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Menschenrechte von Abzuschiebenden müssen geschützt werden

Am Flughafen Frankfurt wurden teils Verstöße festgestellt
Menschenrechte von Abzuschiebenden müssen geschützt werden
Menschenrechte von Abzuschiebenden müssen geschützt werden
Blick in die Halle des Frankfurter Flughafens - hier sind viele Mitarbeiter direkt von den Auswirkungen der Pandemie betroffen. © Tobias Rehbein

2023 wurden mehr als 4.300 Personen mit dem Flugzeug vom Frankfurter Flughafen abgeschoben. Dabei kam es in mehreren Fällen zu Verstößen gegen humanitäre Ansprüche sowie zu einer problematischen Behandlung von Menschen, die abgeschoben werden sollten. Dies geht aus dem am Donnerstag, 10. Oktober 2024, veröffentlichten Tätigkeitsbericht der unabhängigen kirchlichen Abschiebungsbeobachtung am Flughafen Frankfurt/Main hervor. Der Bericht basiert auf etwa 1.200 beobachteten Rückführungen im Jahr 2023. Träger der kirchlichen Abschiebungsbeobachtung sind die Diakonie Frankfurt und Offenbach sowie der Caritasverband für die Diözese Limburg.

Kritik an der Abschiebung besonders vulnerabler Personen

„Abschiebungen sind für alle Beteiligten mit großem Stress und Anspannungen verbunden. Es kann daher immer zu unangemessenem Verhalten kommen. Wir als Beobachter: innen wollen mit unserer Anwesenheit sicherstellen, dass das staatliche Handeln transparent ist und bleibt“, erklärt Melisa Ergül-Puopolo, Rechtsanwältin und Abschiebungsbeobachterin der Diakonie. Mit Finn Dohrmann, Referent für Existenzsicherung und Abschiebebeobachtung von der Caritas, dokumentierte sie unter anderem inakzeptable Familientrennungen. Auch Abschiebungen von mittellosen Menschen oder besonders vulnerablen Personen wie Schwangeren oder Alleinerziehenden mit Kleinkindern sind im Bericht festgehalten. Er schildert zudem während der Abschiebung erfolgte Gefährdungen des Kindeswohls, etwa wenn Kinder Zeugen von Zwangshandlungen wurden oder dolmetschen sollten. Häufig komme es auch vor, dass Betroffene persönliche Gegenstände nicht mitnehmen dürften oder mittellos an den Flughafen gebracht würden.

Für schwerkranke Menschen besteht kaum Hoffnung auf Weiterbehandlung

Kritisch äußert sich der Tätigkeitsbericht zudem zur Praxis der Abschiebung schwer kranker, darunter auch psychisch erkrankter Menschen. Ob im Zielland eine Therapie oder Weiterbehandlung überhaupt erfolge, könne von den Behörden im Vorfeld nur in seltenen Fällen geklärt werden. Zwar würden - wo nötig - in den allermeisten Fällen Abschiebemaßnahmen von Ärzten begleitet, eine Übergabe an medizinisches Personal im Zielland erfolge aber in der Regel nicht. „Schwersterkrankte Menschen, wie im vergangenen Jahr vermehrt Krebspatienten, werden dann sich selbst überlassen und können ohne ausreichende Strukturen oder finanzielle Mittel auf keine Weiterbehandlung im Zielland hoffen. Die Folgen können für sie lebensbedrohend sein“, macht Finn Dohrmann klar.

Fachgerechte Beurteilung gefordert

Änderungsbedarf sehen die Abschiebungsbeobachtenden zudem bei Ärzten, die die Flugtauglichkeit bescheinigen und dazu den allgemeinen Gesundheitszustand der Betroffenen am Flughafen bewerten. „Gerade bei Chartermaßnahmen, bei denen eine Vielzahl von Rückführungen begutachtet werden müssen, bleibt kaum Zeit für eine angemessene Anamnese“, heißt es im Bericht. Oftmals lägen auch die notwendigen Gesundheitsunterlagen nicht vor. „Es kommt immer wieder vor, dass Allgemeinmediziner komplexe psychische Erkrankungen begutachten, obwohl sie dazu nicht qualifiziert sind“, so Dohrmann weiter. Die Abschiebungsbeobachtung fordert deshalb, dass die zuständigen Behörden bereits im Vorfeld der Maßnahme eine fachgerechte Beurteilung durch unabhängige Fachärzte einholen.

Probleme beginnen mit der Abholung am Wohnort

Die Probleme bei Abschiebungen beginnen in der Regel schon bei der Abholung am Wohnort: „Immer häufiger berichten Rückzuführende, dass sie bei der Abholung weder die Möglichkeiten hatten zu packen oder ihr Geld vom Konto abzuheben, noch ihre persönlichen Gegenstände und/oder Hausrat organisieren konnten“, schreiben die Abschiebungsbeobachtenden. Im Berichtszeitraum 2023 fiel zudem besonders auf, dass Zubringkräfte aus verschiedenen Bundesländern sich häufig geweigert hätten, auch nur ein Mindestmaß an Gepäck von den Betroffenen packen zu lassen oder selbst zu packen. Betroffene seien darüber hinaus oft gefesselt zum Flughafen gebracht worden.

Kirchen leisten wichtigen Beitrag zur humanen Behandlung Abgeschobener

„Die EU schreibt seit 2008 ein unabhängiges und flächendeckendes Monitoring gesetzlich vor. In Deutschland aber ist das bis heute nur unzureichend umgesetzt“, erklären Diakoniepfarrer Markus Eisele und Dr. Karl Weber, Diözesancaritasdirektor im Bistum Limburg. „Die Kirchen leisten mit ihrem aus Kirchensteuern, Mitteln des Zentrums Oekumene der Evangelischen Kirche in Hessen und Nassau und der Evangelischen Kirche von Kurhessen-Waldeck sowie Landesmitteln finanzierten Monitoring einen wichtigen Beitrag, damit Menschen während ihrer Abschiebung eine humane Behandlung erfahren und ihre Rechte gewahrt bleiben.“ Eisele und Weber wiesen darauf hin, dass viele Probleme im Abschiebeverfahren bereits vor dem Flughafen entstehen, etwa, wenn Abgeschobene mittellos zum Flughafen gebracht werden. „Es muss der gesamte Prozess der Abschiebung von der Abholung am Wohnort bis zur Ankunft im Zielland beobachtet werden. Das ist in anderen EU-Ländern bereits Standard.“

Respektvolle Kooperation mit der Bundespolizei

Die Zusammenarbeit mit der Bundespolizei wird von der Abschiebungsbeobachtung als „respektvoll“ beschrieben. 2023 konnten die Beobachtenden in einem Ausbildungslehrgang der Bundespolizei ihre Tätigkeit vorstellen und für gegenseitiges Verständnis werben. „Die Informationsweitergabe ist Zeichen der gut funktionierenden Kooperation der Abschiebebeobachtung mit der Bundespolizei“, heißt es in dem Bericht. In einem monatlichen Jour fixe mit der Bundespolizei werden außerdem problematische Sachverhalte angesprochen und weiterverfolgt. Aufgrund der unterschiedlichen Praxis je nach Standort der Abschiebungsbeobachtung wünschen sich die beiden Abschiebungsbeobachtenden am Frankfurter Flughafen verbindliche bundeseinheitliche Regelungen für den Ablauf von Beobachtungen. Für Melisa Ergül-Puopolo ist das gerade jetzt besonders wichtig: „Die aktuellen gesellschaftlichen Debatten zum Asyl- und Migrationsrecht rücken Abschiebungen stärker in den Mittelpunkt des öffentlichen Interesses. Trotz des zunehmenden Drucks müssen die Menschenrechte von Abzuschiebenden geschützt werden. Dafür steht die Abschiebungsbeobachtung am Flughafen ein.“

Text: Diakonie Frankfurt und Offenbach und Caritasverband für die Diözese Limburg

Zur Abschiebungsbeobachtung am Flughafen Frankfurt/Main

Zahlen 2023

Im Jahr 2023 wurden deutschlandweit 16.430 Personen abgeschoben, darunter 2.863 Minderjährige. 4.395 Menschen wurden per Flugzeug vom Flughafen Frankfurt abgeschoben. Bundesweit scheiterten 1.036 Abschiebungen nachdem Betroffene an die Bundespolizei übergeben worden waren. Die Gründe dafür sind vielfältig: Zum Beispiel verweigerten die Fluggesellschaften eine Mitnahme oder medizinische Bedenken führten zu einem Abbruch der Abschiebung.

Die kirchlichen Mitarbeitenden am Frankfurter Flughafen beobachteten im Jahr 2023 Rückführungen von 1.200 Menschen. Darunter waren 20 Sammelmaßnahmen unter anderem nach Nordmazedonien, Serbien, Nigeria und Gambia.

Die Abschiebungsbeobachtung am Frankfurter Flughafen besteht seit 2006. Sie begleitet und unterstützt Betroffene, kann aber nicht aktiv in Maßnahmen eingreifen. Der Caritasverband für die Diözese Limburg e.V. und die Diakonie Frankfurt und Offenbach tragen jeweils eine halbe Stelle. Seit 2019 wird die Abschiebungsbeobachtung auch vom Land Hessen mitfinanziert.

Sie hat die Aufgabe, die Praxis von Abschiebungen als unabhängige Instanz zu beobachten und mögliche Verstöße und Verletzungen humanitärer Ansprüche zu dokumentieren. Die Beobachter: innen sind Ansprechpartner: innen für Initiativen, Beratungsstellen und Kirchengemeinden, vermitteln zwischen Polizei, Behörden und Abzuschiebenden oder unterstützen Betroffene, damit sie im Herkunftsland eine Anlaufstelle haben.

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