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FRANKFURT, 25.07.2024

Die Trauer passt noch in den Koffer

Während drumherum die Menschen den Sommer genießen, können Sonne, Hitze und der allgegenwärtige Ferienspaß für Trauernde zur Belastung werden. Die Trauerbegleiterinnen Verena Maria Kitz und Judith Poser wissen, was jetzt hilft.

Es ist Sommer, Urlaubssaison, Zeit für Leichtigkeit, dafür, die Seele baumeln zu lassen und neue Kraft zu tanken. Doch wer trauert, für den gibt es davon keine Pause. „Die Trauer nehmen wir mit, egal wohin wir fahren“, sagt Verena Maria Kitz, Leiterin des Zentrums für Trauerseelsorge im Frankfurter Nordend. Deshalb ist es für Trauernde wichtig, gerade im Sommer, wenn drumherum viele Menschen fröhlich sind, einen guten Weg für sich zu finden. „Manchen geht es, wenn es warm ist, durchaus besser, weil sie sich dann gut ablenken können“, hat Trauerbegleiterin Judith Poser in vielen Gesprächen beobachtet. Doch das trifft nicht auf alle zu: „Andere empfinden es geradezu als Zumutung, dass drumherum alles blüht und duftet und die Sonne scheint, obwohl sie tieftraurig sind.“

Das Team der Trauerseelsorge nennt fünf Eckpunkte nach Trauerexpertin Dr. Ruthmarijke Smeding, die gerade im Sommer essenziell für alle sind, die durch einen Verlust vorübergehend verlernt haben, auf eigene Bedürfnisse zu hören: Ausreichend Nahrung und vor allem Flüssigkeit zu sich nehmen, den Körper pflegen und regelmäßig die Kleidung wechseln, sich bewegen, feste Schlafenszeiten einhalten und jeden Tag eine Kleinigkeit aufschreiben, die gut war am Tag.

Für viele Berufstätige in Trauer ist die Urlaubszeit auch deshalb eine kritische Situation, weil die gewohnte Tagesstruktur wegfällt. Wer sich dann zurückzieht, niemanden mehr sehen und hören möchte, kann schnell den Boden unter den Füßen verlieren. „Hier gilt Ähnliches wie bei einer Depression: Sich eine Tagesstruktur zu überlegen ist hilfreich“, so Verena Kitz.

Sich besonders nah fühlen

Ob es hilft, zu verreisen, kommt auf die persönliche Situation an. „Vielleicht möchte ich an den Ort reisen, den ich mit dem Menschen, den ich verloren habe, immer besucht habe, vielleicht fühle ich mich ihm oder ihr dort besonders nah und getröstet“, sagt Verena Kitz. „Oder es ist mir zu schmerzhaft, alleine dorthin zu fahren, auch das ist ja möglich. Dann brauche ich das nicht zu tun. Manchmal kommt auch ein neuer Ort infrage, der noch nicht durch Erinnerungen geprägt ist, der aber Bezug zum geliebten Menschen hat – beispielsweise, weil man immer gemeinsam ans Wasser gefahren ist und dieses Gefühl auch woanders spüren möchte.“ Auch, in die Heimat des Verstorbenen zu reisen und dort bewusst an ihn oder sie zu denken kann eine Variante sein, der Trauer in der Ferienzeit zu begegnen. Oder natürlich, ans Grab zu reisen, wenn jemand an einem anderen Ort bestattet wurde.

Nicht erwarten, dass alle das Gleiche wollen

Ist mehr als ein trauernder Mensch beteiligt, kann schon die Planung zur Herausforderung werden. Für manche fühlt es sich richtig an, mit Freunden und Familie zu verreisen, wieder andere fühlen sich in einer Gruppe, zum Beispiel von befreundeten Ehepaaren, nachdem der eigene Partner gestorben ist, plötzlich nicht mehr so wohl wie früher. Auf die eigenen Gefühle zu hören, sich nicht zu etwas zu zwingen, was sich nicht richtig anfühlt – und auch nicht von allen aus der Familie zu erwarten, dass sie im gleichen Moment das Gleiche brauchen – das erfordert Geduld und Nachsicht.

Tipps für Trauernde im Sommer

 

  • Trauernde haben oft ein schlechtes Gefühl dabei, das frische Grab alleine zu lassen, und möchten deshalb nicht verreisen. Es kann helfen, Freunde und Familie zu bitten, in der Abwesenheit auf dem Friedhof vorbeizuschauen und „Hallo“ zu sagen.
  • Trauer kann saisonal andere Ausdrucksformen finden. Zum Beispiel kann es sich schön anfühlen, eine Pflanze aufs Grab zu pflanzen, die nur in den Sommermonaten blüht.
  • Wer Schwarz tragen möchte, „darf“ das ruhig auch bei Hitze tun. Schwarz zieht die Wärme besonders an, daher ist es wichtig, auf atmungsaktive Materialien zu achten, die den Körper nicht überhitzen lassen.
  • Wer verreist, hat viele Möglichkeiten, am Urlaubsort an den Verstorbenen zu denken. Etwas von ihm oder ihr mitzunehmen und dort rituell abzulegen, einen Stein oder eine Muschel am Strand zu sammeln und in Gedenken an den geliebten Menschen mit Acrylstiften zu bemalen, einen Brief an den oder die Verstorbene zu schreiben und als Flaschenpost ins Meer zu werfen, ein (sicheres) Lagerfeuer am Strand zu entzünden und einen Brief zu verbrennen ... oder die Briefe in ein besonderes Urlaubstagebuch zu schreiben und es im nächsten Jahr fortzusetzen.

Und, wie das so ist in der Trauer, gibt es auch überraschende Momente. Verena Kitz erzählt von einer Frau, deren Mann im Urlaub immer den Mietwagen fuhr – und für die es herausfordernd war, das nun selbst zu tun. Dass sie es trotz aller Aufregung schaffte, sei ein gutes Gefühl gewesen, erzählte sie im Trauergespräch. Traurigsein, fröhlich bei der Erinnerung, mal durchatmen, weil Ablenkung gelingt - „nichts ist ambivalenter als die Trauer“, wissen die Mitarbeiterinnen des Zentrums für Trauerseelsorge.

Auch mal schweigend auf der Parkbank sitzen

Freunden von Trauernden empfehlen sie, gerade im Sommer immer wieder auf den trauernden Menschen zuzukommen, ihn einzuladen, nach draußen mitzukommen, Gesellschaft anzubieten, auch wenn das bedeuten kann, dass man nur gemeinsam schweigend auf einer Parkbank sitzt. „Sich zurückzuziehen aus falsch verstandener Rücksichtnahme ist nicht das Richtige, es ist immer besser, zu fragen und auch, konkrete Vorschläge für ein Treffen zu machen“, so die Erfahrung aus der Trauerarbeit. Dann ist es fast schon egal, ob es ein gemeinsamer Biergartenbesuch, die Fahrradtour, ein Waldspaziergang oder eben gemeinsames Schweigen ist.

Angebote in der Ferienzeit

Weil der Hochsommer für Trauernde eine besonders fordernde Zeit ist, laufen viele Angebote im Zentrum für Trauerseelsorge auch in der Ferienzeit weiter – besonders die persönliche Begleitung und Beratung. Das Trauercafé findet im August wieder statt, es gibt Einzelgespräche, Trauerwandern im Stadtwald, die offene Trauerkirche St. Michael mit Abendgebet für Trauernde. Nur der Trauertresen speziell für Männer setzt im August aus, weil es mit Ralph Messer nur einen männlichen Trauerbegleiter im Team gibt und er deshalb von den Frauen im Team nicht vertreten werden kann.

Wer Hilfe sucht, findet im Zentrum für Trauerseelsorge Ansprechpartner und ein passendes Angebot, egal zu welcher Jahreszeit. Eine Kontaktaufnahme geht per Telefon oder Mail:  Das Zentrum für Trauerseelsorge, Butzbacher Straße 45 im Nordend, ist erreichbar unter (069) 45 10 24 oder trauerseelsorge@bistumlimburg.de. Weitere Infos gibt es auf https://trauerseelsorge.bistumlimburg.de.

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Übrigens werden auch weiter Ehrenamtliche gesucht, die sich im Zentrum für Trauerseelsorge engagieren möchten. Im Herbst beginnt erneut der Kurs „Tote bestatten, Trauernde trösten“, in dem man sich zur ehrenamtlichen Trauerbegleitung oder Begräbnisleitung ausbilden lassen kann. Der Kurs richtet sich an Interessierte aus dem ganzen Bistum. Er dauert ein Jahr, am Freitag, 15. November, 17 bis 21 Uhr, gibt es einen Informationsabend im Wilhelm-Kempf-Haus in Wiesbaden dazu. Kontakt und weitere Informationen zum Kurs per E-Mail an trauerseelsorge@bistumlimburg.de.

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