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LIMBURG, 16.07.2024

„Wir sind am Anfang und noch nicht mittendrin“

Demografie und Arbeitskräftemangel im sozialen Bereich: Um diese Themen ging es bei der Delegiertenversammlung des Diözesancaritasverbandes am Mittwoch, 11. Juli 2024, in Elz.

Der Arbeitskräftemangel ist im Sozialwesen schon jetzt gravierend. Dass die demografische Entwicklung aber unterschätzt und Entscheider künftig zu einem Umdenken bei sozialen Dienstleistungen und Angeboten gezwungen sein werden, glaubt Dr. Susanne Pauser, Vorständin Personal und Digitales des Deutschen Caritasverbandes. „Der Arbeitskräftemangel ist da und er ist schon jetzt massiv da. Aber wir müssen alle wissen: Wir sind am Anfang und noch nicht mittendrin“, sagte Pauser bei der Delegiertenversammlung des Caritasverbandes für die Diözese Limburg e.V. (DiCV) am Mittwoch, 10. Juli 2024, in Elz. In den kommenden zehn Jahren gingen über 200.000 Mitarbeitende der Caritas in den Ruhestand. Schon jetzt gebe es bei Stellen eine Nichtbesetzungsquote von 20 bis 25 Prozent, erklärte die Personalexpertin. Benötigt würden dann allein für die Caritas mindestens 400.000 Arbeitskräfte, die auf dem Arbeitsmarkt nicht vorhanden seien. Ohne Zuwanderung könne diese Lücke nicht geschlossen werden.  

Sozialarbeit muss neu definiert werden 

Um die demografischen Auswirkungen abzumildern, empfahl Pauser, sich mit der Gewinnung und Bindung von Mitarbeitenden zu beschäftigen und Strukturen zu schaffen, die es auch kleinen Diensten und Einrichtungen ermöglichten, ausländische Fachkräfte zu gewinnen. Darüber hinaus müsste eine Willkommenskultur in Deutschland geschaffen, Bürokratie abgebaut und die Digitalisierung im Sozialwesen vorangetrieben werden. Langfristig sei aber ein grundsätzliches Umdenken notwendig: „Wir müssen uns eine zentrale Frage stellen: Wie sieht unsere Arbeit, wie sehen unsere Dienste und Einrichtungen aus, wenn wir davon ausgehen, auf Dauer 25 Prozent weniger Personal zu haben?“, formulierte Pauser die Herausforderung. Dabei müssten „Systemlogiken“ hinterfragt werden. Als Beispiel nannte sie die gestiegenen Qualitätsanforderungen. Niedrige Betreuungsschlüssel oder hohe Fachkraftquoten seien zwar gut für die Qualität der Angebote, führten aber auch dazu, dass weniger Plätze zur Verfügung stünden. Immer mehr Menschen hätten dann überhaupt keinen Zugang mehr zu sozialen Leistungen. Diese Debatten müssten geführt werden, auch wenn sie schmerzhaft seien. „Ich glaube, es ist wirklich eine Chance, unsere Arbeit neu zu definieren und uns dadurch auch die dringend notwendige Handlungsfreiheit ein Stück weit wieder zurückzugeben.“ 

Knappe Budgets zwingen zu Prioritätensetzungen 

Auf die Caritas im Bistum Limburg blickte der Vorstand des DiCV Limburg: „Im Bistum Limburg haben wir knapp 800 Dienste und Einrichtungen. Das beginnt bei der Gemeindecaritas, der Schwangerenberatung, der Migrationsberatung, das sind Sozialstationen und Altenheime aber auch Hospize und Krankenhäuser“, erklärte Diözesancaritasdirektor Jörg Klärner. „Es ist eine Bewegung mit sehr vielen Menschen mit Mitarbeitenden im Hauptberuf aber auch freiwillig Engagierten.“ Die Caritas erreiche im Bistum 661.000 Menschen mit ihren Angeboten. Aufgrund des Fachkraftmangels, stark gestiegener Kosten für soziale Angebote sowie diskutierten Kürzungen bei kommunalen und staatlichen Zuschüssen verschlechtern sich die Rahmenbedingungen sozialwirtschaftlichen Handelns. In Zukunft müssten stärker als bisher Prioritäten gesetzt werden, damit die Caritas auch für Menschen da sein könne, die der Sozialstaat nicht erreicht. Klärner bezog sich in diesem Kontext auf einen Vortrag von Professor Georg Cremer, ehemaliger Generalsekretär des Deutschen Caritasverbandes, bei der Delegiertenversammlung des DiCV Limburg im Jahr 2023. Cremer hatte darauf hingewiesen, dass ein Schlechtreden des Sozialstaats in Deutschland Rechtspopulisten in die Hände spiele. Zugleich hatte er die Sozialverbände aufgerufen, eigene Strukturen kritisch zu hinterfragen: „Eine Caritas, die alles für alle fordert, wird Menschen am unteren Rand im Stich lassen”, hatte Cremer damals betont.  

DiCV Limburg unterstützt Mitglieder bei christlichem Profil 

„Nein, man muss nicht katholisch sein, um bei der Caritas zu arbeiten”, betonte Diözesancaritasdirektor Dr. Karl Weber. Mit der Revision der Grundordnung für den kirchlichen Dienst 2023 liege nun die Verantwortung für das christliche Profil der Caritas-Einrichtungen nicht mehr bei den Mitarbeitenden selbst, sondern bei Verbänden und Träger der Dienste und Einrichtungen. Diese stünden nun vor der Herausforderung, den „Kern ihres katholischen Profils” zu beschreiben und Mitarbeitende damit vertraut zu machen. Der DiCV Limburg werde auch in der Zukunft die Mitglieder bei der Entwicklung dieses Profils unterstützen.  

Darüber hinaus ging Weber auf das Engagement von Bistum und DiCV Limburg zur Stärkung der Kinderrechte und der Einrichtung einer Ombudsstelle auf Hessen-Ebene. „Die Ombudsstelle ist ein wichtiger Baustein der Prävention”, sagte er vor den Delegierten. “Nur starke Kinder, die ihre Rechte kennen, werden Strukturen in Anspruch nehmen, die Kindern glauben.“ 

Verbände kooperieren bei Arbeitgebermarketing 

Julia Kleine, Leiterin des Bereich Verbandsmanagement und Projekte im Caritasverband für die Diözese Limburg, stellte die Planungen für ein gemeinsames Arbeitgebermarketing der Caritasverbände im Bistum Limburg vor. Nach der erfolgreichen Imagekampagne „Die Caritas zeigt Gesicht“, mit der 2022 Vorurteile gegenüber der Caritas als kirchlichem Arbeitgeber thematisiert wurden, soll die neue Kampagne in den kommenden drei Jahren die Caritas als attraktiven Arbeitgeber im Sozialwesen bewerben. In der ersten Phase des Projektes sei eine umfassende Analyse erstellt worden, um diese Kampagne auf profunde Füße zu stellen. „Hier wurde ins Herz der Caritas geleuchtet“, sagte Kleine. Sehr erfreulich sei, dass sich über 50 Mitarbeitende der Caritas als Models für die Kampagne beworben hätten und damit bereit seien, Werbebotschafter für die Caritas zu sein.     
 

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