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Limburg, 13.03.2024

Für Frieden gibt es kein Patentrezept

Es ist eine herausfordernde Zeit. Es brodelt überall auf der Welt. Johannes Ludwig, Referent für Globale Vernetzung und Solidarität, spricht im Interview über sein Buch und wie sich jede und jeder Einzelne für Frieden einsetzen kann.

Beispiele sind der Angriffskrieg auf die Ukraine, der Konflikt in Israel und Palästina, der Bürgerkrieg in Kamerun und Terror und Gewalt in Burkina Faso. Viele Menschen sehnen sich nach Frieden. Man möchte sich fragen, ob es denn nicht eine Lösung für die Konflikte gibt, die für alle Parteien tragbar ist und nicht weiter das Leben von vielen unschuldigen Menschen fordert. Hier und da gibt es Kundgebungen und Protestaktionen für den Frieden und speziell auf Deutschland gesehen auch für Demokratie. Es gibt auch weiterhin Friedensbewegungen, die versuchen in die Gesellschaft hineinzuwirken. Die Reichweite dieser Bewegungen ist jedoch längst nicht mehr so hoch wie in der Vergangenheit, beispielsweise in den 80er Jahren. In seinem Buch „Abschied vom Pazifismus. Wie sich die Friedensbewegung neu erfinden kann“ beschreibt und analysiert Johannes Ludwig, Referent für Globale Vernetzung und Solidarität im Bistum Limburg, die Friedensbewegung. Zudem wagt er einen Blick in die Zukunft.

Anfang des Jahres 2024 ist das Buch „Abschied vom Pazifismus. Wie sich die Friedensbewegung neu erfinden kann“ erschienen. Was kann jede und jeder Einzelne für Frieden tun?

Ob in der Unterbringung geflüchteter Menschen, der Bildungsarbeit, dem friedenspolitischen Engagement auf der Straße oder der kritischen Begleitung des öffentlichen Diskurses: Es gibt unterschiedliche Möglichkeiten, sich für den Frieden einzusetzen. Bei all dem muss die Perspektive der Leidtragenden oberste Priorität haben. So pathetisch die Formulierung der UNESCO klingen mag, so richtig ist sie aus meiner Sicht: „Since wars begin in the minds of men, it is in the minds of men that the defences of peace must be constructed.“ (Da Kriege im Geist der Menschen entstehen, muss auch der Frieden im Geist der Menschen verankert werden.)

Gibt es aus Ihrer Sicht ein Patentrezept für Frieden?

Aus meiner Sicht gibt es kein Patentrezept für Frieden. So vielfältig die Kriegsursachen und -verläufe weltweit sind, so vielfältig sind sicherlich auch die Wege zum Frieden. Wer auf jeden Krieg und Konflikt mit vermeintlichen Patentrezepten antwortet, läuft Gefahr, die dahinterstehenden Fragen zu ignorieren. Das kann im schlimmsten Fall zu einer Realitätsverweigerung führen.

Welche Gefahren machen der Friedensbewegung zu schaffen?

Da das Label „Friedensbewegung“ durch jede und jeden für sich in Anspruch genommen werden kann, besteht eine große Gefahr der Vereinnahmung aus verschiedenen Richtungen. So hat in jüngerer Zeit etwa die AfD versucht, sich als Friedenspartei darzustellen. Populistische Stimmen tendieren vielfach zu Narrativen der Täter-Opfer-Umkehr. Und nach dem Terrorangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober 2023 werden gar antisemitische Stimmen laut. Die klare Benennung von Tätern und Opfern ist Voraussetzung für einen Frieden, der diesen Namen verdient. Besonders differenziert habe ich hier etwa die Stellungnahme „Ein gerechter Friede für die Ukraine“ der pax christi-Kommission Östliches Europa vom 24. Februar 2024 wahrgenommen. Auch die Bischöfe haben mit ihrem jüngsten Friedenswort „Friede in diesem Haus“ einen wichtigen Debattenbeitrag geleistet.

Kann sich die Friedensbewegung aus Ihrer Sicht so ändern, dass sie wieder eine tragende Stimme in der Gesellschaft bekommt? Und wie müsste sie sich ändern?

Weite Teile der Friedensbewegung leisten mit ihrem Friedensengagement schon heute Beachtliches. Beispiele hierfür sind die zahlreichen nationalen und internationalen Friedensdienste oder auch friedenspolitische Kampagnen, etwa die von einem breiten Bündnis getragene Aktion „Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel!“ Dennoch droht dieses Engagement angesichts des schrillen Auftretens Einzelner im Gesamten diskreditiert zu werden. Deswegen wird die Abgrenzung von rechtsextremen, populistischen und antisemitischen Stimmen zunehmend wichtiger. Darüber hinaus muss anerkannt werden, dass es beispielsweise in der Frage nach Waffenlieferungen friedensethische Dilemmata gibt, die nicht vorschnell aufgelöst werden können. So richtig das Festhalten an ziviler Konfliktbearbeitung ist, so schmerzlich wird man etwa in der Ukraine feststellen müssen, dass sie an ihre Grenzen gekommen ist. Es geht also keineswegs um eine friedenspolitische oder -ethische Kehrtwende, sondern vielmehr um einen Prozess der kritischen Selbstvergewisserung, um die eigenen Positionen auch künftig so in den Diskurs einbringen zu können, dass ihnen auch Gehör verschafft werden kann.

Warum haben Sie dieses Buch geschrieben?

Ich wollte mich nach der Ausweitung der russischen Invasion in der Ukraine im Februar 2022 friedenspolitisch engagieren, habe aber feststellen müssen, dass aus den Reihen der Friedensbewegung differenzierte Positionierungen teilweise ausgeblieben sind. Da ich gleichzeitig aber überzeugt bin, dass die Friedensbewegung gerade heute eine wichtige Rolle einnehmen kann, habe ich mich dazu entschlossen, der Sache auf den Grund zu gehen.

Felicia Schuld

Ressortleitung Multimedia, Redakteurin Kommunikation und Öffentlichkeitsarbeit

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