FRANKFURT, 17.03.2021
Religionslehrerin kämpft mit Schülern für Gerechtigkeit
FRANKFURT. – „Das schaffst du doch eh nicht!“ Diese Worte haben viele der Berufsschüler der Stauffenbergschule in Bornheim einfach schon zu oft gehört. Aus Trotz und zum Ansporn haben sie sich genau diesen Satz als Motto für ihren Beitrag zum Frankfurter Schulpreis 2020 gewählt. Die Schüler erreichten mit ihrem eingereichten Projekt im vergangenen Jahr den zweiten Platz. Wege der Corona-Pandemie fand die Preisverleihung allerdings erst Ende Februar statt. Die Schülerinnen und Schüler durften sich, zusammen mit ihren Lehrerinnen Andrea Bargon und Claudia Wichmann über ein Preisgeld von 4000 Euro freuen.
Thema des Schulpreises war diesmal „Was ist gerecht?“. Dafür brauchten die Schülerinnen und Schüler der Klasse 12K11, die gerade eine zweijährige schulische Ausbildung zum staatlich geprüften kaufmännischen Assistenten/Assistentin machen, sich nur ihren schulischen Alltag anzusehen: Wo findet sich Ungerechtigkeit an der Schule? Wie ist der Umgang untereinander, das Verhältnis von Lehrerinnen und Lehrern zu denen, die sie unterrichten? Könnte und sollte es da nicht manchmal gerechter zugehen?
Ihre Beobachtungen und Gedanken dokumentierten die jungen Menschen in Fotos, Interviews, Gedichten und Erfahrungsberichten. Daraus entstand ein Buch mit dem Titel „,Du schaffst es eh nicht!‘ – Auf der Suche nach Gerechtigkeit“.
Gerechtigkeit ist subjektiv
Es habe eine Weile gedauert, bis die Klasse entschieden hatte, in welche Richtung das Projekt gehen soll, berichtet Religionslehrerin Andrea Bargon. Denn Gerechtigkeit, das war allen Beteiligten von vornherein klar, ist ein vielfältiges Thema. „Nur weil ich etwas für gerecht halte, muss es nicht gerecht sein und umgekehrt“, schrieb jemand im Feedbackbogen zu dem Projekt.
Was also bedeutet Gerechtigkeit in der Schule? „Zentrale Botschaft unseres Buches ist dabei, dass man aufhören sollte, Menschen zu verurteilen und man schauen sollte, ob das alles so seine Richtigkeit hat. Aber man sollte zugleich im Hinterkopf behalten, dass leider nicht alles im Leben gerecht ist und auch nie sein wird“, fasst Andrea Bargon zusammen.
Ansporn oder Diss?
„Das schaffst du eh nicht!“ – Wenn junge Menschen so etwas von Lehrerinnen oder Lehrern hören, kann das entmutigend sein. Oder es kann zum Ansporn werden, sich gemeinsam mit anderen mit einem Thema auseinanderzusetzen, sich als Gruppe zusammenzuraufen und im Team zu arbeiten. Und ein scheinbar unmögliches Projekt wie das Buch doch noch abzuschließen und es allen Miesmachern zu zeigen. „Es hat Mut gemacht, an einer Sache dran zu bleiben und durchzuhalten!“, so die Bilanz der Schüler.
Und Durchhaltevermögen brauchten sie, denn nachdem sie im Herbst 2019 gut ins Projekt gestartet waren, wurden sie im Frühjahr und Sommer 2020 Corona-bedingt ausgebremst. Nach einer längeren Pause fiel es nicht leicht, den Faden wieder aufzunehmen. Doch die jungen Autorinnen und Autoren haben es geschafft – sehr zum Stolz ihrer Lehrerin.
Ermutigen statt klein machen
Ziel ihres Buches ist es, zu ermutigen statt kleinzumachen. Leser erfahren, was aufbauen kann, wenn jemand mit Ungerechtigkeit konfrontiert ist. „Mit sogenannten Kühlschrankgedichten versuchen wir, deutlich zu machen, was wichtig ist, damit Gerechtigkeit eine Chance hat“, berichtet die Lehrerin, die als Pastoralreferentin mit Gestellungsvertrag an der Stauffenbergschule unterrichtet. „In fiktiven Chatverläufen haben wir uns damit auseinander gesetzt, was Mut machen kann, wenn ich Ungerechtigkeit erfahre.“
Die Schülerinnen und Schüler nehmen viel mit aus der Erfahrung, zum Beispiel, wie wichtig es ist, untereinander und mit Lehrerinnen und Lehrern über Versagensangst und andere Themen zu sprechen. Dadurch sei ihnen klar geworden, dass sie mit ihren Gefühlen nicht alleine seien.
Gleich die Welt verändern?
Ob sie mit ihrem Projekt nun für mehr Gerechtigkeit in der Schule sorgen oder gar gleich die Welt verändern? Das glauben die Schülerinnen und Schüler nicht. Aber sie haben gelernt, dass sie sich bei Unrecht einmischen und etwas dagegen tun können. Dass man im Team besser funktioniert. Und dass die Klasse, wenn sie ein Problem hat, den Lehrer oder die Lehrerin ansprechen kann, darf und soll.
Einige Exemplare des Buches gibt es im Amt für katholische Religionspädagogik Frankfurt (RPA) im Haus am Dom. Eventuell wird es auch online gestellt.
Diese Erfahrungen wollen wir weitergeben. Jede Klasse, die sich an der Schule und darüber hinaus mit dem Thema beschäftigt, hat mit dem Buch nun eine gute Grundlage und einen großen Erfahrungsschatz.
Das Preisgeld erhält die Schule. „Eine Idee ist, es für weiteres Material für die Ausstattung des Theaterprojekts wie Mikro, Verstärker, Lautsprecher oder Bühnenteile zu verwenden“, berichtet die Lehrerin. Bereits im Jahr zuvor hatte eine Klasse der Schule mit einem Theaterprojekt am Frankfurter Schulpreis teilgenommen und sogar den ersten Platz gemacht.
Die jungen Autorinnen und Autoren heißen Ayisha Abdallah, Baris Ak, Taha Azaitouni, Dennis Boskovski, Shainey da Silva Aparicao, Fatina El Zubi, Dalia Gallo, Kübra-Nur Güler, David Kindereit, Kinga Kosciuszko, Rabia Mohammad, Maria Mondol, Nassim Rabhioui, Marie Rosenberger, Ilayda Sakalli, Gondar Tel-La-e, Christos Tzomakas, Alexander Ünver und Dominik Weigel. Dawit Ghirmai und Loubna Kandarouchi haben die Schule im Sommer 2020 verlassen. Murid Wazeri, Timo Warth, Shiela Khosrari, Joel Kaiser und Mohamed El Fonlati sind im Sommer 2020 in die Klasse gekommen. Begleitet wurde das Projekt von den Lehrerinnen Andrea Bargon und Claudia Wichmann.