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Frankfurt, 29.04.2024

Der letzte Stadtdekan von Frankfurt

14 Jahre war er Stadtdekan von Frankfurt. Nun zieht Dr. Johannes zu Eltz (66) sich aus dem Amt zurück und nimmt es gleichermaßen mit, da es nach ihm keinen katholischen Stadtdekan mehr geben wird. Im Interview blickt zu Eltz zurück auf die Zeit und räumt ein, er müsse erst lernen, nun anderen das Ruder zu überlassen.

Am 1. Mai werden Sie offiziell aus dem Amt des Stadtdekans verabschiedet. Haben Sie schon erste Pläne für die Zeit „danach“ gemacht?

JOHANNES ZU ELTZ: Bisher habe ich nur wenige Pläne und nicht vor, aus dem Wechsel etwas groß Besonderes zu machen. Ich habe damit begonnen, mich der Verpflichtungen zu entledigen, die mit der Führung der Stadtkirche  einhergehen, weil ich meinen Nachfolgern nicht in die Quere kommen will. Stattdessen habe ich die Aufgaben in der Dompfarrei im Blick , die ja auch nicht wenige sind. Die möchte ich ordentlich machen. Wenn   Gott und der Bischof mich lassen, würde ich das gerne noch drei Jahre lang tun und aufhören, wenn ich 70 werde. Dann werde ich 17 Jahre an dieser Stelle gewesen sein, das reicht.

Sie bekleiden das Amt seit 2010 – und sind der letzte Stadtdekan Frankfurts; die Leitung wird künftig von Michael Thurn und Christiane Moser-Eggs als gewählter Doppelspitze wahrgenommen. Was bedeutet der Wegfall des Amtes für die Stadt, in der Sie eine starke Stimme waren und sind?

Frankfurt wird sich an die neue Leitung gewöhnen müssen, und wie ich die Stadt kenne, wird sie  nach kurzem Beschnuppern ihre Herzen und Häuser aufmachen, damit Michael Thurn und Christiane Moser-Eggs die katholische Kirche in der Stadt gut vertreten können. Die Kirche wird ja dadurch nicht grundlegend anders, aber etwas Neues ist es schon, weil die Leitung der Kirche durch einen Kleriker eben das ist, was man sich normalerweise unter katholischer Kirche vorstellt.

Die evangelische Kirche in Frankfurt und Offenbach hat 2014 einen eigenen Stadtdekan eingeführt, um ein direktes Gegenüber zu schaffen, nun schaffen die Katholiken ihn ab. Wie wird das die Zusammenarbeit beeinflussen?

Die evangelischen Kollegen haben schon ein bisschen mit dem Kopf geschüttelt. Ich verstehe das gut. Ich finde es aber auch ein bisschen lustig, dass wir die modern verfasste evangelische Kirche jetzt sozusagen von links überholen. Ich habe mal, nur so halb im Spaß, gesagt, dass es kein Halten mehr gibt, wenn die normalen Gläubigen  die Hand an die Verfassung der  katholischen Kirche bekommen. Wir haben 150 Jahre Reformstau - das drückt auf die Dämme! Für die evangelische Kirche in Frankfurt und Offenbach und die anderen Partner in der Ökumene gibt es aber auch in Zukunft ein kompetentes und engagiertes Gegenüber, das ist das Wichtigste.  Die Ökumene wird nicht Schaden leiden.

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In 14 Jahren haben Sie mit Sicherheit viele High- und auch Lowlights erlebt. Können Sie die Wichtigsten benennen?

Vielleicht war die hochverdichtete, dramatische Zeit, in der sich 2013 das Schicksal von Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst entschied, tatsächlich beides - ein Lowlight und  ein Highlight. Denn daraus sind uns Kräfte erwachsen, von denen die Stadtkirche gar nicht wusste, dass sie sie hat. Für mich persönlich haben sich dadurch Lebensbezüge intensiviert, ich bin aus der Komfortzone raus und hatte danach Gefährten und Gegner auf Dauer. Auch die Corona-Zeit hat uns Dinge erleben lassen, die wir vorher nicht für möglich gehalten haben. Es schaudert mich noch heute, wenn ich daran denke, wie schnell elementare Freiheiten abgeräumt worden sind, zum Beispiel das Recht, öffentlich Gottesdienst zu feiern. So etwas gab es nicht mal in der Nazi-Zeit.

Aus der Zeit der Pandemie stammt ja auch die Idee, täglich ein Video mit einem geistlichen Impuls ins Internet zu stellen ...

Gerade haben meine Filmpartnerin Lori Bemb und ich den 1000. Abonnenten begrüßt. Aus den Rückmeldungen entsteht viel Gutes, Erkenntnisse und Beziehungen, ich könnte ein Buch darüber schreiben! . Der geistliche Ertrag ist groß, der Aufwand relativ gering. Und wir haben noch immer viel Freude  daran, deshalb machen wir weiter.

Die Öffentlichkeit ist das eine, doch Sie sind ja vor allem Seelsorger.

Ganz genau. Wenn  ich zurückschaue, dann muss ich muss ich sagen: Das Wichtigste; das, was mir bleibt mit der Erfahrung von tiefem Sinn, das hat fast alles in der normalen Seelsorge stattgefunden.  Das ist ein Grund dafür, warum ich vor dem, was jetzt kommt, keine Angst habe. Für Seelsorge  war in der Vergangenheit oft zu wenig Zeit, das ändert sich nun – und diese Aussicht macht mich  glücklich.

Der Umbruch, der jetzt in der Umbildung des Bistums zu fünf Regionen und im Wegfall des Amtes des Stadtdekans manifest wird, begann 2010 nach Bekanntwerden des Missbrauchs, neue Strukturen sollen für mehr Transparenz sorgen. Wird dieses Ziel Ihrer Meinung nach durch die Umstrukturierung erreicht?

Die neue Doppelspitze wird vom Stadtsynodalrat auf fünf Jahre gewählt und muss ihm berichten, allein das bedeutet viel. Mein Ziel ist, dass wir uns in kirchlichen Ämtern auf allen Ebenen rechenschaftsfähig und rechenschaftpflichtig machen, und zwar nicht nur Gott und  den kirchlichen Oberen gegenüber, sondern auch kontrollfähigen Instanzen, die mit normalen Gläubigen kompetent besetzt sind. Dieses kleine Bisschen an Gewaltenteilung, Machtkontrolle und Demokratisierung ist ein großer Schritt. Aber wenn man Vertrauen hat, dann muss und möchte man ihn setzen.

Sie waren als Mitglied der Synodalversammlung beim Synodalen Weg ganz nah dran - und hatten wie viele andere auch große Hoffnungen auf Neuerung. Doch der Vatikan hat dem Synodalen Ausschuss eine Absage erteilt, wie es weitergeht scheint unklar. Wie viel Hoffnung haben Sie zum jetzigen Zeitpunkt noch auf Fortführung?

Was aus weiter Entfernung  wie eine gerade Linie aussieht, ist, wenn man genauer hinschaut, eine Zickzackbewegung: Aktion und Reaktion, Hin und Her, Vormarschieren  und Zurückstoßen. Das ist die Normalität der Kirche. Es gibt in ihr immer Bewegung, denn eine völlig starre Institution käme  gar nicht durch die Jahrtausende. Aber diese Bewegung ist in unserer Zeit ärgerlich mühsam und langwierig. Weil ihr so viele Steine in den Weg gelegt werden, vor allem in Rom, und sie so langsam vonstattengeht, verlieren wir unterwegs zu viele Leute, ; das bekümmert mich sehr. Dennoch gibt es Grund zur Zuversicht.  Zum Beispiel die  Tatsache, dass heute auch in der Kirche alle  Themen auch aus dem Blickwinkel von Frauen besehen und besprochen werden, die kann man nicht mehr aus der Welt schaffen. . Die Diskussion um Gleichberechtigung  bei Weihe-Ämtern bringt so die ganze Normalität des gesellschaftlichen und familiären Lebens mit ein, das wird  die Kirche nicht unverändert lassen, das geht überhaupt nicht.

Das Papier „Gemeinsam am Tisch des Herrn“, bei dem es um eine wechselseitige Einladung von katholischen und evangelischen Christ:innen zu Eucharistie und Abendmahl geht, war für Sie und für die Ökumene ein wichtiges Thema. Auf Beschluss des Stadtsynodalrats wird es im Januar 2025 stadtweit eine gegenseitige Einladung geben. Warum geht das gerade in Frankfurt gut?

Das gegenseitige Einladen fußt auf der  Einladung Jesu. Die Eucharistie ist das „Herrenmahl“. Jesus ist der Herr des Abendmahles, nicht die Kirche. Mein Gewissen kann  es mir erlauben, auch im Gottesdienst der anderen diese Einladung zu hören und ihr zu folgen. Das geht immer und überall, aber in Frankfurt geht es aus  stadtgeschichtlichen und kulturellen Gründen besonders gut.  Hier gibt es gut eingeführte ökumenische Nachbarschaften, viel wechselseitiger Gottesdienstbesuch, Kanzel- und aktionsweise auch mal Kirchentausch. Das „eucharistische ökumenische Abendmahl“ im Dom beim 3. ÖKT am 15. Mai 2021 wäre anders gar nicht möglich gewesen. Mir geht das Herz auf, wenn ich daran denke, wie Bischof Georg und die evangelische Kirchentagspräsidentin Bettina Limperg und  der evangelische Stadtdekan Achim Knecht und seine Frau Elisabeth  gemeinsam zur Kommunion gegangen sind. All das hat  Wurzeln geschlagen und Felder bereitet. Auf denen gibt es Gemeinsamkeiten, aber immer auch Spannungen. Wir machen aus unseren Traditionen keinen Einheitsbrei, sondern ein ökumenisches Drei-Sterne-Menü! Das Besondere des anderen schätzen, die Gegensätze kultivieren, die Widersprüche überwinden, so kann das gehen.  Dafür braucht man aber viel Kundigkeit und Vertrauen und, ja, auch Liebe zueinander.

Welchen Rat geben Sie Ihren Nachfolger:innen mit auf den Weg?

Natürlich keinen! Aber ich wünsche ihnen  Frömmigkeit, kluge  Menschenfreundlichkeit, und dass sie Freude aneinander haben, so wie Pia Arnold-Rammé und ich. Das versüßt einem die viele Arbeit, und in der Öffentlichkeit merkt und schätzt man es. 

Sie bleiben Dompfarrer und als solcher eine wichtige Stimme in der Stadt. Wie eng wird Ihr Verhältnis zur neuen Regionenleitung sein? Werden Sie sich auch künftig einmischen?

Der Dom ist der Tempel der Stadt und das Zentrum der katholischen Stadtkirche. Solange ich hier Pfarrer bin, haben wir unweigerlich miteinander zu tun. Das ist mir sehr recht, aber bestimmt und ausgestaltet wird unser Verhältnis von der Leitung. Mit öffentlichen Wortmeldungen werde ich mich  zurückhalten, und einmischen will ich mich überhaupt nicht. Ich bin ein Alpha-Tier hoch drei und seit Jahrzehnten in Führungspositionen - hoffentlich haut das hin! Wenn nicht, gibt es gottlob Menschen, die mir dann sofort die Wacht ansagen würden. Darauf verlasse ich mich.

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