LIMBURG/ROM, 23.10.2023
Der Prozess ist sehr offen
Seit Beginn des Monats Oktober 2023 ist Bischof Georg Bätzing in Rom und nimmt an der Weltsynode teil. Er ist einer von fünf deutschen Bischöfen bei dem Treffen. Es findet am kommenden Sonntag, 29. Oktober, seinen Abschluss. Im Interview spricht der Limburger Bischof und Vorsitzende der Deutschen Bischofskonferenz von seinen Erfahrungen.
Seit Anfang Oktober nehmen Sie an der Weltsynode in Rom teil. Es ist für Sie eine Premiere und die erste synodale Erfahrung auf weltkirchlicher Ebene. Welche Erfahrungen machen Sie dort?
Bischof Dr. Georg Bätzing: Die Teilnahme an der Weltsynode ist für mich eine sehr positive Erfahrung. Ich lerne, wie unterschiedlich die katholische Kirche in verschiedenen Kulturen lebendig ist. Es verblüfft mich, wie sehr sich dabei manche Probleme und Fragestellungen ähneln, andererseits aber auch unterscheiden. Die Beteiligung von Frauen am Leben und an der Leitung der Kirche ist in allen Kontinenten ein drängendes Thema. Mein Horizont weitet sich, zumal ich ja mittlerweile bereits in vier verschiedenen Kleingruppen (10 bis 12 Personen) gearbeitet habe. Diese Gruppen waren sehr international zusammengesetzt, weil wir uns in diesen Sprachgruppen auf Englisch verständigen.
In den vergangenen Tagen war mein Nachbar zur Rechten ein junger syrischer Teilnehmer, der mit seiner Familie seit Beginn der Konflikte in Syrien bereits dreimal innerhalb des Landes flüchten musste. Viele machen in ihren Statements deutlich, wie bedrängt Christinnen und Christen in vielen Ländern der Welt leben. Die derzeitigen Konfliktzonen, in denen Menschen – auch wegen ihres Glaubens – um Leib und Leben fürchten müssen, gewinnen für mich ein konkretes Gesicht. Das bewegt mich sehr.
Wie können wir uns Ihren synodalen Alltag vorstellen? Gibt es gemeinsame Gottesdienste? Wie sehen die Arbeitsphasen aus? Wie läuft die Kommunikation? Welche Rolle spielt der Papst?
Unser „Arbeitsplan“ hier bei der Synode ist das sogenannte „Instrumentum laboris“, das ja vor Beginn auch veröffentlicht worden ist. Darin sind Module zu verschiedenen Fragestellungen enthalten. Jede und jeder Synodale konnte im Vorfeld seine Prioritäten benennen, an denen sie oder er mitarbeiten möchte. Und so haben wir bislang in vier aufeinander folgenden Abschnitten gearbeitet, jeden Tag sieben Stunden lang. Der Samstagnachmittag und der Sonntag sind frei. Wir beginnen mit gemeinsamen Eucharistiefeiern und kurzen Gebetszeiten, dann gibt es zu jedem Modul eine Phase der theologischen und geistlichen Einordnung. Danach beginnt die intensive Arbeit in 35 Kleingruppen. Die Ergebnisse werden vorgestellt und danach kann jede und jeder frei reden. Anschließend arbeiten die Kleingruppen das Gehörte auf und formulieren jeweils einen gemeinsamen Text von zwei Seiten, der ans Synodensekretariat geht.
Es ist eine sehr intensive und anstrengende Arbeit. In den vergangenen Tagen war vielen anzusehen, dass sie allmählich müde werden. Der Stil, wie wir miteinander unterwegs sind, ist dabei anders als gewohnt. Phasen der Stille und des Gebetes wechseln sich ab mit solchen, in denen alle in Ruhe ihre Einsichten vortragen; wir anderen hören zu. Und dann versuchen wir, Gemeinsamkeiten, Divergenzen, Fragestellungen und Klärungsbedarfe auszuschreiben. Am Ende wird jedes Gruppenmitglied gefragt, ob es zustimmen kann.
Lassen Sie mich ein Bild gebrauchen: Da wächst nach und nach und aus unterschiedlichen Perspektiven eine gemeinsame Sicht auf die Frage, wie wir in der katholischen Kirche Synodalität in Zukunft leben wollen – und wie wir die vielen Fragen und Probleme synodal miteinander klären können. Papst Franziskus ist in den Gruppenphasen nicht dabei, oft aber in den sogenannten „Generalversammlungen“, wo also alle gemeinsam im Plenum hören und sprechen.
In Deutschland sind viele Hoffnungen mit der Weltsynode verbunden. Es gibt viele Themen, die Sie vom Synodalen Weg mit im Gepäck haben. Konnten Sie über diese Themen bereits sprechen?
Ich verstehe meine Mitwirkung an der Weltsynode als klaren Auftrag, die Themen, Diskussionen und Beschlüsse des synodalen Weges in Deutschland hier auf der Ebene der Weltkirche einzubringen. Und das tue ich treu und entschlossen. Das hat auch schon meine Auswahl der Gruppen bestimmt, für die ich mich im Vorfeld gemeldet habe. Lassen Sie mich ein paar Beispiele nennen: Wie entwickeln wir synodale Strukturen und transparente Verfahren, um in der Kirche viele an Entscheidungsprozessen beteiligen können? Wie können Einheit und Vielfalt in unserer Kirche gelebt werden; auf welchen Ebenen sollten welche Entscheidungen in der Kirche getroffen werden (zentral und dezentral)? Wie gelingt die Inklusion von Menschen, die sich bisher – nicht zuletzt durch Aussagen der kirchlichen Lehre – marginalisiert sehen? Wie können Liebe und Wahrheit sich in einer einladenden Beteiligungskultur niederschlagen? Was braucht es an Veränderung, um Frauen viel mehr als bisher an Entscheidungen und an der Leitung zu beteiligen? Alle wichtigen Themen der Foren unseres Synodalen Weges in Deutschland spielen hier in Rom eine Rolle. Sie liegen auf dem Tisch der Weltkirche. Und ich finde, das ist ein großer Schritt nach vorne, auch wenn deutlich wird, dass wir diese Fragen nicht ganz schnell werden klären können. Mich beeindruckt der Freimut, mit dem hier gesprochen wird. Dass unter den Synodenteilnehmern erstmals über 50 Frauen deutlich ihre Sicht und ihre Erwartungen ausdrücken, verändert ziemlich viel. Das ist großartig.
Die Weltsynode geht noch bis Ende Oktober. Wie fällt Ihre Bilanz bislang aus?
Zu den grundlegenden Einsichten gehört für mich: Ich kann bislang nicht erkennen, dass die vom Papst mit der Durchführung der Synode beauftragten Personen eine „hidden agenda“ hätten. Der Prozess ist im Gegenteil sehr offen. Keiner weiß bereits, was da am Ende herauskommt. Und der überwiegende Teil der Synodalen lässt sich auf den Prozess ein. Das heißt aber auch: Jeder einzelne Schritt ist wichtig. Der Weg entsteht im Gehen. Dazu gehört auch, eine gewisse Unübersichtlichkeit auszuhalten; und das erzeugt in mir eine ziemliche Spannung. Denn natürlich frage ich mich, was kommt dabei heraus. Und was werde ich, wenn ich wieder zuhause bin, berichten können. Ich erlebe es als hilfreich, dass wir uns unter den deutschsprachigen Teilnehmerinnen und Teilnehmern wöchentlich treffen, um uns auszutauschen. In dieser Woche wird es darum gehen, miteinander an einer Zusammenfassung zu arbeiten – und bereits eine Perspektive zu entwickeln, wie in der kommenden Phase bis zum Treffen in Rom im nächsten Jahr weitergearbeitet werden soll. Das werden jetzt wichtige Tage werden.
Sie sind zusammen mit den Bischöfen Overbeck, Meier, Genn und Oster in Rom bei der Synode. Wie ist Ihr Miteinander? Sind Sie als Gruppe immer zusammen und bringen die deutsche Situation gemeinsam ein?
Bis auf Bischof Meier wohnen wir gemeinsam im Haus der Deutschen Bischofskonferenz. Mit dabei sind auch Thomas Söding, der als theologischer Berater eingeladen ist, und Matthias Kopp, der zu der kleinen Gruppe gehört, die für die Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit verantwortlich ist. Hier haben wir viel Gelegenheit, miteinander zu sprechen und uns auszutauschen. Denn als Bischöfe sind wir den Tag über in unterschiedlichen Sprachgruppen, und das ist sehr gut; denn so können wir unsere (durchaus unterschiedlichen) Perspektiven ziemlich breit einbringen. Morgens feiern wir oft zusammen Messe, wir treffen uns zu den Mahlzeiten und zum Ausklang des Tages gibt es meistens einen Grappa. Da wird viel gelacht.