Limburg, 27.02.2024
Der Stachel im Fleisch
Im Betroffenenbeirat der Bistümer Fulda und Limburg engagieren sich Menschen, die selbst betroffen von sexualisierter Gewalt im kirchlichen Kontext sind. Claudia Schmidt ist eine von ihnen. In unserem Gespräch erläutert sie die Bedeutung der Aufarbeitung und die Rolle des Betroffenenbeirats sowie dessen Aufgaben.
Wie wichtig ist Ihrer Einschätzung nach der Betroffenenbeirat?
Schmidt: Ohne die Perspektive der Betroffenen ist keine wirkungsvolle Aufarbeitung möglich. Wir repräsentieren die Vielfalt der Betroffenen und tragen unterschiedliche Erfahrungen und Berufe zusammen. Es ist von großer Bedeutung, die Perspektive der Betroffenen vor allem in die Präventionsarbeit einzubringen, denn es geht darum, sexuellen Missbrauch künftig zu verhindern. Wir wurden auch schon als Stachel im Fleisch bezeichnet, weil wir immer wieder daran erinnern, dass nicht vergessen werden darf, was passiert ist.
Warum haben Sie sich dazu entschlossen, im Betroffenenbeirat mitzuwirken?
Schmidt: Meine Entscheidung mitzuwirken, kam dadurch, dass ich nicht mehr nur zusehen wollte, wie andere handeln, sondern selbst aktiv werden wollte. Ich habe gemerkt, dass in vielen Bereichen einfach die Perspektive von Betroffenen gefehlt hat. Veranstaltungen hätten anders verlaufen können, wenn vorab Betroffene um Rat gefragt worden wären. Ähnlich verhält es sich mit Texten, die ganz anders geklungen hätten, wenn Betroffene mitgewirkt hätten.
Wie bringt der Betroffenenbeirat seine Sichtweise in den verschiedenen Gremien ein?
Schmidt: Unser Fokus liegt auf den drei Bereichen Aufarbeitung, Intervention und Prävention. Wir prüfen vorgelegte Texte auf sensible Formulierungen. Oftmals sind es Wörter oder Sätze, die Nicht-Betroffene nicht wahrnehmen würden, die jedoch für uns Verletzungen auslösen können. Auch bei der Planung von Veranstaltungen zum Thema sexualisierte Gewalt werden wir konsultiert. Da ist es zum Beispiel aus Betroffenensicht unpassend, eine kirchliche Räumlichkeit zu wählen. Das weiß man als Nicht-Betroffener aber vielleicht nicht. Daher ist es entscheidend, den Betroffenenbeirat einzubeziehen, um Texte, Konzepte und Veranstaltungen zu überprüfen und zu klären, ob potenzielle Triggerpunkte für Betroffene bestehen.
Welche weiteren Aufgaben hat der Betroffenenbeirat und wie viel Zeit beansprucht Ihre Tätigkeit dafür?
Schmidt: Der Betroffenenbeirat entsendet Mitglieder in die Unabhängige Aufarbeitungskommission (UKO) der Bistümer, wo es um die Aufarbeitung der letzten 60 Jahre geht. Außerdem sind wir bei Veranstaltungen zum Thema sexualisierte Gewalt dabei und stehen dort für Rückfragen zur Verfügung. Wir haben auch schon Betroffene zu ganz unverbindlichen, digitalen Treffen eingeladen, wo wir uns austauschen und vernetzen können. Insgesamt treffen wir uns als Betroffenenbeirat alle drei Wochen an einem Abend digital.
Mitmachen
Der Betroffenenbeirat der Bistümer Fulda und Limburg sucht weitere Mitglieder. Die Bistümer Fulda und Limburg richten ihren Aufruf zur Mitwirkung und Unterstützung an alle Personen, die auf dem Gebiet der Diözesen Fulda bzw. Limburg sexuellen Missbrauch durch kirchliche Mitarbeiter erlitten haben oder die in den Diözesen Fulda oder Limburg wohnen. Die Kontaktaufnahme durch Betroffene erfolgt direkt über die Büros der jeweiligen Generalvikare mit einem Formular, in dem eingeladen wird, unter anderem die Interessenbekundung für eine Mitarbeit deutlich zu machen. Es wird darum gebeten, bis Donnerstag, 29. Februar 2024, eine schriftliche Interessensbekundung per Post an das jeweilige Bistum zu senden. Weitere Informationen und das Formular gibt es hier.