircheseins führt.“ Diese neuen Gestalten seien aber „in vielen Bereichen sehr anders, als wir sie gewohnt waren und als prägend erlebt haben“.
Nach der Wahrheit suchen
Die Vertreterinnen und Vertreter des Katholisch-Theologischen Fakultätentags bat Bätzing darum, „ihre Möglichkeiten theologischen Erkennens für uns alle zu nutzen. Das ,Neue‘ kommt ja nicht einfach über uns, es zeigt sich von Gott her – davon bin ich überzeugt“, so Bätzing. Aber man müsse es entdecken, darauf zugehen und zuarbeiten. Auf dem Weg des Suchens dürften sich die Theologinnen und Theologen nicht entmutigen lassen. „Apostolisch und katholisch, das mögen im Konkreten oft anstrengende Zumutungen sein. Aber für mich sind sie nach wie vor ein Schatz, auf den ich setze. Und ich weiß: Die größte Zumutung stellen oft wir Bischöfe mit unserer geradezu anstößigen menschlichen Unvollkommenheit, mit mangelhaftem Führungsverhalten und mit einer kleingläubig ängstlichen Entscheidungsschwäche dar“, so Bätzing. „Machen Sie sich gläubig mit Verstand und mit den Instrumenten der wissenschaftlichen Theologie auf die Suche nach Wahrheit, die allen in der Kirche Wege und Zukunftshorizonte öffnen.“
Theologische Reflexion wichtig für Gesellschaft, Kirche und Hochschulen
Ralf Stammberger, Leiter des Dezernates „Schule und Bildung“ im Bistum Limburg, unterstrich in seinem Grußwort die Bedeutung theologischer Reflexion für Gesellschaft, Kirche und Hochschulen. „Unsere Gesellschaft braucht theologische Reflexion“, sagte Stammberger und verwies auf den Philosophen Max Horkheimer. Im theologischen Denken werde die Sehnsucht deutlich, „dass es bei dem Unrecht, durch das die Welt gekennzeichnet ist, nicht bleiben soll. Dass das Unrecht nicht das letzte Wort sein möge.“ Auch an den Hochschulen sei Theologie wichtig. „Und dies nicht nur, weil der Staat ein berechtigtes Interesse daran hat, die Lehrerausbildung und die Ausbildung des pastoralen Personals im geordneten Zusammenwirken mit den Kirchen zu gestalten, sondern auch weil eine wissenschaftlich reflektierte Theologie ihren Gegenstand in den Diskurs der Wissenschaften einbringen kann und dies nicht nur zu ihrem eigenen Nutzen, sondern auch zu deren Bereicherung.“ Für die Kirche sei die theologische Reflexion das Bemühen um eine tiefere Erkenntnis der geoffenbarten Wahrheiten und Ausdruck notwendigen Dialogs.
Wunsch nach enger Zusammenarbeit
Der neugewählte Vorsitzende des Fakultätentages, Dirk Ansorge, Professor für Dogmatik und Dogmengeschichte an der Philosophisch-Theologischen Hochschule St. Georgen in Frankfurt, betonte die Bedeutung einer guten Zusammenarbeit und eines vertrauensvollen Austauschs zwischen den Bischöfen und den Institutionen des Fakultätentages in hochschulpolitischen Fragen. Ein Vertreter des Fakultätentages solle als geborenes Mitglied kontinuierlich an den Beratungen der bischöflichen Kommission für Wissenschaft und Kultur beteiligt sein. „Und dies wünsche ich umso nachdrücklicher, als sich für die kommenden Jahre eine Neujustierung im Verhältnis von Kirche und Staat und somit auch im Verhältnis von Fakultäten, Instituten und Universitäten abzeichnet.“ Ansorge dankte Bischof Georg Bätzing ausdrücklich für sein Engagement im Rahmen des Synodalen Wegs: „Die Art und Weise, wie Sie beim Synodalen Weg, aber auch in der Bischofskonferenz immer wieder und unermüdlich versuchen, einander widerstreitende, ja gegensätzliche Positionen miteinander in ein Gespräch zu bringen, nötigt mir größte Hochachtung ab.“
Jahresversammlung findet dieses Jahr in Wiesbaden statt
Die Jahresversammlung des Katholisch-Theologische Fakultätentags findet von Donnerstag, 19. Januar, bis Samstag, 21. Januar, im Wilhelm-Kempf-Haus in Wiesbaden statt. Der 1958 gegründete Zusammenschluss repräsentiert etwa 50 Fakultäten und Institute an staatlichen und kirchlichen Hochschulen. Zum Vorsitzenden des Katholisch-Theologischen Fakultätentages wählten die 80 Delegierten am Donnerstag Professor Dirk Ansorge von der Philosophisch-Theologischen Hochschule Sankt Georgen in Frankfurt. Er tritt die Nachfolge von Professorin Johanna Rahner aus Tübingen an. Die Amtszeit beträgt drei Jahre.