Bleibende Verpflichtung zum Frieden
13 Minuten veränderten das Gesicht Frankfurts für immer. Am Abend des 22. März 1944 zerstörten schwerste Bombenangriffe der alliierten Streitkräfte auf die Innenstadt fast den gesamten alten Stadtkern mitsamt der Paulskirche, mehr als 1000 Menschen starben. Jedes Jahr wird im Bartholomäusdom der Altstadtzerstörung gedacht – und 13 eindringliche Minuten lang geschwiegen.
80 Jahre später ist die Altstadt zwar wieder aufgebaut, aber auch die Kriegsbedrohung fühlt sich wieder nah an. „Zum Gedenken an diese schreckliche Nacht und um einander zu bestärken in der bleibenden Verpflichtung zum Frieden sind wir zum ökumenischen Nachgebet im Dom zusammengekommen“, begrüßte der katholische Stadtdekan Johannes zu Eltz die Anwesenden beim Gedenkgottesdienst im Bartholomäusdom am Freitagabend, den er in ökumenischer Tradition gemeinsam mit dem evangelischen Stadtdekan Holger Kamlah hielt. „Wir gedenken der Zerstörung unserer Stadt und betrauern die vielen Opfer. Wir vergessen dabei nicht, dass Nazi-Deutschland den Krieg vom Zaun gebrochen und mit mörderischen Mutwill unermessliches Leid über Millionen von Menschen gebracht hat.“
Friede über Frankfurt und Friede über die Welt
Alte Bilder vom zerstörten Frankfurt riefen neue Bilder aus aller Welt vor Augen, aus der Ukraine, aus Gaza. „Das Gedenken an die Schrecken vor 80 Jahren kann uns die Augen öffnen und uns das Herz erweichen für die Leiden unserer Zeit“, so der katholische Stadtdekan. Krieg sei kein Mittel der Politik und Gewalt keine Lösung. Er schloss mit den Worten, die stets das Gedenken begleiten und die in diesen Zeiten noch mehr als sonst wie ein frommer Wunsch wirken: „Friede über Frankfurt und Friede über die Welt.“
Der 22. März 1944
Am Abend des 22. März 1944, also vor genau 80 Jahren, waren 500 Luftminen, 3000 schwere Sprengbomben und über 600.000 Brandbomben auf Frankfurt geworfen worden. 1870 Menschen kamen im Frankfurter Stadtgebiet während der Bombardements um, rund 180.000 Personen wurden obdachlos. Nach den Angriffen am 18. und 22. März 1944 war der Kern der Frankfurter Altstadt zwischen Dom und Römer vernichtet. Der von den abgeworfenen Bomben ausgelöste Feuersturm verbrannte die alten Fachwerkhäuser. Von den in Stein gebauten Häusern und Kirchen blieben die Fassaden stehen, die hölzernen Dach- und Turmkonstruktionen verbrannten. Der Römer blieb an den Fassaden erkennbar.
Für den evangelischen Stadtdekan Holger Kamlah war es der erste Gottesdienst zum Gedenken an die Altstadtzerstörung, er ist seit August 2023 im Amt. Er las Psalm 31 („Bei dir, HERR, suche ich Schutz, lass meine Feinde nicht über mich triumphieren!“) und anschließend gemeinsam mit Johannes zu Eltz Kapitel 1 aus den Klageliedern („Weh, wie einsam sitzt da / die einst so volkreiche Stadt. Einer Witwe wurde gleich / die Große unter den Völkern. Die Fürstin über die Länder / ist zur Fron erniedrigt“). Zusammen beteten die Stadtdekane auch das jüdische Friedensgebet „Lo yisa goy“, in dem es heißt: „Möge keine Nation gegen eine andere Nation mehr das Schwert erheben. Mögen wir keinen weiteren Krieg erlernen.“ Zum Ende des gut einstündigen Gottesdienstes sprachen beide gemeinsam einen Segen, dem sich das 13-minütige Schweigen anschloss. „Danke fürs Kommen und fürs Beten, fürs Harren und fürs Schweigen“, verabschiedete zu Eltz, für den es das letzte Gedenken als katholischer Stadtdekan war, die Anwesenden aus dem Hochchor des Doms.
Für die Stadt nahm die stellvertretende Stadtverordnetenvorsteherin Claudia Korenke zum Gottesdienst teil, außerdem Stadtrat Dr. Bernd Heidenreich und Kirchendezernent Bastian Bergerhoff. Auch der ehemalige evangelische Stadtdekan Achim Knecht war in den Dom gekommen.
Seit 17 Jahren organisieren die beiden Kirchen auf Wunsch der Stadt das jährliche Gedenken an die Altstadtzerstörung gemeinsam. Bereits am Mittwochabend gab es an der Bodengedenkplatte zwischen Dom und dem Haus „Goldene Waage“ in der Altstadt eine Andacht, die von der Evangelischen Sankt Paulsgemeinde, dem Dommuseum und der Dompfarrei Sankt Bartholomäus veranstaltet und vom Blechbläserquintett „High Five“ der Frankfurter Bläserschule unter der Leitung von Sunhild Pfeiffer musikalisch gestaltet wurde. Im Gemeindehaus der Sankt Paulsgemeinde, Hinter dem Lämmchen 8, war dazu ein kurzer Film, unter anderem mit Fotos der zerstörten Altstadt, zu sehen. Eine Zeichnung der Künstlerin Lina von Schauroth zeigte die Ruine der Frankfurter Paulskirche unmittelbar nach dem Krieg.