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LIMBURG, 25.11.2018

Die Kirche ist Synode

Vor 50 Jahren wurde die Synodalordnung unterschrieben und der synodale Weg in unserem Bistum Grund gelegt. Damals wie heute zukunftsweisend.

Vor 50 Jahren, im November 1968, unterschieb Bischof Dr. Wilhelm Kempf die Synodalordnung für das Bistum Limburg. Sie regelt das Zusammenwirken von geweihten Amtsträgern und gewählten Mandatsträgern auf allen Ebenen der Diözese. Dieses Jubiläum ist am Freitag, 23. November, mit einem festlichen Gottesdienst im Dom und mit einem Festakt in der Limburger Stadthalle gebührend gefeiert worden. 

„Der synodale Weg hat das Bistum Limburg in den vergangenen 50 Jahren spürbar geprägt“, sagte Bischof Dr. Georg Bätzing in seiner Festpredigt. Und er sei alternativlos und gehöre ganz wesentlich zur Kirche dazu. Auch in dieser Tradition seien die Limburger „gut katholisch“. Er fand viele lobende und anerkennende Worte und das Jubiläum und das jahrzehntelange Engagement erfülle ihn zutiefst mit Stolz. „Aber auch bei allem guten Willen und aller guten Zusammenarbeit sind wir weit entfernt davon, das Volk Gottes in seiner ganzen Vielfalt und Buntheit auf dem synodalen Weg mitzunehmen“, sagte Bätzing. Es brauche große neue Anstrengungen, damit Synodalität konkret werde und Zukunft präge. 

Synodalität weiterentwickeln

Viele Milieus kämen in den Gremien nicht vor. „Die Breite katholischer Kulturen, wie sie durch die vielen muttersprachlichen Gläubigen unser Bistum auszeichnet, spiegelt sich nicht annähernd in unserer Gremien- und Beratungslandschaft wider“, stellte Bätzing fest. Es fehlten ganze Generationen, um wirklich beraten und entschließen zu können, was die Zukunft der Kirche trage. Synodalität meine wirklich alle. Es brauche jede und jeden mit ihren und seinen Erfahrungen und Charismen. „Wir können unsere bewährte Ordnung heute nicht feiern, ohne deutlich zu sagen: Sie reicht nicht mehr aus. Wir müssen sie entwickeln und mit ganz neuen Ideen und Beratungssettings flankieren, damit sie ihr Versprechen weiterhin erfüllen kann“, so der Bischof. Viel Arbeit stünde hier an und es brauche Mut und Ideengeber dafür. 

Bätzing werde den Weg der Weiterentwicklung der Synodalität als Bischof gestaltend mitgehen und kündigte eine weitreichende Veränderung an. Er sagte: „Ich bin bereit, mich in einer erneuerten Beratungs- und Synodalkultur freiwillig an den repräsentativ erteilten Rat des Gottesvolkes unserer Diözese zu binden und das beratende Stimmrecht in den Fragen, die alle betreffen und nicht die verbindliche Glaubens- und Rechtsordnung der Kirche berühren, in ein entscheidendes Stimmrecht umzuwandeln.“ Dieser Vorstoß des Bischofs ist Anerkennung für die vielen guten Erfahrungen in der Beratung und Ansporn für die Weiterentwicklung.

Synodalität ist das, was Gott von der Kirche erwartet

Nach dem Gottesdienst im Dom nahm Walter Kardinal Kasper die Gäste in der Stadthalle mit auf eine theologisch brillante Reise durch die Synodengeschichte. Der 85-Jährige spannte einen Bogen vom ersten Apostelkonzil im zweiten Jahrhundert bis ins Heute. Dabei fand er viele lobende Worte für den synodalen Weg im Bistum Limburg. „Die Welt, in der wir leben, verlangt von der Kirche eine Steigerung ihres Zusammenwirkens in allen Bereichen ihrer Sendung. Genau dieser Weg der Synodalität ist das, was Gott sich von der Kirche des dritten Jahrtausends erwartet“, stellte der Dogmatiker und langjährige Sekretär des Päpstlichen Rates für die Einheit der Christen fest. Die Diözese Limburg darf sich glücklich schätzen, diese Vision als erste deutsche Diözese schon vor 50 Jahren gespürt und verwirklicht zu haben. Mit berechtigtem Stolz dürfte daher der 50. Geburtstag der Synodalordnung gefeiert werden. 

Ich bin bereit, mich in einer erneuerten Beratungs- und Synodalkultur freiwillig an den repräsentativ erteilten Rat des Gottesvolkes unserer Diözese zu binden und das beratende Stimmrecht in den Fragen, die alle betreffen und nicht die verbindliche Glaubens- und Rechtsordnung der Kirche berühren, in ein entscheidendes Stimmrecht umzuwandeln.

Synodalität ist der Name der Kirche

Synodalität ist kein Prinzip der Neuzeit, sagte Kasper. Bereits der Bischof und Kirchenvater Johannes Chrysostomos aus dem vierten Jahrhundert habe festgestellt, dass Synodalität der Name der Kirche sei. Er habe erkannt, dass bevor von der Synode als einer Institution in der Kirche geredet werde, von der Kirche als Synode gesprochen werden müsse. Grundlage der Synodalität sei die Volk-Gottes-Theologie. Daraus werde ersichtlich, dass die Kirche kein starres System sei. Sie sei ein Bau aus lebendigen Steinen. Und sie sei das Volk Gottes auf dem Weg durch die Zeit. Genau das sage das Wort Synodos. Christen gingen auf dem Weg dessen, der der Weg, die Wahrheit und das Leben ist. Jesus Christus sei der gute Hirte seines Volkes. Er leite und erneuere durch seinen Heiligen Geist.

Synodalität geschehe im Zusammenspiel von Hirten und Volk Gottes. Sie ist nicht die gelegentliche Versammlung der Bischöfe. Sie sei die normale Daseinsweise und die alltägliche Lebensform der Kirche. Höhepunkt des gemeinsamen Weges sei die Eucharistiefeier. „Eine synodale Kirche, die ihren Mittelpunkt in der gemeinsamen Feier der Eucharistie hat, ist keine Sitzungskirche, sondern eine Kirche im Aufbruch, eine missionarische Kirche“, sagte Kardinal Kasper. 

Aus verstreuten Mosaiksteinen ein Gesamt-Mosaik geschaffen

Es gab aber auch Schwierigkeiten und Synoden führten zu Verhärtungen, ja sogar zu Spaltungen. Die Konsequenz daraus war eine klerikale Kirche, die kaum Synoden durchführte und die Tradition eines synodalen Miteinanders nicht fortsetzte. Erst das Zweite Vatikanische Konzil von 1963 bis 1965 habe die Tradition der Synoden und Konzilien mit neuer Kraft aufleben lassen. Das Konzil habe die Bischofssynode als Vertretung des gesamten Episkopats angeregt, auf der regionalen Ebene habe es die Bischofskonferenzen als Formen der praktischen Zusammenarbeit der Bischöfe gefördert und schließlich mit den Priesterräten, den Pastoralräten sowie mit dem Laienrat neue synodenähnliche Räte geschaffen. „Wenn ich recht sehe, ist es der Verdienst der Limburger Synodalordnung zumindest auf deutscher Ebene, aus den vielen, etwas verstreuten Mosaiksteinen erstmals ein Gesamt-Mosaik geschaffen zu haben.“, so Kasper.

Insgesamt stieß die Synoden-Begeisterung nach dem Konzil dann aber wieder bald an Grenzen. Das nachkonziliare Kirchenrecht habe die Diözesansynode was die Beteiligung des Kirchenvolkes angeht in ein enges Korsett gesteckt. Kritisiert worden sei vor allem, dass bei den Fragen, die vielen Christen auf den Nägeln brannten, die Synoden zwar Voten nach Rom schicken konnten, die aber dort oft nicht einer Antwort wert erachtet wurden. Frustration sei damit vorprogrammiert gewesen. 

Papst Franziskus schlägt neuen Weg ein

Papst Franziskus habe begriffen, dass es so nicht funktionieren kann. Er sei von den Erfahrungen der lateinamerikanischen Bischofsversammlungen geprägt. Diese Versammlungen hätten über Lateinamerika hinaus Synodengeschichte geschrieben, die der Papst nun auf die Tagesordnung der universalen Kirche setze. „Er kommt von der argentinischen Theologie des Volkes her und will die Kluft überwinden zwischen „Basis“ und einer mehr als je alles an sich ziehenden Kurie. Diese Polarisierung hat in den letzten Jahrzehnten alles gelähmt und vieles vergiftet“, sagte Kasper. Der Papst habe mit den beiden Familiensynoden, mit der Jugendsynode und mit der Neuordnung der Bischofssynode deutliche Zeichen gesetzt. Vieles andere stünde noch auf seinem Programm und sei kirchenrechtlich noch nicht umgesetzt. „Doch schon heute hätten die Bischofskonferenzen mehr Möglichkeiten als sie faktisch wahrnehmen. Es ist eine Tragik. Wir stehen heute vor enormen Herausforderungen, der Papst lädt uns ein, Kirche im Aufbruch zu sein, wir aber lähmen uns gegenseitig durch unnötige Streitereien. Es ist ja auch bequemer bei schwierigen Fragen auf Rom zu verweisen, statt selbst Verantwortung zu übernehmen“, so Kasper.

Selbstverständlich, aber leider noch immer nicht selbstverständlich, muss in der Synode die Stimme der Frauen angemessen zu Wort kommen. Wenn die Kirche die Stimme der Frauen ignoriert, zerlegt und halbiert sie sich selbst.

Es gilt die Zeichen der Zeit zu erkennen

Die Synoden sollen der institutionelle Ausdruck des Wesens der Kirche als Synode sein. Damit seien die Synoden Orte gemeinsamer Rückbesinnung auf das Evangelium und des offenen Dialogs darüber, wie wir das Evangelium heute gemeinsam leben können. Sie sind der geschützte Raum, in dem der allen Getauften gegebene Heilige Geist im gegenseitigen Aufeinander-Hören und im Zusammenspiel der unterschiedlichen Geistgaben wirksam werden kann. „Eine Synode soll die Zeichen der Zeit erkennen, sie im Licht des Evangeliums deuten und Antwort geben auf den Ruf Gottes in der Zeit“, so der Kardinal. Wenn das Evangelium zur Norm gemacht werde, dann seien Christen ganz nah an dem, was das Wesen der freiheitlichen Ordnung in der Kirche ausmache, nämlich die Anerkennung der Würde des Menschen und zwar jedes Menschen. 

Fundamentale Anforderung an eine Synode und an den synodalen Weg ist, dass er transparent sei. Daran hingen Ansehen und Glaubwürdigkeit. Zudem müsse sich der gemeinsame Weg durch die Ebenbürtigkeit aller Glieder auszeichnen. Jeder müsse zu Wort kommen und gehört werden. „Selbstverständlich, aber leider noch immer nicht selbstverständlich, muss in der Synode die Stimme der Frauen angemessen zu Wort kommen. Wenn die Kirche die Stimme der Frauen ignoriert, zerlegt und halbiert sie sich selbst“, so Kasper. Auch Fern- und Außenstehende müssten im synodalen Weg mitgenommen werden. Jede Wahrheit, woher auch immer sie komme, sei vom Heiligen Geist. Der Geist wehe, wo er wolle. Er könne daher nicht kirchlich eingesperrt werden, schon gar nicht in den Grenzen der eigenen Ortskirche und auch nicht in denen der Weltkirche. Der Geist spreche auch durch die Zeichen der Zeit, nicht zuletzt durch die Notleidenden der Zeit. „Synoden dürfen darum nicht Orte kirchlicher Selbstbeschäftigung oder gar der Selbstmitleidung seien“, sagte Kasper. Der Ruf „Geht hinaus in alle Welt“, gelte auf hier.  

Der synodale Weg ist mühsam

„Der synodale Weg ist mühsam. Anderseits ist er auch einfach“, so Kasper. Denn die christliche Wahrheit sei nicht eine Summe von abstrakten Formeln. Die Wahrheit sei eine Person. Die Wahrheit sei Jesus Christus. Er sei durch seinen Heiligen Geist bleibend in seiner Kirche gegenwärtig. „Der synodale Weg bedeutet als Weggenossen gemeinsam mit Jesus auf den Weg sein und sich in seinem Heiligen Geist immer wieder neu auf diesen gemeinsamen Weg besinnen und die Kirche zu erneuern“, so Kasper. Auf diesem Weg reiche es nicht, nur möglichst korrekte Glaubensformen herzusagen. Es gelte vielmehr die Wahrheit in der Liebe zu tun. 

Man brauche auf dem synodalen Weg Geduld um Vielheit und Andersheit zu ertragen und immer wieder neu das Einvernehmen zu suchen. „Das scheint heute vielen schwer zu fallen. Sie wollen Identität aber sie wollen sie auf identitäre Weise. Sie wollen eine Identität, die anderen nicht ein- sondern ausschließt. Sie wollen eine in sich geschlossene, sich in Schützengräben und Bunker verschanzte vermeintlich reine, in Wirklichkeit sektiererische Kirche. Sie wollen eine Identität, die nicht mehr katholisch ist. Die katholische Kirche hat ihre Identität in der Katholizität als Einheit in Vielfalt“, betonte Kasper. Solche Vielfalt sei ein Reichtum. Sie sie aber auch die Herausforderung mit offenen Fragen zu leben. „Wir können nicht erwarten, dass uns der Papst oder der Bischof die Antwort auf alle anstehenden Fragen jeden Morgen mit den Frühnachrichten auf dem Silbertablett serviert. Wir sind mündige Christen, die nach Unterscheidung der Geister sich in unserem Gewissen vor Gott entscheiden können“, so Kasper. Die Kirche müsse das Gewissen informieren, aber sie könne sich nicht an die Stelle des Gewissens setzen. 

Tausende tragen synodalen Weg seit 50 Jahren im Bistum mit

Der synodale Weg im Bistum Limburg ist eine wahre Erfolgsgeschichte. „50 Jahre sind nur möglich geworden, weil es in den 50 Jahren Menschen gab, die sich für den synodalen Weg in Verantwortung haben nehmen lassen“, sagte Dr. Wolfgang Pax, Bischofsvikar für den synodalen Bereich in seiner Begrüßung. Mehr als 400 Gäste, darunter zahlreiche Pioniere des synodalen Weges, die früheren Präsidentinnen und Präsidenten sowie die ehemaligen Bischofsvikare für den synodalen Bereich, waren der Einladung des Bischofs zum Jubiläum gefolgt. Als Vertreter der hessischen und der rheinland-pfälzischen Landesregierungen nahmen Staatssekretär Dr. Manuel Lösel und der Präsident des Landtags Hendrik Hering an den Feierlichkeiten teil. Zudem waren Landtagsabgeordnete beider Länder sowie Vertreter der Stadt Limburg der Einladung des Bischofs gefolgt. Der synodale Weg im Bistum Limburg ist auch durch ein gutes ökumenisches Miteinander geprägt. Auch deshalb begrüßte Wolfgang Pax Vertreter der EKHN. Gekommen waren zudem zahlreiche Mitarbeiter aus dem Bischöflichen Ordinariat sowie aus den elf Bezirken des Bistums. Auch Vertreter der pastoralen Berufsgruppen, Priester, Vertreter der Caritas, Vertreter der Verbände, des Zentralkomitees der deutschen Katholiken sowie Mandatsträger aus Katholikenräten und synodalen Gremien aus anderen Diözesen nahmen an den Feierlichkeiten teil. 

Ingeborg Schillai, die Präsidentin der Limburger Diözesanversammlung, machte in ihren Dankesworten deutlich, dass es darum gehe, Synodalität als Wesensmerkmal der Kirche ernstzunehmen und sich darauf den Herausforderungen, die sich aus der Tradition der Kirche und den Erwartungen der Menschen von heute an die Kirche zu stellen. „Nur so können wir den Menschen vermitteln, dass der Glaube an unseren Gott, der die Menschen unbedingt liebt, auch heute noch wichtig ist. 

Festvortrag von Kardinal Kasper zum Download

Stephan Schnelle

Pressesprecher

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