Ein großer Wurf
Die neue Grundordnung des kirchlichen Dienstes ist ein großer Wurf auf den man stolz sein kann. Sie macht deutlich, dass die Kirche sich verändern will und kann. Dies hat Professor Dr. Jacob Joussen, Arbeitsrechtler und Leiter des Instituts für Kirchliches Arbeitsrecht an der Ruhr-Universität Bochum beim Tag der MAVen im Bistum Limburg deutlich gemacht. Gut 150 gewählte Mitarbeitervertreterinnen und Mitarbeitervertreter trafen sich am Donnerstag, 20. Juli, im Wilhelm-Kempf-Haus in Wiesbaden, um sich über die kirchliche Grundordnung, die das Bistum Limburg zum 1. Januar 2023 als erste deutsche Diözese in Kraft setzte, und über aktuelle Entwicklungen im kirchlichen Arbeitsrecht zu informieren und auszutauschen.
„Im weltlichen Arbeitsrecht war es immer schon so, dass das Privatleben von Mitarbeitenden den Dienstgeber nicht angeht“, stellte Joussen im Hauptvortrag des Tages klar. Im kirchlichen Arbeitsrecht sei dies über Jahrzehnte anders gewesen, denn die Kirchen hätten durch den sogenannten Dritten Weg das Recht, ihre Dienstverhältnisse selbst zu regeln. So stellten sie besondere Loyalitätsanforderungen an ihre Mitarbeitenden auf. Diese Loyalitätsanforderungen wurden auch von weltlichen Gerichten anerkannt. „Rechtsauffassungen entwickeln sich weiter und es gibt neue Gesetze, wie etwa das Antidiskriminierungsgesetz“, so der Arbeitsrechtler. Dies habe unter anderem dazu geführt, dass 2010 die ersten Urteile getroffen wurden, die diese Loyalitätsanforderungen der Kirchen nicht anerkannten.
Bekenntnis für mehr Vielfalt
Spätestens zu diesem Zeitpunkt sei den Verantwortlichen in den Kirchen deutlich geworden, dass sie sich diesem Thema zu stellen haben und ihre Ordnungen anpassen müssen. Anpassungen, die letztlich auch den Dritten Weg, das Selbstbestimmungsrecht der Kirchen, schützt. Die Arbeit an der neuen Grundordnung sei auch durch den Fachkräftemangel und durch Kampagnen wie der Initiative #outinchurch beflügelt worden. „Mit ihrer Entscheidung, die Grundordnung zu ändern, und der Feststellung, dass die persönliche Lebensform oder die geschlechtliche und sexuelle Identitität keine Auswirkungen auf ihr Arbeitsverhältnis hat, haben die Bischöfe ein klares Bekenntnis zu mehr Vielfalt in der Kirche gegeben“, sagte Joussen. Es könne dadurch zu einer wirklichen Kulturveränderung kommen. Diskriminierung und Angst würden dadurch abgebaut.
Bei aller Begeisterung für die neue Grundordnung sieht er trotzdem an einigen Punkten Nachbesserungspotential. Als problematisch bewertet der Arbeitsrechtler die enge Rückkoppelung des Textes an die katholische Morallehre und die Tatsache, dass der Text am Merkmal „Geschlecht“ festhält. Damit seien Menschen mit einer Transidentität wieder nicht im Blick. Ein „No-Go“ für Mitarbeitende der Kirche sei der Kirchenaustritt. Ob dieser als Kündigungsgrund vor weltlichen Gerichten Bestand haben kann, müsse sich zeigen. Joussen benannte in seinem Vortrag zahlreiche konkrete Beispiele, die im Zusammenhang mit dem Loyalitätsrecht stehen. So ging er auf das Tragen von religiösen Gegenständen oder den Umgang mit Gebetszeiten und Feiertagen ein.
Hochkarätiges Podium
Mit der Umsetzung der neuen Grundordnung und mit ganz praktischen Themen rund um das kirchliche Selbstbestimmungsrecht befasste sich auch ein hochkarätig besetztes Podium: Die Bundestagsabgeordnete Dr. Tanja Machalet, Generalvikar Dr. Wolfgang Pax, Maximilian von Fürstenberg von den Maltesern, Carsten Offers, der seit vielen Jahren auf Bundesebene für die Arbeitsrechtliche Kommission tätig ist, und Professor Joussen diskutierten darüber, wie zukunftsfähig die Grundordnung und der Dritte Weg im 21. Jahrhundert noch seien. Machalet machte deutlich, dass die Kirchen nach wie vor ein wichtiger gesellschaftlicher Player seien. Dennoch gelte es, Sonderwege zu beenden. Deshalb sei es auch ein erklärtes Ziel des Koalitionsvertrages, den Dritten Weg abzuschaffen. Ob dies so kommen werde, bleibe abzuwarten. Was es aber in jedem Fall gebe, sei ein geordneter Dialog zwischen Kirche und Politik. Diese Gespräche würden zu Ergebnissen führen.
Maximilian von Fürstenberg hält die Weiterentwicklung der Grundordnung für einen wichtigen Schritt und eine leise Antwort auf den herrschenden Fachkräftemangel. „Wir müssen verstehen und erleben, dass das christliche Profil unserer Einrichtungen nicht nur an der Konfessionszugehörigkeit unserer Mitarbeitenden hängt“, so Fürstenberg. Vielmehr gehe es darum, den Glauben als Option anzubieten und das Potential zu nutzen, das authentische Persönlichkeiten in eine Einrichtung bringen. Carsten Offers ist zufrieden mit der Entwicklung, die die Kirche in den vergangenen Jahren als Dienstgeber gegangen ist. „Die neue Grundordnung ist nicht schlecht. Ich sehe aber zahlreiche Widersprüche und es muss sich zeigen, ob sie wirklich umsetzbar ist“, so Offers. Generalvikar Dr. Wolfgang Pax sieht in den Entwicklungen im Arbeitsrecht, im Synodalen Weg und im Transformationsprozess des Bistums einen „engagierten Versuch, die Kirche ins Heute“ zu holen. „Ich bin davon überzeugt, dass sich Kirche bewegen und die Lehre verändern kann. All dies wird aber die Mitgliederentwicklung, den Relevanzverlust von Kirche und andere Megatrends nicht aufhalten. Dennoch müssen wir weiterarbeiten und Veränderung wagen“, sagte Pax. Es gelte die Dinge, die in der Kirche gut sind, und die, die die Kirche als Dienstgeber auszeichnen, weiter zu stärken und bekannt zu machen.
Glück auf und Halleluja
Moderiert wurde der Tag der MAVen vom bekannten Journalisten Wolfgang Thielmann. Neben dem Fachvortrag und der Podiumsdiskussion gab es verschiedene Arbeitsgruppen zu Themen des Arbeitsrechtes und zahlreiche Infostände. Den Abschluss bildete die Kabarettistin Ulrike Böhmer mit Ausschnitten ihres aktuellen Programms „Glück auf und Halleluja“.