Wiesbaden-Naurod, 27.09.2023
Sozialen Kahlschlag verhindern und neue pastorale Konzepte fördern
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Gegen die im Bundeshaushalt geplanten umfassenden Kürzungen in zahlreichen Bereichen des Sozialsystems, wie etwa der Asyl- und Migrationsberatung und bei den Freiwilligendiensten hat sich die Diözesanversammlung des Bistums Limburg während ihrer Sitzung am Samstag, 23. September, im Wiesbadener Wilhelm-Kempf-Haus ausgesprochen. Die gewählte Vertretung der Katholikinnen und Katholiken in der Diözese beriet während ihrer Herbsttagung über eine Erklärung des Präsidiums, in der die Mandatsträgerinnen und Mandatsträger im Bundestag aufgerufen werden, dem Bundeshaushalt 2024 in den anstehenden Beratungen eine sozialere Handschrift zu verleihen. „Setzen Sie sich für mehr Gerechtigkeit bei der Verteilung der Lasten ein! Verhindern Sie einen Kahlschlag und eine Schwächung des Sozialstaates!“, heißt es in der Erklärung.
In einem weiteren Teil der Tagung setzte sich die Versammlung mit einer Erklärung zur Suizidprävention auseinander, in der eine konkrete Regelung zur Suidzidprävention gefordert und die Erarbeitung von entsprechenden Schutzkonzepten befürwortet werden.
Auf der Tagesordnung der Diözesanversammlung standen am Samstag darüber hinaus die durch den Transformationsprozess des Bistums Limburg veränderten Kurialen und Synodalen Beratungs- und Entscheidungsprozesse. Dorothee Heinrichs, die Geschäftsführerin des Diözesansynodalamtes im Bistum, stellte die geplanten Veränderungen und Neuerungen vor.
Perspektivwechsel nötig
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Anschließend rief der Theologieprofessor Albert Gerhards von der Forschungsgruppe Sakralraumtransformation (TRANSARA) zu einem Perspektivwechsel auf. In seinem Vortrag sprach er über die „(Um)Nutzung von Kirchengebäuden und deren zivilgesellschaftliche Bedeutung“. Die Frage sei heute nicht mehr: „Wozu brauchen wir das Kirchengebäude?“, sondern: „Wie kann es zum Wohle aller dienen?“, erklärte Gerhards und sprach sich dafür aus, sakrale Gebäude für die Menschen und die Welt um sie herum zu öffnen. „Nicht mehr: Die Kirche gehört der Gemeinde der Kirchensteuerzahlenden, sondern: Sie gehört allen in der Stadt, im Dorf, im Quartier“.
Angesichts sinkender Kirchensteuermittel bei gleichzeitig hohen Sanierungs- und Instandhaltungskosten sei eine Trennung von Teilen des Immobilienbestandes unvermeidbar, erklärte Gerhards. Gleichzeitig verwies er auf immaterielle Faktoren, die bei der Bewertung der Bedeutung eines sakralen Gebäudes ebenfalls wichtig seien. „Dabei geht es um die Zukunftsentwicklung des Seelsorgeraums, um die Neuorientierung der Gemeinde im Quartier, um die symbolische Präsenz des Religiösen im urbanen Umfeld“, so der Professor.
„Ein Raum, der Freiheit lässt, öffnet sich von selbst“
Eine Kirche, die durch einen Erweiterungsbau während der Woche als Kindergarten und am Wochenende für die Gottesdienstfeier genutzt wird oder ein Gotteshaus, in das ein Museum zur Stadtgeschichte integriert ist. An verschiedenen Beispielen verdeutlichte Gerhards, wie Sakralgebäude Impulse für eine Quartierentwicklung setzen können, von denen auch die christlichen Gemeinden profitieren – nun nicht mehr unbedingt als alleinige Besitzer, sondern als Teilhaber. „Dies setzt freilich die Abkehr vom binären Denken und die Bereitschaft zu Kompromissen voraus“, so Gerhards. Ziel sei es, den Raum für die Zivilgesellschaft zu erhalten und wieder lebendig werden zu lassen. Ein erster Schritt sei dabei häufig das Freiräumen des Gebäudes, indem die festen Kirchenbänke entfernt würden. „Ein Raum, der Freiheiten lässt, der öffnet sich quasi von selbst der Stadt“, berichtete Gerhards.
Neue pastorale Konzepte als Chance
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Das konnten auch die Teilnehmenden der anschließenden Podiumsdiskussion bestätigen. Edwin Borg, Leiter der Fachstelle Familienpastoral, berichtete vom Kirchenraumprojekt „Luft nach oben, für alles was Dir heilig ist“ der Pfarrei St. Anna Biebertal, in dem er sich ehrenamtlich engagiert. Im Rahmen des Projektes wurden ein Teil der Kirchenbänke und Beichtstühle aus der Kirche St. Raphael in Wettenberg-Wissmar entfernt. Dieser Teil des Kirchenraums wird nun für weitere Projekte genutzt, von der Kunstausstellung bis zum Indoor-Spielplatz. „Wir möchten die Menschen in unsere Kirche einladen“, erklärte Borg, „Die Menschen aus der Pfarrei, aber auch diejenigen, die sonst keine Berührungspunkte mit Kirche haben.“
Im vorderen Teil des Kirchenraums können weiterhin Gottesdienste gefeiert werden, aber die Atmosphäre habe sich geändert, berichtete Borg: „Es macht etwas mit der Feiergemeinde, wenn der Gottesdienst vor einer Ausstellung mit moderner Kunst gefeiert wird“. Gleichzeitig schilderte er seine Erfahrungen, dass selbst die kleinsten Besucherinnen und Besucher schon besonders auf das sakrale Gebäude reagierten. „Kinder sind neugierig, was es im Kirchenraum alles zu entdecken gibt. Gleichzeitig laufen sie automatisch langsamer und sprechen leiser, wenn sie sich zum Beispiel im Bereich des Altarraums bewegen“, so Borg. Für ihn ist die Öffnung der Kirchenräume längst überfällig. Selbst wenn eine Umnutzung nicht wirtschaftlich nötig wäre, biete sie eine große Chance neue pastorale Konzepte auszuprobieren und Kirche wieder stärker bei den Menschen zu verankern.
Frühzeitige Perspektiven für eine langfristige Nutzung
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Das bekräftigte auch Oliver Leicht aus der Abteilung Entwicklung der Pastoral im Bischöflichen Ordinariat Limburg. Im Bistumsprojekt „Kirchliche Immobilien-Strategie“ (KIS) unterstützt und begleitet er die Pfarreien in der Diözese dabei, frühzeitig Perspektiven für eine langfristige Nutzung und Entwicklung des Gebäudebestands zu entwickeln. „Kirche ist sehr viel mehr als Andacht“, sagte Leicht. Es sei wichtig, handlungsfähig zu bleiben, neue pastorale Konzepte zu entwickeln und diese mit kirchennahen Partnerinnen und Partnern umzusetzen. In der Diskussion bekräftigten die Mitglieder der Versammlung die Chancen neuer pastoraler Konzepte, verwiesen aber auch auf die unterschiedlichen Möglichkeiten von städtischer City-Pastoral und ländlich geprägten Regionen.
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ERKLÄRUNG DES PRÄSIDIUMS DER 14. DIÖZESANVERSAMMLUNG ZUR SUIZIDPRÄVENTION
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ERKLÄRUNG DES PRÄSIDIUMS DER 14. DIÖZESANVERSAMMLUNG ZU DEN DERZEITIGEN HAUSHALTSBERATUNGEN IM DEUTSCHEN BUNDESTAG
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Gemeinsame Erklärung der Katholischen Stadtkirche Frankfurt, des Caritas-verbandes Frankfurt, der Evangelischen Kirche in Frankfurt und Offenbach und der Diakonie Frankfurt und Offenbach zur Landtagswahl am 8. Oktober 2023