Die Wirklichkeit ist immer größer und tiefer
Die Botschaft des Kreuzes ist und bleibt aktuell. Davon zeigte sich Bischof Dr. Michael Gerber beim Limburger Kreuzfest überzeugt. Am Sonntag, 15. September 2024, feierte der Bischof von Fulda mit hunderten Gläubigen im Limburger Dom den Festgottesdienst zum großen Bistumsfest.
In seiner Predigt blickte Bischof Gerber auf die scheinbar paradoxe Aussage Jesu, dass man sein Leben verlieren müsse, um es zu retten. „Zu oft ist dieses Bibelwort missbraucht worden, um Menschen klein zu halten, um sie zur Aufgabe von Dingen zu nötigen, die ihnen eigentlich wichtig waren, um sie gefügig zu machen für ganz eigene Ziele“, sagte Gerber. Zum Glück seien diese Zeiten vorbei und es sei ein bedeutender Fortschritt, dass Menschen sich ins Weltgeschehen einbringen, eigene Visionen formulieren und ihre Stärken entdecken und diese fördern. Hinter diese Entwicklung gebe es keinen Weg zurück, jedenfalls nicht in einer Gesellschaft und Kirche, die die Freiheit des Einzelnen als hohes und schützenswertes Gut respektiere. Genau darin liege auch der tiefere Schlüssel, um das Jesuswort zu verstehen. „Wachstum, Entfaltung der eigenen Persönlichkeit, Lebensentwürfe, die wir als gelingend verstehen, sind die Frucht eines Freiheitsgeschehens“, betonte Gerber und ergänzte: „Freiheit und Selbstentfaltung gelingen nicht als Egotrip. Sie gelingen nicht einfach als lineare, ungebrochene Verwirklichung meiner Ideen und Wünsche“. Oft habe man sich ein Bild von einer Situation oder seinem Gegenüber gemacht und müsse dann begreifen, dass die Wirklichkeit immer größer und tiefer sei als das Bild, das man sich gemacht habe. „Selbstverwirklichung hat damit zu tun, dass mich dieses größer als überraschen darf, auch wenn das zunächst sehr unangenehm sein kann“, so Bischof Gerber.
Umgang mit eigenen Grenzen
Der Theologe ging in seiner Auslegung des Evangeliums auch auf den Apostel Paulus ein. An der Person des Apostels werde die Zerbrechlichkeit menschlicher Selbstbilder deutlich und es zeige sich, dass man aus Krisen lernen und gestärkt herausgehen könne. „Petrus ist ein Beispiel dafür, wie wir als Kirche mit unseren eigenen Begrenzungen umgehen müssen“, so der Fulderaner Bischof. Die Kirche stehe oft vor der Herausforderung, hinter ihren eigenen Ansprüchen zurückzubleiben und müsse lernen, ihre eigene Gebrochenheit anzuerkennen. Gerber ermutigte dazu, das Kreuz nicht nur als Symbol des Leidens zu sehen, sondern auch als Ausdruck der Spannung zwischen hohen Idealen und menschlichen Schwächen.
„Es geht darum, diese Spannung auszuhalten und in eine tiefe innere Freiheit zu wachsen“, erklärte Gerber. Diese innere Freiheit müsse mit der Möglichkeit rechnen, dass man auch scheitern kann, wenn man alles gegeben und richtig gemacht habe. Das Ringen um genau diese Freiheit, alles zu geben und zugleich damit rechnen zu können, dass nichts von all dem bleibt, ist für Bischof Gerber einer der entscheidenden Wachstumsprozesse der Kirche gerade in heutiger Zeit. „Das verbinde ich mit dem Wort vom Kreuz. Und gerade dort, wo Menschen unserer Tage erleben, dass wir Christinnen und Christen in dieser großen inneren Freiheit unterwegs sind, können sie neu aufmerksam werden auf das, was die Botschaft des Glaubens ist“, so Gerber.
Kreuzfest Bistum Limburg
Mit Konzerten, Gottesdiensten, Ehejubel und Mitmachaktionen lädt das Bistum Limburg von Donnerstag, 12. September, bis Sonntag, 15. September 2024, zum Kreuzfest unter dem Motto „Mit Euch“ ein. Im Bischofsgarten, im Limburger Dom und auf dem Domplatz gibt es an den vier Tagen des Kreuzfestes ein abwechslungsreiches Programm. Alle Infos dazu gibt es online unter kreuzfest.bistumlimburg.de.