OBERNHOF/ LIMBURG, 01.08.2019
Gastfreundschaft, Klausur & byzantinische Gesänge
Byzantinische Gesänge klingen in der kleinen Kapelle der alten Klosteranlage Arnstein. Dezenter Weihrauchduft erfüllt den Raum, in dem jetzt vor dem Altarraum Ikonen zu sehen sind. Durch die Kapellenfenster scheint die Abendsonne. Eine mystische Atmosphäre. Eins der alten bleiverglasten Fenster ist verziert mit einem Alpha und einem Omega. Wie gut passen die griechische Buchstaben als Synonym für Gott und insbesondere für Christus als den Ersten und Letzten zu dieser Gebetszeit und zu den „Neuen“ im Kloster Arnstein, die Orthodoxe Schwestern sind.
Ihre Äbtissin ist Gerontissa Diodora Stapenhorst. Sie stammt aus Deutschland, hat allerdings mehr als 30 Jahre in Griechenland gelebt. Sie ist seit 1995 Äbtissin und „Gerontissa“, was so viel bedeutet wie geistliche Mutter, zunächst im Kloster des Heiligen Kreuzes in Theben und später im Kloster des Heiligen Georg in Karditsa in Griechenland. „Während meines Kunststudiums in Berlin kam ich mit einem Stipendium nach Griechenland. Und an der Tür des Klosters des Heiligen Chrysostomos in Naxos traf ich Ihn, der die Samariterin an Jakobs Brunnen traf, in der Person des Archimandriten Dionysius, meines Gerontas von da an. Die warme Herzlichkeit der Menschen dort hat mich tief beeindruckt und mich, als ich orthodoxe Nonne wurde, in Griechenland gehalten“, erzählt die Äbtissin freimütig. Besonders die Freude am Glauben dort habe sie inspiriert. Die Äbtissin hat neben Kunst auch Theologie und Jura studiert.
Unter ihren bisher 12 Mitschwestern, die aus unterschiedlichen Ländern wie Griechenland, Deutschland, Israel, Georgien, Russland, Zypern oder Frankreich kommen, sind Hochschulabsolventinnen der Philosophie, der Theologie oder auch der Tiermedizin. „Jede Nonne bringt sich mit ihren eigenen Gaben ins Klosterleben ein. Wir sind eine Familie, in der jeder mithilft“, erklärt Gerontissa Diodora. Schwester Louisa beispielsweise wird sich um die Bienenvölker kümmern, die bald kommen sollen. Künstlerisch und musisch begabte Schwestern werden sich um die geplante Ikonenwerkstatt und um Workshops zu byzantinischer Musik kümmern. Und auch über Angebote für Jugendliche oder junge Familien denken die Schwestern nach. Aber zunächst wollen sie „hinschauen und spüren“, was vor Ort gebraucht wird: „Wir wollen hier nicht irgendwas durchziehen, sondern schauen, warum Gott uns an diesen Ort geschickt hat“.
Gastfreundschaft „in Christo“ ist international
Ansprechbar für Besucher sind alle Schwestern, die meisten sprechen deutsch, einige lernen es gerade. „Wir können auf vielen Sprachen ins Gespräch mit unseren Gästen kommen – deutsch, englisch, französisch, griechisch, georgisch, russisch, sogar hebräisch“. Die Gebete wollen sie bald alle auf Deutsch sprechen, mit den Gesängen ist das nicht ganz so einfach, erklärt Äbtissin Diodora, „das muss sich mit der Sprachmelodie vereinen lassen, und zum Teil fehlen uns noch die Übersetzungen.“
Und als Besucher merkt man schnell, dass Gastfreundschaft „in Christo“ eine internationale Sprache ist. Das sind zum einen kleine Gesten, wenn man mit einem Lächeln empfangen wird, die Sorge um das Wohl der Gäste mit Speisen und Getränken und die Selbstverständlichkeit, mit der sie mitbeten dürfen; zum anderen ist es ein Willkommensein, das ohne Worte spürbar ist. „Weil wir glauben und leben, dass Christus im Nächsten ist. Wir erkennen Christus in jedem Besucher“, erklärt die Äbtissin im Gespräch. Ein Moment, der anrührt, weil er ernst ist. Weil es ihr und ihren Schwestern ernst ist mit dem Evangelium, mit der Botschaft von der Liebe Gottes.
Die Klausur stehe dabei nicht im Widerspruch zu Gastfreundschaft: „Die Klausur brauchen wir, um in der Ruhe Gott zu begegnen, aber das schließt nicht aus, offen zu sein, Menschen bei sich zu empfangen und willkommen zu heißen.“ Beides, sowohl Gott im Gebet als auch Menschen in Gesprächen zu begegnen sei eine große Bereicherung.
Bildergalerie
Dankbar für diesen wunderschönen Ort
Am Gedenktag des Heiligen Dionysios im vergangenen Jahr traf die Äbtissin einen Jesuitenpater. Sie erzählte ihm von ihrer Suche nach einem etwas größeren Kloster. Zu dieser Zeit waren die Nonnen noch in Hildesheim. Zu ihrer Überraschung bekam sie bereits kurz darauf die Rückmeldung, dass bald ein Kloster leerstehen würde, für das es bislang keine Interessenten gäbe. Mit Weihbischof Dr. Thomas Löhr und der Ordensreferentin der Diözese, Schwester Agnes Lanfermann, nahm die Idee dann Gestalt an: „Wir sind allen sehr dankbar. Dankbar für diesen wunderschönen Ort. Inmitten der Natur zu sein, umgeben von Wäldern und dieser Ruhe. Es ist ein großes Geschenk. Wir hatten sofort das Gefühl, hier stimmt es“, beteuert die Äbtissin, die nach wenigen Wochen in Obernhof schon angekommen zu sein scheint. Dabei helfen sicher auch die Rituale der Gemeinschaft. Neben der Arbeit gibt es feste Gebetszeiten. Vor Tagesanbruch um 4 Uhr gibt es eine erste Gebetszeit, das Mitternachtsgebet, von 7 bis 10 Uhr ist die nächste Gebetszeit mit dem Morgenlob und der „Göttlichen Liturgie“, um 17 Uhr wird die Vesper gefeiert und nach dem Abendessen steht noch eine kleine Komplet, ein Abendgebet, an.
Dieser Ort in Obernhof als Ort des Gebets und der Gastfreundschaft, über lange Zeit von den Arnsteiner Patres belebt, ist nun wieder genau das: ein Ort des Gebets und der Gastfreundschaft. Der Name allerdings ist jetzt natürlich ein anderer: Das Kloster ist benannt zu Ehren eines großen Bekenners des Glaubens und Heiligen Menschen und heißt „Heiliges Kloster Dionysios Trikkis & Stagon“.
Geistliche Väter und Glaubenszeugen
Geistliche Väter spielen in orthodoxen Klostergemeinschaften, sogenannten Koinóbien, eine große Rolle. Der aus Thessalien stammende Archimandrit Dionysios, Gründer vieler Klöster in verschiedenen Ländern, von Amerika bis Norwegen, ist beispielsweise der geistliche Vater von Äbtissin Diodora und ihrer Gemeinschaft, ihr Gerontas. Der Titel Archimandrit bedeutet Vorsteher oder Hirte einer klösterlichen Gemeinschaft.
Benannt ist das Kloster hoch über der Lahn zu Ehren des Metropoliten Dionysios Trikkis & Stagon, der während des Zweiten Weltkrieges nach Deutschland ging, um seinen Landsleuten in den Konzentrationslagern beizustehen. Obwohl er mehrfach zum Tode verurteilt wurde, überlebte er das Nazi-Regime. Hier verweist Äbtissin Diodora auf Parallelen zum Glaubenszeugnis von Alfons Spix, dem Superior der Arnsteiner Patres, der polnischen Zwangsarbeitern geholfen hatte und dafür ins KZ Dachau kam, wo er an Hunger und Entkräftung starb.
Das Ego überwinden
Die Spiritualität der zölibatär lebenden Gemeinschaft ist stark geprägt vom Gebet und den Sakramenten. Um dabei eins mit Christus zu werden, gelte es, so der Archimandrit Dionysios, das Ego zu überwinden. In einem veröffentlichen Interview erklärt er, dass es für orthodoxe Christen ein Lebensziel sei, ihren „inneren Feind“ zu überwinden. „Das Ego ist die Blüte, die aus dem Tod der Liebe hervorgeht. Töten wir die Liebe, ist das Ego das Ergebnis“, heißt es dort. Dabei sei die Versuchung groß, das eigene Ego oder materielle Güter zum Gott zu erheben. Dieser Versuchung zu widerstehen, sei ein Mysterium. Der Weg dorthin führe über die Liebe. „Liebe macht uns bereit, für die Sünden anderer zu bezahlen, so wie Christus es tat. Das ist Liebe“, heißt es. „Wir sind da, bieten uns allen an, empfangen jeden, lieben, dienen, beten für alle, sind bereit in jedem Augenblick zu sterben, und sind darin vollkommen und hundertprozentig frei. Alles dies sind Früchte der Liebe, weil wir selbst zum Quell der Liebe werden.“ Die Quintessenz dieses Interviews lässt sich vielleicht wie folgt beschreiben: Die Liebe Christi als „das A und O“, das Alpha und das Omega.
Ein Einblick in das Leben der Orthodoxen Schwestern
Das Kloster Arnstein ist eine ehemalige Prämonstratenserabtei südlich von Obernhof in der Nähe von Nassau. Im Jahr 1919 errichteten die Arnsteiner Patres im Kloster ihren ersten Konvent in Deutschland und lebten dort bis 2018.
Die Pilgerkirche ist jedoch weiterhin als solche für die Besucher geöffnet und gehört zur Pfarrei St. Martin Bad Ems/ Nassau. Auch die Wallfahrt zum Kloster Arnstein gibt es weiterhin. Alle Informationen dazu erhalten Sie im Zentralen Pfarrbüro der Pfarrei St. Martin.