Bleibt alles anders?
„Kamingespräch“, so heißt ein neues Veranstaltungsformat des Ressorts Kirchenentwicklung, das vor dem zweiten Lockdown gestartet ist, und den Austausch mit wechselnden Bereichen der Gesellschaft fördern will. „Wir sind als Bistum seit vier Jahren auf dem Weg der Kirchenentwicklung unterwegs. Wir spüren, dass wir als Kirche exzentrisch sein müssen. Damit meinen wir, dass wir mit anderen ins Gespräch kommen, von ihnen lernen und uns entwickeln lassen“, erklärt die Doppelspitze der Kirchenentwicklung Juliane Schlaud-Wolf und Christof May.
Beim ersten Kamingespräch im Limburger Bischofshaus ging es im Austausch mit den Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartnern Dr. Sandra Schmidt, Lucia Mathée, Bernd Kreuter, Clemens Nebel und Thomas Frings aus dem Bereich der Wirtschaft und Unternehmensberatung sowie mit der Schulleiterin Judith Lehnert und dem Landrat des Lahn-Dill-Kreises Wolfgang Schuster, um die Erfahrungen mit der Bewältigung der Corona-Pandemie, um die Bedeutung von Glauben dabei und um die Frage, was von der Kirche nun besonders erwartet werde.
Corona führt zu Unsicherheiten und fordert Priorisierung
Corona sei eine große Herausforderung, die den privaten und beruflichen Alltag auf den Kopf gestellt habe. Da waren sich die Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner einig. Die Pandemie habe viele aus der Komfortzone herausgeholt und führe zu großen Veränderungen. „Nach Corona wird nichts mehr so sein, wie bisher“, schlussfolgerte eine Teilnehmerin. Diese besondere Krise führe dazu, dass neu priorisiert werden müsse. Schnelle Entscheidungen und pragmatische Lösungen seien nötig. „Wir stehen zurzeit rund um die Uhr unter Strom und müssen auf Sicht fahren. Es ist wichtig, den Alltag zu bestehen, die Gesundheit von Menschen zu schützen. Für große Strategien bleibt da keine Zeit“, berichtete ein Gesprächspartner. Hinzu kämen bei nicht wenigen existenzielle Sorgen und Ängste.
In der Krise steckten aber auch Chancen. Vielen seien der Glaube und das Engagement der Kirchen in dieser Zeit besonders wichtig. „Wir werden durch Corona auf das Wesentliche gestoßen“, zeigte sich eine Gesprächspartnerin überzeugt. Man spüre, dass die Gesellschaft distanzierter werde und wie einem persönliche Kontakte und Beziehungen fehlten. „Die Kirche sollte jetzt Nähe zeigen und Halt geben“, so die Forderung der Runde. Sie müsse sichtbar und anschlussfähig sein und den Spagat zwischen Agilität und Tradition wagen. „Wir spüren, wie die Kirche sich von der Lebenswirklichkeit der Menschen entfernt. Es braucht Entwicklung und Mut zur Veränderung. Dabei darf der Reichtum der Tradition aber nicht aufgegeben werden“, so ein Gesprächspartner.
Kirche hat offensichtliches Kommunikationsproblem
Die Gesprächsrunde bescheinigte der Kirche ein offensichtliches Kommunikationsproblem. „Ich erlebe ein großes Engagement der Kirche. Ich weiß, was hier ehren- und hauptamtlich geleistet wird. Ich nehme es aber in der Öffentlichkeit kaum wahr. Es wird immer schwerer, meinem Umfeld zu erklären, warum ich diese Institution immer noch unterstütze und gerne ein Teil von ihr bin“, sagte eine Gesprächspartnerin. Vielleicht brauche es eine Art „Roadshow“, um ganz konkret zu zeigen, was alles in der Kirche passiere. Aus Sicht der Gruppe brauche die Kirche zudem authentische Gesichter, die Positionen erklären, die zuhören können sowie sprachfähig und fröhlich sind. „Häufig nehme ich Amtsträger in den Medien nur wahr, wenn sie uns wieder erklären, was alles nicht mehr geht. Es wird viel zu wenig aufgezeigt, was in der Kirche alles geht“, so eine Gesprächspartnerin.
Die Gesprächspartnerinnen und Gesprächspartner machten zudem deutlich, dass sie die Erwartung haben, dass die Kirche ihrem eigenen Anspruch auch gerecht werde und ihn lebe. Die Kirche habe Strahlkraft und helles Licht, wenn sie sich vorbildlich verhalte und keine Angst davor habe, Neues auszuprobieren. Sie wünschen sich eine Kirche, die sichtbar ist, christliche Werte lebt und wieder eine Option für die Menschen ist. Kirche soll in der Singularisierung Perspektiven aufzeigen, die diese übersteige. Die Kirche mache wichtige Themen stark, auch und gerade in der Krise.