LIMBURG, 18.02.2021
Damit Betroffene zu Akteuren werden
Betroffene zu Akteuren machen und sie strukturell in die Aufarbeitung und Verhinderung von Missbrauch einbinden. Das ist ein wichtiges Ziel, welches das Bistum Limburg mit dem geplanten Betroffenenbeirat verfolgt. „Wir brauchen die Betroffenen so wie wir externe Expertise benötigen, um Aufarbeitung zu leisten“, betonte Bischof Dr. Georg Bätzing bei einem Online-Pressegespräch mit Journalisten am Donnerstag, 18. Februar. „Ich schäme mich für meine Kirche, für Verantwortliche in dieser Kirche, wie sie bisher mit Betroffenen umgegangen sind. Es war lange Zeit so, dass vielmehr die Täter und die Institution im Vordergrund standen als die Menschen, denen ein unsäglicher Schaden zugefügt worden ist. Diese Perspektive zu verändern, ist eine wesentliche Aufgabe.“ Bei dem Gespräch informierte das Bistum über den geplanten Betroffenenbeirat der Bistümer Fulda, Limburg und Mainz sowie den Stand der Aufarbeitung im Bistum Limburg.
Betroffenenbeirat soll Bistümer nicht schonen, sondern fordern
Mit der Einrichtung des Betroffenenbeirates sei ein erster, aber sehr wichtiger Schritt für die Aufarbeitung in den Bistümern getan, der nicht unterschätzt werden dürfe. „Hier wird zum ersten Mal auf Augenhöhe kommuniziert. Der Bischof und die Bistumsleitung auf der einen Seite und der Betroffenenbeirat auf der anderen Seite“, sagte der Limburger Bischof. Der Betroffenenbeirat sei nicht dafür da, um das Bistum zu schonen, sondern um es bei der Aufarbeitung und Verhinderung von Missbrauch zu fordern. Er wird zwei Vertreterinnen und Vertreter in die unabhängige Kommission zur Aufarbeitung und Bewertung von Verdachtsfällen entsenden.
Bätzing machte deutlich, dass das Bistum konsequent mit den Aufträgen und Aufgaben, die Expertinnen und Experten aus der MHG-Studie sowie einem diözesanen Projekt zur Aufarbeitung entnommen haben, umgehe. Die Diözese arbeite derzeit an der Umsetzung aller Maßnahmen, etwa an einem Beschwerdemanagement, sodass sich Betroffene leichter an das Bistum wenden könnten, der Bündelung von Kompetenzen in einer Fachstelle für sexuelle Gewalt, der Trägerschaft einer unabhängigen Ombudsstelle sowie neuen Standards zur Führung von Personalakten, um Missbrauch nachvollziehbar verfolgen zu können.
Kultur in der Kirche nachhaltig verändern
„Wir wollen die Offenlegung von Taten, Beschuldigten und Betroffenen. Und wir wollen die Offenlegung von Verantwortlichen mit ihren Namen. Das haben wir getan. Wir wollen darüber hinaus klar wissen, was sagen uns Experten, unter denen auch Betroffene waren, um eine Kultur auf lange Sicht zu ändern“, sagte Bätzing. An der Umsetzung der mehr als 60 Maßnahmen wolle sich das Bistum Limburg messen lassen. Infolge der anhaltenden Diskussion um die Aufarbeitung von Missbrauch im Erzbistum Köln nehme Bätzing aber deutlich wahr, dass Betroffene und Öffentlichkeit wieder stärker die Glaubwürdigkeit der Kirche bei der Aufarbeitung von Missbrauch in Frage stellten. „Damit kämpfen wir und das hat auch was mit der Kölner Situation zu tun“, sagte Bätzing. Dieses verlorengegangene Vertrauen könne man nicht mehr zurückgewinnen, sondern komme nur noch über den Weg der Transparenz sowie dem Vorzeigen greifbarer Ergebnisse voran.
Bistum hat Perspektive bei Umsetzung der Maßnahmen erweitert
Caspar Söling, der die Aufgabe des Bischöflichen Beauftragten seit Oktober 2020 innehat, erläuterte den Sachstand der Umsetzung der Maßnahmen, die dem Bischof und der Präsidentin im letzten Jahr von 70 Experten überreicht worden waren. Für die Umsetzung werde die Perspektive der Ergebnisse erweitert: Um Missbrauch in der Kirche zu verhindern, seien nun nicht mehr allein Kleriker, sondern alle Mitarbeitenden des Bistums und neben Hauptamtlichen auch Ehrenamtliche im Blick. Zum Thema der sexualisierten Gewalt sei auch der Bereich spirituelle Gewalt auch bei jungen Erwachsenen hinzugekommen.
Für die Umsetzung jeder der 64 Maßnahmen seien Verantwortliche benannt und ein standardisiertes Verfahren entwickelt worden. Dabei würde etwa überprüft, welche Arbeitsfelder bei der Umsetzung berücksichtigt werden müssten. Zum Abschluss sei für jede Maßnahme eine Qualitätssicherung verpflichtend.
Förderstopp für Gruppen, die Maßnahmen nicht mittragen
Die Maßnahmen sollten systematisch und mit einer hohen Verbindlichkeit umgesetzt werden, betonte Söling. Dazu kündigte der Bischöfliche Beauftragte auch einen Förderstopp für Gruppen an, die Maßnahmen gegen Missbrauch nicht mittragen oder unterstützen würden. „Gruppen, die kein Beschwerdemanagement haben oder keinen Zugang sicherstellen, werden Probleme bekommen, vom Bistum eine Förderung – ob Geld, Räume oder Personal – zu erhalten“, nannte Söling ein Beispiel. Insgesamt rechnet Söling mit rund drei Jahren für die Umsetzung von der Theorie in die Praxis. Regelmäßig werde über den Stand der Umsetzung öffentlich berichtet.
Die Bistümer Fulda, Limburg und Mainz hatten sich am Mittwoch, 10. Februar, mit einem öffentlichen Aufruf an Betroffene von Missbrauch gewandt und sie gebeten, sich in einem neuen Betroffenenbeirat an der Aufarbeitung von Missbrauch in der Kirche zu beteiligen. Der Beirat soll aus neun Personen bestehen und die Aufarbeitung in den drei Bistümern kritisch begleiten. „Viele Menschen haben großes Unrecht und Leid durch Vertreter der Kirche aus unseren Diözesen erfahren müssen. Das ist uns sehr bewusst. Aber es ist unsere tiefe Überzeugung, dass bei der Aufarbeitung in unseren Diözesen, die wir mit großer Transparenz und Ernsthaftigkeit vorantreiben, die Perspektive der Betroffenen für uns leitend sein muss. Deshalb sind wir so sehr auf Ihre kritische Begleitung angewiesen: Bitte melden Sie sich, wenn Sie sich eine Mitarbeit vorstellen können! Ihr Mitwirken ist für eine Aufarbeitung im Sinne der Betroffenen von großer Bedeutung“, heißt es im Aufruf der Bischöfe.
>> Hier finden von MIssbrauch Betroffene die Telefonnummer von Ansprechpartnern.