Glaubenszeugnis über alle Generationen hinweg
Ein Bischof, der nach den ersten drei Tagen seiner Visitation in Wiesbaden voll des Lobes ist, engagierte Ehrenamtliche, die die 200 Gottesdienstbesucher so herzlich wie persönliche Gäste begrüßen und mit viel Abstand auf dem großen Hof der Bierstädter Grundschule platzieren, gute Musik unter Leitung von Bezirkskantor Roman Bär, dazu blauer Himmel und Sonnenschein: Beim abschließenden Pontifikalamt des bischöflichen Besuchs in der Pfarrei St. Birgid gab es am Sonntag, 30. Mai, allenthalben viel Grund für gute Laune. „Einen wunderschönen guten Morgen“ wünschte der ebenfalls sichtlich aufgeräumte Pfarrer allen Anwesenden. Mit den Worten „Vorfreude ist die schönste Freude“ ließ Frank Schindling die lange und komplizierte Warte- und Vorbereitungszeit auf die Visitation Revue passieren, die eigentlich schon für das vergangene Jahr geplant war. Dann aber „kam nicht der Bischof, es kam Corona“.
Höchste Anerkennung für das Gemeinschaftsleben
Auch das aktuelle Visitationsprogramm in St. Birgid hatte unter den Vorzeichen der Pandemie gestanden, viele Begegnungen mussten in digitale Räume verlegt werden. Immerhin konnten 90 Jugendliche in drei Gottesdiensten, ebenfalls auf dem Schulhof, gefirmt werden. Dass es bei alldem gelungen ist, Bischof Georg Bätzing einen lebendigen Einblick in den gemeindlichen Alltag zu vermitteln, daran ließ dieser im Gottesdienst keinen Zweifel. Es sei sehr deutlich zu spüren gewesen, „wie viel christliches Leben und Glaubenszeugnis in dieser Pfarrei und über alle Generationen hinweg da ist“, resümierte er gleich zu Beginn. „Ihr macht das Gesicht der Kirche jung an diesem Tag und das ist etwas Wunderbares“, sagte er in diesem Zusammenhang an die Ministranten, die Kinder und jungen Leute unter den Teilnehmern gewandt. Auch seine Predigt beschloss er mit eindrücklichen Worten der „höchsten Anerkennung für das Gemeinschaftsleben im Glauben, dass Sie hier in St. Birgid nicht nur auf die Beine stellen, sondern aus tiefster Überzeugung leben.“
Etwasismus macht sich breit
Inhaltlich stellte er den Dreifaltigkeitssonntag, „unser Gottesfest“, in den Mittelpunkt und warb dafür, diesem Hochfest mehr Aufmerksamkeit zukommen zu lassen. Umfragen zeigten, dass auch unter Christen wesentliche Glaubensaspekte in der persönlichen Bedeutung für ihr Leben schwänden. „Das christliche Gottesbild ist sehr verwaschen, sehr unpräzise geworden“, stellte er fest. „An einen personalen Gott in drei Personen, der sich uns liebevoll zuwendet, wer glaubt persönlich daran? Wer hält diesen Glauben?“ Es mache sich ein „Etwasismus“ breit: Die Menschen glaubten an „etwas“, aber nicht an einen Gott, „der sich uns gezeigt hat“. Seit jeher fragten Menschen danach, wie Gott sei. „Wenn wir diese Frage aufgeben, die sehr wohl Antwort geben können aus dem Reichtum der Offenbarung, der heiligen Schrift, würden wir sehr viel aufgeben“, betonte der Bischof. Das würde auch zeigen, „dass wir kein Gegenüber mehr haben, mit dem wir rechnen im Leben.“
Nicht mehr selbstverständlich, Christ zu sein
Als weiteren Anstoß, sich mit Gott zu beschäftigen, nannte Bätzing die Tatsache, dass das Land, ebenso wie zum Beispiel auch die Stadt Wiesbaden, nicht mehr christlich geprägt seien. „Wir bilden nicht mehr die Mehrheit“ und es sei nicht mehr selbstverständlich, Christ zu sein. Darin sieht er eine große Chance: „Wir müssen darum werben, was diesen Glauben ausmacht und dass es gut ist, sich diesem Glauben anzuschließen.“ Auch die frommen Muslime im Land seien eine „echte Herausforderung für uns Christen, wieder neu zu entdecken, an welchen Gott wir glauben.“ Auch die Griechen hätten danach gefragt, wie Gott sei. Paulus sei mit seiner Botschaft des gekreuzigten Gott in die Welt des Hellenismus hineingekommen. Anders als in der Philosophie von Aristoteles sei Gott eben nicht der größte, heiligste Egoist, in sich selbst verliebt, er sei keine Monade, sondern – „flapsig formuliert“ – in sich selbst gesellig. Er liebe die Gemeinschaft, er sei Gemeinschaft. Deswegen werde ihm an meisten entsprochen, „wenn wir zusammen kommen, Gemeinschaft schenken, Gemeinschaft aufbauen, immer offen für die Anliegen und Nöte derer, denen es nicht so gut geht wie uns, derer, die unsere Unterstützung brauchen.“
Wunderbare Dynamik in St. Birgid
Ein bewegender Moment: Erstmals nach all den Monaten durfte ein wenig gemeinsam gesungen werden. Gedämpft durch all die Masken erklang das "Gloria" als Kanon, bei dem die ganze Gottesdienstgemeinde begeistert mitmachte. Auf vielfache „Bravo-Rufe“ und Beifall stieß später das Lob aus bischöflichem Mund für Pfarrer Schindling: Sein Fahrer und Assistent habe gemeint, so erzählte der Gast aus Limburg, hier sei ganz offenbar der Pfarrer die Mitte der Gemeinde, die Nabe im Rad. Er selbst meine den Pfarrer im Plural, ergänzte der Bischof. Das Pastoralteam ebenso wie die Ehrenamtlichen mit ihrer Lebendigkeit gehörten alle zu dieser Mitte, die sich darum kümmere, dass sich das Ganze nach außen bewege und präsent sei: "eine wunderbare Dynamik“ nannte er das, und fügte dankbar hinzu, er gehe am Ende dieser drei Tage gestärkt nach Hause. Den Dank gab ihm die Gemeinde gerne zurück: Nach außen gut sichtbar mit einem Transparent, das sich perfekt an einem der Schulhoffenster entrollte, und einem mit Äpfeln und einem Original-St. Birgid-Apfelweinkrug liebevoll gefüllten Körbchen zum Mitnehmen.
Goldener Fahrradhelm für den Bischof
Das überreichte Pfarrer Schindling, der in seine Dankes-Eloge auch die vielen Mitwirkenden vor und hinter den Kulissen einschloß. Unter anderem hob er das Team um das ehrenamtlich engagierte Gemeindemitglied Thomas Hucke hervor, der seit Beginn der Corona-Zeit Video-Impulse dreht, schneidet und hochlädt und mit befreundeten Technikern an diesem Tag für die Live-Übertragung auf die Homepage der Pfarrei sorgte. "Zwei Wochen Arbeitszeit stecken schon drin", meint Hucke selbst, dem es nach eigenen Worten ein Anliegen ist, "dass wir auch in diesem Zeiten sichtbar bleiben". Für einen überraschenden Nachschlag in Sachen "lebendiges Gemeindeleben" sorgte die fitte Gruppe der Radler, die fürs Klima beim Stadtradeln mitmachen und den Bischof mal eben mit einem goldenen Helm versahen und in die Mitte nahmen. Mit einem solchen Glücksbringer kann eigentlich nichts mehr schiefgehen!