Theologiestudenten und die Zukunft der Kirche
"Kirche und junge Leute: Geht nicht! …. Oder doch?“: Mit dieser Frage haben sich die diesjährigen Theologen-Tage beschäftigt und einen optimistischen Blick in die Zukunft gewagt. Bei den Theo-Tagen treffen sich jedes Jahr die angehenden Seelsorgerinnen und Seelsorger des Bistums Limburg. Das Thema wählen die Studierenden selbst. Jetzt kamen insgesamt 33 Studierende aus Mainz, Vallendar und Frankfurt im Limburger Priesterseminar zusammen, darunter auch Studierende von Theologie im Fernkurs (ThiF). Im Interview sprechen der angehende Pastoralreferent Marvin Neuroth und die Ausbilderin Lieselotte Harjung über das, was Seelsorger und Kirche in Zukunft mitbringen müssen – auch, um für junge Leute attraktiv zu sein.
Frage: Geht es bei dem Thema darum, junge Leute von Kirche zu begeistern oder sie zumindest nicht abzuschrecken? Wie würden Sie das Thema beschreiben?
Neuroth: Es geht bei dem Thema darum, sich Gedanken darüber zu machen: Wie kann man junge Leute für Glaube und Kirche begeistern? Wie kann so heute Glaubensvermittlung aussehen? Das ist ein Thema, das uns bewegt, das spannend, wichtig und brandaktuell ist, gerade, weil die meisten von uns ja selbst junge Erwachsene sind. Wir wollen aber damit nicht zum Ausdruck bringen, das wir etwas bewahren wollen, was verloren scheint, sondern wir wollen in die Zukunft schauen und fragen: Was können wir tun?
Harjung: Ja, Kirche hat – das ist bedauerlich – bei vielen jungen Leuten einen antiquierten Touch, wirkt also eher abschreckend. Umso bemerkenswerter und schöner ist, dass sich hier junge Menschen auf den Weg machen, um irgendwann in der Kirche zu arbeiten und jetzt schon Kirche „ein Gesicht geben“. Die angehenden Seelsorgerinnen und Seelsorger sind wirklich durchgängig hochmotiviert, Kirche gestalten zu wollen und die Welt zu verändern – im positiven Sinne.
Frage: Herr Neuroth, Sie fragen: Was können wir tun? Haben Sie darauf konkrete Antworten gefunden, gerade auch in Bezug auf junge Leute?
Neuroth: Ich glaube es gibt nicht die eine konkrete Antwort auf die Frage "Was können wir tun, um junge Leute für die Kirche und den Glauben zu begeistern. Erstmal müssen wir uns über die Zielgruppe klar werden, hinhören und dann auf die Bedürfnisse der Zielgruppe reagieren. Und im persönlichen Kontakt müssen wir authentisch sein, glaubwürdig sein. Das ist meines Erachtens nach das Wichtigste. Wir müssen selbst ein Zeugnis unseres Glaubens geben.
Ansprechbar sein für den Einzelnen, auf den Einzelnen zugehen ist dabei genauso wichtig wie über Angebote für junge Erwachsene oder junge Familien nachzudenken. Dabei sollten wir den Zugang über den Alltag, über Sorgen und Ängste, aber auch über positive Ereignisse und Lebenswenden suchen. Ein liturgisches Angebot speziell für junge Leute ist zum Beispiel „Night fever“. Bei den Theo-Tagen haben wir zum Beispiel erfahren, welche neuen Ansätze es im Bereich Kirchenentwicklung gibt - fresh expressions of church - oder welche Angebote die Fachstelle Familienpastoral speziell für junge Familien entwickelt.
Harjung: Und bei den Angeboten sind zwei Dinge wichtig: Erstens die Frage, wen wir mit welchen Angeboten erreichen, und zweitens die Erkenntnis, dass man mit seinen Angeboten nicht alle erreichen kann und auch nicht muss - auch wenn man natürlich per se für alle Menschen da sein möchte. Das umreißt schon ein Spannungsfeld, das auf die Seelsorgerinnen und Seelsorger zukommt: Angebote machen, aber nicht nur warten, ob jemand kommt, sondern auch auf den Menschen zugehen und fragen: „Was willst Du? Was brauchst Du?“
Frage: Was müssen Seelsorger mitbringen, um in diesem Spannungsfeld gut arbeiten zu können?
Harjung: Sie müssen in der Lage sein, auf Menschen zuzugehen und gleichzeitig auch von sich selbst absehen können. Sie müssen sprach- und kontaktfähig sein und hinhören, was die Bedürfnisse der Menschen sind. Eigentlich sind das Kompetenzen, die Seelsorgerinnen und Seelsorger schon immer mitbringen mussten, vielleicht muss man heute aber noch mal mehr zu den Menschen gehen, um ihre Vorstellungen von Glauben und Kirche kennen zu lernen.
Neuroth: Was ich auch von den Theo-Tagen mitnehme, ist der Vernetzungsgedanke. Wir müssen im Team arbeiten, dafür müssen wir vielleicht mehr als früher eine Netzwerk- und Kommunikationsfähigkeit mitbringen. Dabei hilft es, auch die Stärken, Talente und Begabungen der Anderen zu kennen und zu erkennen, um diese im Bedarfsfall anfragen zu können.
Harjung: Das ist auch ganz konkret ein Ziel der Theologen-Tage: dass sich die Studierenden der verschiedenen Hochschulen kennenlernen und untereinander vernetzen. Auch die Talente eines jeden einzelnen waren hier Thema. In der Ausbildung der Gemeinde- und Pastoralreferentinnen und -referenten und der Priesterkandidaten legen wir Wert darauf, die Persönlichkeit, die je eigenen Kompetenzen zu fördern und Haltungen zu stärken.
Frage: Und die Frage zum Schluss: Wie muss Ihrer Meinung nach die Kirche der Zukunft aussehen, damit sie für junge Leute wieder attraktiver wird - kurz und knapp?
Neuroth: Offen, konfliktfähig, authentisch. Und da wir alle Kirche sind, müssen wir alle das sein.
Harjung: Kirche sollte sich nicht hinter ihre Gesetze zurückziehen. Sie sollte innovations- und experimentierfreudig sein und die „Zeichen der Zeit“ erkennen.
Hintergrund: Die Theologen-Tage
Das dreitägige Format „Theologen-Tage“ gibt es schon seit mehr als 30 Jahren. Für das Team der Personalausbildung und die Teilnehmer ist es ein wichtiges Vernetzungs- und Austauschforum. Neben verschiedenen Workshops gehören immer auch gemeinsame Gebetszeiten dazu. In den vergangenen Jahren waren Schwerpunkthemen Erlebnispädagogik, Kategorialseelsorge, interreligiöser Dialog, Jugendarbeit oder auch Pilgern.