Hirzenhain-Bahnhof, 23.02.2024
Ein neues Kapitel für die Gläubigen in Hirzenhain-Bahnhof
Das Pilotprojekt im Bistum Limburg erweist sich als erfolgreich. „Man besucht sich sogar gegenseitig in den Gottesdiensten“, sagt der Pfarrer der evangelischen Kirche in Hirzenhain-Bahnhof, Michael Brück. Ein katholischer Christ habe nach einem evangelischen Gottesdienst zu ihm gesagt: „Da hab’ ich noch was lernen können“, so Brück.
Kirchenaustritte und demografischer Wandel führen zu Kirchenschließungen
Die Schließung des katholischen Kirchengebäudes war aufgrund von Kirchenaustritten und dem demografischen Wandel unumgänglich. „Mit 14 Kirchen und 11.000 Katholiken gibt es im nördlichen Lahn-Dill-Kreis zu viele Kirchorte“, bewertet Stefan Schlephorst, Verwaltungsleiter der katholischen Pfarrei Zum Guten Hirten an der Dill, die Situation. Bis 2040 soll sich die Zahl der nochmals halbieren. Und 14 Kirchen bei 5.000 Katholiken seien definitiv zu viel. Diese Entwicklungen betreffen jedoch nicht nur Hirzenhain-Bahnhof, sondern das gesamte Bistum Limburg. Um sicherzustellen, dass die Pfarreien auch zukünftig über ausreichende Mittel verfügen, um eine pastorale Betreuung vor Ort zu gewährleisten, gibt es das Projekt „Kirchliche Immobilienstrategie“ (KIS), das die Pfarreien bei der Neuausrichtung ihres Gebäudebestandes unterstützt.
Der Abschied von ihrer katholischen Kirche fällt vielen schwer, trotz der Aufnahme in der evangelischen Kirche. „Es tut schon weh“, sagt Schlephorst. Die Gemeindemitglieder hätten zwar jetzt einen neuen Raum, es sei jedoch nicht der, mit dem sie aufgewachsen seien. Deshalb wurden die Gläubigen gefragt, wie der Umzug für sie erträglicher werden könnte. Als Ergebnis ist nun die 146 Kilogramm schwere Kirchenglocke, die Johannes dem Täufer gewidmet ist, mithilfe des Technischen Hilfswerks (THW) vom Dach der katholischen Kirche geholt worden. Demnächst soll sie im Glockenturm der evangelischen Kirche zusammen mit den bereits vorhandenen Glocken erklingen. Dafür muss im Glockenturm der evangelischen Kirche noch ein neuer Glockenstuhl eingebaut werden. Auch die Marienstatue wird von der katholischen in die evangelische Kirche umziehen, ebenso wie das Kreuz vom Glockenturm, das auf dem Dach der evangelischen Kirche angebracht werden soll. Trotz der Trauer über den Verlust des katholischen Kirchengebäudes spürt Schlephorst auch eine „Aufbruchsstimmung, etwas Neues auszuprobieren“. Gläubige in Frohnhausen, wo ebenfalls eine Kirche aufgegeben werden musste, organisieren beispielsweise Tischmessen in privaten Wohnzimmern.
Das katholische Gebäude wird demnächst entweiht und leergeräumt. Die Orgel geht voraussichtlich an eine Gemeinde in Polen. Für das Kirchengebäude gibt es bereits einen Interessenten, der es vielleicht kaufen und Wohnungen darin bauen möchte. Der Baukörper würde dabei wohl bestehen bleiben. Dass niemand direkt mit der Abrissbirne kommt, mache die Menschen froh, sagt Schlephorst. Vor allem war ihm aber wichtig, dass es vor dem Verkauf des Gebäudes eine Lösung für die Gemeinde gibt. Und diese wurde gefunden.
Geschichte
Nicht zum ersten Mal kommen Katholikinnen und Katholiken in Hirzenhain in der evangelischen Kirche unter. Lange Zeit war der Ort fast ausschließlich evangelisch geprägt. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden viele aus dem Sudeten- und Egerland vertriebene Katholikinnen und Katholiken in Hirzenhain-Bahnhof angesiedelt. Nach etwa 15 Jahren Gottesdiensten im evangelischen Kirchenhaus haben die zugezogenen Katholikinnen und Katholiken dann 1960 eigenständig die neue Kirche gebaut.
Basierend auf „Eine „göttliche WG“ entsteht“ von Erik Wohlert in der Dill-Zeitung am Donnerstag, 22. Februar 2024.