Bedenke, Mensch....
Die Fastenzeit ist die Chance, sich auf den Weg der Umkehr und Erneuerung zu machen. „Fasten ist nie Selbstzweck. Es kann ein Weg sein zu Gott, zu größerer Nähe zu den Mitmenschen und zur Schöpfung und zu unserem eigenen Inneren. Verzicht wird so zum Gewinn für viele“, schreibt Bischof Dr. Georg Bätzing in seinem Hirtenwort zur Österlichen Bußzeit 2023. Das Hirtenwort trägt den Titel „Bedenke, Mensch...“ und blickt auf soziale Herausforderungen und das christliche Menschenbild. Es wurde zum ersten Fastensonntag in allen Pfarreien des Bistums Limburg bekannt gemacht.
Der Mensch ist ein Beziehungswesen
Angesichts der vielen Krisen und Herausforderungen weltweit rückt Bischof Georg Bätzing im Hirtenwort die Grundfrage „Was ist der Mensch?“ ins Zentrum seiner Gedanken zur Fastenzeit. „Das Menschenbild und damit die Grundannahmen über unser Menschsein bestimmen nahezu alle gesellschaftlichen Debatten und Entscheidungen“, so Bätzing. Der Mensch sei nie isoliert, sondern geprägt von Beziehungen zu Gott und zu seinen Mitmenschen. „Nur in Beziehungen kann sich das Ich, das, was uns einzeln ausmacht, überhaupt erst bilden“, so der Bischof. Als Beziehungswesen habe der Mensch immer auch eine besondere Verantwortung für seine Beziehungen, die aus der Gottesebenbildlichkeit erwachsen. Wer Entscheidungen treffe, müsse sich bewusst sein, dass diese Entscheidungen immer auch Konsequenzen für andere hätten. Freiheit und Verantwortung seien so eng miteinander verbunden. Die Menschen seien in ihrem Handeln aber nicht nur auf sich selbst angewiesen, sondern könnten auf die Gnade und Hilfe Gottes und seine Gerechtigkeit hoffen. „Gottesliebe, Selbst- und Nächstenliebe gehören untrennbar zusammen. Das Handeln aus diesem Glauben heraus verbindet sich mit vielen, die mit Solidarität, Mitgefühl und Empathie anderen helfen – aus ganz verschiedenen Gründen und mit großem Engagement. “, schreibt Bätzing.
Sitzen in der ersten Reihe eines Weltuntergangsfilms
Dem Handeln aus dem Glauben heraus stehe das egoistische Streben nach Macht, Erfolg, Ruhm und Reichtum gegenüber. Dadurch gerate das Verhältnis des Menschen zu sich selbst, zum Nächsten aber auch zur Schöpfung aus den Fugen. „Spätestens im 20. Jahrhundert hat sich das Verhältnis zwischen Mensch und Natur zu einer einseitig ausbeuterischen Beziehung entwickelt. Zu Recht könnte man den Menschen hier als ‚beziehungsunfähig‘ bezeichnen. Auf das Konto der letzten beiden Generationen geht ein unvorstellbar großer ‚Weltverbrauch‘, ein Raubbau an der Natur, wie ihn alle Generationen von Menschen zuvor zusammen nicht betrieben haben“, so der Bischof. Manchmal scheine es ihm so, als ob man in der ersten Reihe des eigenen Weltuntergangsfilms sitze und der Mensch nicht nur die Welt, sondern auch sich selbst auslösche. „Wir sehen den Krieg in Europa, in dem immer wieder die latente Drohung mit atomaren, biologischen und chemischen Waffen im Raum steht. Wir sehen weltweit Kriege um Land, Rohstoffe und Macht, Menschen, denen Folter und Mord drohen, wenn sie für Menschenwürde, Gleichberechtigung und Grundrecht auf die Straße gehen wie im Iran oder in Afghanistan. Wir sehen sich aufrüstende Länder, Atomwaffen in den Händen von Mächten, die man kaum als verantwortungsvoll bezeichnen kann“, so der Bischof von Limburg.
Es braucht vor allem Umkehr
Angesichts dieser Realitäten müsse nun schnell und entschieden gehandelt werden. „Im besten Fall fangen wir jetzt an, verantwortungsvoll zu handeln. Zuschauer, Beschwörer und Verschwörer, Ignoranten, Zyniker, Gleichgültige oder allzu Gelassene gibt es schon genug“, sagte Bätzing. Es brauche nachhaltige Antworten auf die anstehenden Herausforderungen. Vor allem aber brauche es Umkehr. Der Mensch habe die Chance, umzukehren und sich zu verändern. Er habe es selbst in der Hand, Gewohnheiten zu durchbrechen und Veränderung voranzutreiben. Dass dies möglich ist, dafür gebe es viele gute Beispiele. Gemeinsam könne viel bewegt werden.
Mit deutlichen Worten kritisiert Bätzing in seinem Hirtenwort auch die soziale Schieflage in Deutschland. In Deutschland müssten 13,8 Millionen Menschen derzeit zu den Armen gerechnet werden. Besonders Erwerbslose, Alleinerziehende, Alleinlebende, Menschen mit Migrationshintergrund sowie Kinder und Jugendliche seien gefährdet, in die Armut abzurutschen. Diese Menschen seien zu wenig im Blick. „Die Entlastungspakete der Regierung waren wichtig, aber es braucht noch einen viel gezielteren Einsatz für die am meisten belasteten Gruppen, um sie passgenau zu unterstützen“, so der Bischof. Für strukturelle und systemische Änderungen brauche es vor allem politische Entscheidungen. Es sollte ein starkes Handeln erkennbar sein, um die ökonomische Ungleichheit zu verringern und Kinder- und Altersarmut entschieden entgegenzuwirken. „Aber nicht nur die Politik, jeder und jede Einzelne trägt Verantwortung für ein gutes und solidarisches Miteinander. Gerade diejenigen, denen es finanziell gut geht, können mit einer ressourcenschonenden Lebensweise dazu beitragen, das gemeinsame Haus der Schöpfung zu bewahren“, schreibt Bätzing. Ganz konkret gelte es, den CO2-Ausstoß zu reduzieren und nachhaltiger zu leben. Dies betreffe den eigenen Konsum und den Lebensstil insgesamt. Sich hier auf den Weg zu machen, sei gelebte soziale und ökologische Verantwortung.
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