Politik unter der Macht von Stimmungen
WIESBADEN. ? Hinter Zahlen, Statistiken und Tabellen die konkreten Auswirkungen auf Menschen wahrnehmen zu können ist Grundbedingung für die Gestaltung einer sozialen Gesellschaft. Das hat Weihbischof Manfred Grothe, Apostolischer Administrator im Bistum Limburg, im Rahmen des Thomas Morus-Empfangs des Kommissariats der katholischen Bischöfe in Hessen betont. Dafür gebe das Prinzip Barmherzigkeit die Orientierung vor, sagte Grothe am Mittwoch, 22. Juni in Wiesbaden. Er nutzte die Gelegenheit, allen in Politik und Verwaltung zu danken, die in den letzten Monaten zur Aufnahme, Betreuung und Versorgung der Flüchtlinge beigetragen hätten: „Großer Dank gilt allen, die sich politisch und administrativ engagiert, fair und hilfreich der Menschen und der Herausforderungen angenommen haben und weiter annehmen“, so der Weihbischof.
Prominente Gäste
Gastgeber und Kommissariatsleiter Domkapitular Dr. Wolfgang Pax hatte über 200 Gäste aus Politik, Kirche, Verwaltung und Gesellschaft in den ehrwürdigen Räumen der Casino-Gesellschaft begrüßen können. Der Einladung zu dem zum dritten Mal veranstalteten katholischen Empfang, der inhaltliche Impulse und Gelegenheit für inspirierende Begegnungen geben will, waren erneut viele hochrangige Vertreter unterschiedlicher Institutionen gefolgt, darunter Staatsminister, Staatssekretäre und die Fraktionsvorsitzenden der Landtagsfraktionen. Mit Bischof Heinz Josef Algermissen (Fulda), den Weihbischöfen Thomas Löhr (Limburg) und Udo Bentz (Mainz), Diözesanadministrator Prälat Dietmar Giebelmann (Mainz), Generalvikar Gerhard Stanke (Fulda), Domkapitular Wolfang Rösch (Limburg) sowie Dezernenten und Abteilungsleiter waren auch die beteiligten Bistümer Limburg, Fulda, Mainz und Paderborn prominent vertreten.
Situation der Gereiztheit
Kultusminister Ralph Alexander Lorz, der den kurzfristig verhinderten Ministerpräsidenten Volker Bouffier vertrat, leitete mit seinen Überlegungen zur „Macht der Emotionen“ zum Vortrag des Abends über und erläuterte die Bedeutung des Gewissens als Entscheidungsinstanz für den Umgang mit Stimmungen. Gleichzeitig würden Stimmungen zunehmend zur Herausforderung für die Politik, sagte Lorz. Die wissenschaftliche Einordnung von „Angst, Hass, Hoffnung. Politik unter der Macht von Stimmungen“ lieferte Professor Dr. Heinz Bude von der Universität Kassel, der in Deutschland eine „Situation der Gereiztheit“ ausgemacht hat. Bei den „heimatlosen Antikapitalisten“ auf der einen, und den „entspannten Systemfatalisten“ auf der anderen Seite sieht er eine Gemeinsamkeit: „Der Glaube an die Zukunft im Sinne einer kollektiven Handlungsfähigkeit ist aufgegeben.“
Hoffnung ohne Optimismus
Im „relativ gefährlichen Milieu“ von Pegida und AFD gebe es eine Gruppe von „Verbitterten“ aus der Mitte der Gesellschaft, mit relativ hoher Bildung und Bereitschaft zum Engagement: „Das sind nicht die anderen, das sind Leute wie wir.“ Sie seien im Zuge der dramatischen Veränderungen der letzten Jahre auf der Strecke geblieben. Dabei habe sich ein Jahrhunderttrend umgekehrt: Während im weltweiten Maßstab vieles besser werde, nehme innerhalb der OECD-Länder die soziale Ungleichheit zu. Zukunft habe, auch im Blick auf die Entwicklung des Christentums, einen anderen Ort gewonnen, sagte Bude, und verwies auf die ersten Worte von Papst Franziskus, in denen dieser erzählte, dass er vom Ende der Welt geholt worden sei. Mit einem nicht allzu zuversichtlichen Schlusswort entließ der Professor seine Zuhörer in den entspannten Teil des Abends: „Ich habe Hoffnung, aber ohne Optimismus.“ (rei)
Das Kommissariat der Katholischen Bischöfe im Lande Hessen (Katholisches Büro) ist die Verbindungsstelle zwischen den katholischen Bistümern in Hessen und dem Bundesland Hessen. Das Kommissariat handelt im Auftrag der (Erz-)Bischöfe der Diözesen Fulda, Limburg, Mainz und Paderborn und vertritt die Bistümer gegenüber dem Land. Sitz des Kommissariats ist die Landeshauptstadt Wiesbaden.