„Eine Herausforderung für Caritas und Kirche“
Überhitzte Mieten, horrende Immobilienpreise, Wohnungsnot: In Deutschland fehlt es an bezahlbarem Wohnraum. Längst ist bezahlbarer Wohnraum auch für Menschen mit durchschnittlichem Einkommen zu einem fernen Traum geworden. Welchen Beitrag Kirche und Caritas zur Lösung dieses drängenden sozialen Problems leisten kann, wurde beim Tag der Caritas in der Kreuzwoche am Donnerstag, 13. September, diskutiert. Unter dem Thema „Wohn(t)raum Kirche?!“ kamen mehr als 200 Interessierte aus Kirche und Caritasarbeit nach Limburg.
Top-Thema bei den Menschen
„Das Thema Wohnen ist so präsent wie noch nie in Medien und Gesellschaft. Es ist eines der Top-Themen im hessischen Landtagswahlkampf“, betonte Diözesancaritasdirektor Jörg Klärner in seiner Begrüßung. Die Frage nach bezahlbarem Wohnraum stelle sich nicht mehr allein in boomenden Städten und Ballungsräumen, sondern mehr und mehr auch in ländlichen Regionen mit guter Infrastruktur und Anbindung. Da Wohnen sowohl Grundbedürfnis als auch Grundrecht und damit Teil der Sozialpolitik sei, dürfe eine Lösung des Problems nicht alleine dem Markt überlassen werden. Neben Politik und Wirtschaft seien auch die Kirchen gefragt. „Wohnen ist eine Herausforderung für Caritas und Kirche“, sagte Klärner.
Im Rhein-Main-Gebiet fehlen hunderttausende Wohnungen
Wie angespannt die Lage in Teilen des Bistums Limburg bereits ist, machte Matthias Böss vom Regionalverband FrankfurtRheinMain deutlich. Der Verband ist unter anderem für den Flächennutzungsplan im Rhein-Main-Gebiet zuständig und koordiniert und steuert regionale Entwicklungsvorhaben. In der stark wachsenden Metropolregion, in der mehr als 5,7 Millionen Menschen leben, fehlten laut Schätzungen des Instituts der deutschen Wirtschaft etwa 330.000 Wohnungen. „Wir müssen die Hälfte der neugebauten Wohnungen bezahlbar machen“, benannte Böss die Herausforderung. Mit zahlreichen statistischen Zahlen belegte der Volkswirt, dass der Blick allein auf Wohnungen nicht ausreichend sei: Die Alterung der Gesellschaft, Verkehrsströme, Erholungsmöglichkeiten seien wesentliche Faktoren für lebenswertes Wohnen im Rhein-Main-Gebiet, die im Blick behalten werden müssten.
„In vielen Städten und Gemeinden werden jetzt Flächen entwickelt.“ Die Baumaßnahmen reichten aber nicht aus, um für eine Entspannung der Situation zu sorgen. Langfristig könne das Problem des bezahlbaren Wohnraums nur dann gelöst werden, wenn sich alle agierenden Akteure miteinander vernetzten und Rahmenbedingungen verbessert würden. Als Beispiel nannte der Volkswirt unter anderem ein schnelleres Ausweisen von Neubauland, das Schließen von Baulücken und die Genehmigung, höher und dichter zu bauen. Böss forderte die Kirche auf, das Bewusstsein, das gebaut werden müsse, zu stärken. Mit Ideen und Konzepten könnten sie sich außerdem bei lokalen Entwicklungsvorhaben einbringen. Außerdem könnten sich die Bistümer mit ihren katholischen Wohnungsbaugesellschaften stärker engagieren. „Da ist das Kirchensteuergeld gut angelegt“, sagte Böss.
Kirchliche Projekte machen Mut
Dass mit Hilfe kirchlicher Unterstützung auch mit Blick auf den Prozess der Kirchenentwicklung im Bistum Limburg Innovatives möglich ist, machten zwei Projekte deutlich: Die österreichische Pfarrei St. Franziskus in Wels mietet seit 2016 sechs Wohnungen für Asylberechtigte an und vermietet sie zu bezahlbaren Preisen weiter. Gesetzliche Bestimmungen und der Mangel an Wohnraum machen es besonders dieser Gruppe schwer, eine Wohnung zu finden. Durch das Engagement der Pfarrei sinken die Risiken für private Vermieter. Die Pfarrei garantiert die monatliche Miete. „Die Wohnungen sind für eine Ankommenszeit von ein bis eineinhalb Jahren gedacht“, erklärt Monika Blaimschein aus dem Projektteam. Mehr als 20 Ehrenamtliche begleiten die Asylberechtigten in dieser Zeit etwa bei Behördengängen, vermitteln Deutschkenntnisse oder helfen bei der Jobsuche, da sonst der Schutzstatus verloren gehe.
In Münster wurde im Modellprojekt „Wohnen 60plus“ in der ehemaligen Dreifaltigkeitskirche Mietwohnraum für ältere wohnungslose Menschen mit pflege- und hauswirtschaftlichem Hilfebedarf geschaffen. Seit 2013 sind die Wohnungen bezogen. „Das innovative Bau- und Raumkonzept hat sehr hohe Wellen geschlagen“, betont Bernhard Mülbrecht vom Förderverein für Wohnhilfen e.V.. Gäste aus mehreren Ländern hätten sich bereits das Projekt angeschaut. Dass das Konzept letztlich realisiert wurde, lag für Mülbrecht auch an der Kirche: „Ich glaube, dass der Spirit Kirche und der Bau Kirche einen wesentlichen Anteil daran hatten, dass es sich durchgesetzt hat.“ Mülbrecht machte aber deutlich, dass es für derartige Projekte einen langen Atem brauche. Bereits 2006 habe der Verein versucht, Wohnraum für ältere Wohnunglose zu schaffen. „Man darf nicht aufgeben.“
Kirche muss Menschen beheimaten
Daran, dass die katholische Kirche die Verantwortung trägt, Menschen im Glauben und im Leben ein Zuhause zu schenken, erinnerte Generalvikar Wolfgang Rösch bei dem Gottesdienst mit den Caritasmitarbeitern im Limburger Dom. Dabei dürfe sie nicht der Versuchung erliegen, sich es bequem zu machen und sich zu sehr einzurichten: „Nicht das Einrichten, sondern das Heimat schenken ist der Auftrag der Kirche. Nicht für sich selbst etwas zu suchen, sondern den Menschen zu dienen, dass sie das finden in seiner ganzen Mehrschichtigkeit: Eine Heimat für die Seele, aber auch als ganze Person.“, sagte Rösch. Mit Blick auf das Gleichnis vom Sämann verdeutlichte Rösch, dass nicht alle Vorhaben und Ideen auf fruchtbaren Boden fallen werden. Die Gleichnis gelte nicht nur in der Verkündigung, sondern auch für alle, die sich für Gerechtigkeit, Benachteiligte und Arme einsetzen. Dennoch müsse sich Kirche weiter großherzig austeilen und einen zuversichtlichen Blick bewahren. „Es ist nicht unseres, sich einzurichten, sondern mit dem Herrn auf dem Weg zu bleiben. Weil die Kirche ist nicht die Festung, die zum Schutz für uns gebaut ist, sondern es ist das Zelt Gottes, das mit dem Volk auf dem Weg mitgeht.
Diözesancaritasverband startet Ideenwettbewerb zur Wohnraumfrage
Was kann Kirche und Caritas tun, um Wohnraum für benachteiligte Menschen zu schaffen? Zu diesen Fragen hat der Diözesancaritasverband Limburg einen Ideenwettbewerb gestartet. Noch bis zum 31. Dezember können „Wohn(t)räume“ per Email an wohntraum@ dicv-limburg .de eingereicht werden. Beschreiben, malen, basteln, fotografieren oder digitale Medien – der Fantasie sind keine Grenzen gesetzt. Unter allen Einsendungen verlost der Verband eine kleine Überraschung.