Weil gute Betreuung keine Frage der Uhrzeit ist
WIESBADEN/LIMBURG.- Mit dem vor zwei Jahren gestarteten Bundesprogramm „KitaPlus: Weil gute Betreuung keine Frage der Uhrzeit ist“ ist eine Diskussion zu den Öffnungszeiten von Kindertageseinrichtungen entstanden. Dabei steht die Frage im Fokus, welche Zeiten es braucht, um den Bedürfnissen der Familien gerecht zu werden. Mittlerweile liegen erste Erfahrungen mit dem Projekt vor. Bei einem Fachforum am Donnerstag, 8. März, im Wilhelm-Kempf-Haus in Wiesbaden haben sich Träger, Einrichtungsleitungen, Fachberatungen und Fachkräfte intensiv mit den damit verbundenen Fragestellungen auseinandergesetzt.
Ralf Stammberger, Abteilungsleiter Kindertageseinrichtungen im Bistum Limburg, verwies in seiner Einführung auf die Ausführungen von Papst Franziskus in Amoris Laetitia. Darin beschreibt der Papst nicht nur die vielfältigen wirtschaftlichen und sozialen Herausforderungen von Familien heute, sondern hebt auch hervor, dass das Wohl der Familie entscheidend sei für die Zukunft der Welt und der Kirche. In seinem Einführungsreferat zeigte Prof. Dr. Norbert Schneider, Direktor des Bundesinstituts für Bevölkerungsforschung, eindrücklich die Trends auf, von denen Familienleben heute geprägt ist: 26% aller Kinder werden von Alleinerziehenden erzogen. Ganz eindeutig steigt auch der Anteil der Familien, in denen beide Elternteile voll berufstätig sind. In Ostdeutschland liegt der Anteil bereits bei 58%. Vor diesem Hintergrund steigen die Betreuungsbedarfe, d.h. eine gute Vereinbarkeit von Familie und Beruf wird immer wichtiger.
Die Frage entsprechender Betreuungsangebote ist zentral vor allem vor dem Hintergrund, dass neben der ökonomischen Situation vor allem auch die Zufriedenheit der Eltern ein entscheidender Gelingensfaktor für die kindliche Entwicklung ist. Prof. Dr. Sabine Fischer von der Evangelischen Hochschule Darmstadt konnte in ihrem Referat aufzeigen, welche Voraussetzungen für eine Flexibilisierung von Betreungsangeboten gegeben sein müssen, damit sie Kindern, Familien und Mitarbeitern gerecht werden.
Betreuung muss Beziehungs- und Bindungsbedarfen der Kinder gerecht werden
In verschiedenen Workshops konnten sich die Teilnehmer mit Praktikern austauschen, die aus ihren Erfahrungen mit Kitas mit langen Öffnungszeiten berichteten. Im abschließenden Podium kamen dann Vertreter verschiedener Perspektiven mit Prof. Dr. Holger Jessel von der Evangelischen Hochschule Darmstadt als Moderator ins Gespräch. Dabei wurde deutlich, dass eine Flexibilisierung der Betreuungsleistungen nur dort sinnvoll ist, wo entsprechende Bedarfe der Familien bestehen und dass sie nur möglich ist, wenn die personellen Voraussetzungen gesichert sind. Auch geht es immer um Rahmenbedingungen, die den Beziehungs- und Bindungsbedarfen der Kinder gerecht werden sollen. Zugleich wurde auch aus der Elternperspektive, vertreten durch Anke Holzmann, und aus der Unternehmerperspektive von Joachim Hasdenteufel, Bundesvorsitzender Holzpackmittel, Paletten, Exportverpackungen e.V., deutlich, dass starre Betreuungsangebote den Stress für die Eltern und damit für die Kinder und die Betriebe gleichermaßen erhöhen.
Im Ausblick verwies Stammberger darauf, dass der Diskurs um eine Weiterentwicklung der Kinderbetreuung angesichts der eingangs von Schneider aufgezeigten gesellschaftlichen Entwicklungen und der stark zunehmenden Geburtenzahlen intensiv geführt werden müsse, dass dazu aber die Instrumente der Bedarfserhebung ebenso einer Weiterentwicklung bedürfen wie die gesetzlichen Rahmenbedingungen, die in Hessen und Rheinland-Pfalz nicht auf eine solche Weiterentwicklung ausgelegt sind. Zunächst aber gelte es, sich fachlich zu vergewissern, wie die Rahmenbedingungen aussehen müssen, um ein kind- und familiengerechtes Angebot vorzuhalten, dass dem Bildungs-, Erziehungs- und Betreuungsauftrag auch bei einer Erweiterung der Öffnungszeiten umfassend gerecht wird. (pm)