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(K)ein Widerspruch in sich

Beim Stadtkirchenfest dreht sich alles um den Heiligen Bartholomäus
(K)ein Widerspruch in sich
(K)ein Widerspruch in sich
Stadtdekan Johannes zu Eltz und Ministrant:innen stehen vor der Bartholomäus-Reliquie. © A. Zegelman / Bistum Limburg

Predigt von Pia Arnold-Rammé

beim Festgottesdienst am 27. August 2023 im Dom

Komm und sieh – diese Aufforderung des Philippus an Bartholomäus aus dem heutigen Evangelium könnte auch gut als Motto für einen Katholikentag herhalten. Wie immer bei diesen unkonkreten Aufforderungen stellt sich mir sofort die Frage: Wer soll kommen und wohin? Und was gibt es zu sehen?

Ich stelle mir vor, ich wäre heute Morgen vor dem Gottesdienst über den Römerberg gelaufen und hätte die Leute angesprochen: Komm und sieh, komm mit in den Dom, sieh wie wir Gottesdienst feiern, sieh wie wir ein Fest feiern.

Mal angenommen, Menschen wären dieser Aufforderung nachgekommen: sie sind hier, nehmen an unserem Gottesdienst teil, sehen die Reliquie, die Hirnschalke des hl. Bartholomäus, der Grund für diese Feier, hören uns zu, trinken mit uns Bier und essen Würstchen, lauschen der Musik im Dom und draußen auf dem Platz.

Zu Bier, Musik und Würstchen finden sie vermutlich schnell einen Zugang. Aber zu unserer Liturgie? Zu einer Reliquie, tausende von Jahren alt, von einem Menschen, über dem in einem genauso alten Buch ein paar Sätze stehen?  Vielleicht fänden sie es fancy, vermutlich vor allem das mit der Reliquie ist ja schon irgendwie interessant. Aber könnten sie wirklich einen Zugang bekommen? Würde es sie begeistern?

Nun, bevor ich mir weiter Gedanken mache über Menschen, die vermutlich heute sowieso nicht da sind: was bedeutet mir denn diese Feier? Warum bin ich heute hier? Warum bin ich gekommen und sehe? Komm und sieh – das ist ja nicht nur ein missionarischer Impuls, sondern zunächst einmal eine Aufforderung an mich.

Zunächst einmal stehe ich hier, weil ich die Übergangsregionenvertreterin bin - ein ganz toller Titel! Das heißt, ich habe Leitungsverantwortung für die Stadtkirche übernommen. Das habe ich gern gemacht, weil diese Stadtkirche mir sehr am Herzen liegt. Und deshalb finde ich es auch toll, heute hier zu sein, denn  der volle Dom ist für mich Ausdruck dafür, dass ich damit nicht alleine stehe. Die Stadtkirche lebt durch all die vielen Menschen, die sich in ihr engagieren als Christen und Christinnen, in ganz unterschiedlichen Bereichen und Aufgaben. Das ist klasse und allein ein  Grund zum Feiern.

Dann finde ich es auch gut, dass wir heute Liturgie miteinander feiern, nicht nur ein Fest auf dem Domplatz. Vieles von dem, was ich tue, hat aktuell mit Strukturen und Organisation von Kirche zu tun. Doch das alles sind ja eigentlich nur Hilfsmittel, Rahmenbedingungen. Es geht um das Evangelium, den Glauben an Gott und Jesus Christus. Und darum, diesen Glauben konkret zu leben und zu feiern. Das droht gerade in den Verwaltungen und synodalen Strukturen manchmal in Vergessenheit zu geraten. Deshalb ist es hilfreich und wichtig, sich das immer wieder vor Augen zu führen. Und daran erinnert uns, erinnert mich auch jeder Gottesdienst.

Und wir feiern das Bartholomäusfest, wir feiern diesen Gottesdienst auch zu Ehren des heiligen Bartholomäus, ein Jünger Jesu und der Frankfurter Stadtpatron. Von diesem Natanael Bar Tholmä – so vermutlich sein vollständiger Name - erzählt uns der heutige Evangeliumstext:  Philippus kommt zu ihm und sagt:„Wir haben den gefunden, über den Mose im Gesetz und auch die Propheten geschrieben haben: Jesus aus Nazareth, den Sohn Josefs.“ Nathanael aber bleibt skeptisch: „Aus Nazareth? Kann von dort etwas Gutes kommen?“

Der Mann ist mir sympathisch! Und obwohl er doch vor über 2000 Jahren gelebt hat, passt er in die aktuelle Zeit und in diese Stadt Frankfurt. Er ist ein sehr skeptischer, kritischer Zeitgenosse. Glaubt nicht alles, was andere ihm sagen. Hat auch seine Vorurteile „Was soll aus Nazareth schon Gutes kommen?“ Ja, die Käffer kennt man auch heute, aus denen nichts Gutes kommen kann.

Aber immerhin: er geht trotz seiner Skepsis mit Philippus. Wahrscheinlich ist er auch einfach nur neugierig, auf den Mann, der da aus Nazareth kommt und meint, er sei fruchtbar wichtig. Und dann, in der Begegnung mit Jesus, wandelt sich dieser Nathanael: vom großen Skeptiker zum großen Bekenner, wenn er am Ende der Geschichte sagt: „Rabbi, du bist der Sohn Gottes, du bist der König von Israel!“ Wie kommt es zu dieser wundersamen Wandlung? Die Begegnung mit Jesus hat ihn offensichtlich komplett überzeugt.

Jesus begrüßt ihn mit dem Satz: „Da kommt ein echter Israelit, eine Mann ohne Falschheit.“  Das ist eine sehr positive Interpretation des Geschehens, finde ich. Denn eigentlich hat Nathanael ja gerade schlecht über Jesus geredet. Und das, bevor er ihn überhaupt persönlich kennenlernte. Aber man kann das eben auch so deuten: er sagt was er denkt, er nimmt kein Blatt vor den Mund.

Und dann sagt Jesus noch: „Schon bevor dich Philippus rief, habe ich dich unter dem Feigenbaum gesehen“. Der Feigenbaum gilt als der Ort, unter dem fromme Israeliten die Bibel studieren. Jesus weiß also auch, dass Nathanael ein frommer Jude ist, einer der die Schriften studiert und vielleicht deshalb ja auch zu recht daran zweifelte, dass der Erlöser aus dem kleinen Kaff  Nazareth kommen sollte. Komm und sieh: Nathanael kommt und erlebt eine Begegnung, aber eben eine sehr besondere Begegnung: Jesus sieht vor allem auf seine Stärken, er signalisiert ihm Wertschätzung und hebt seine positiven Seiten hervor.

Ich finde: diese Geschichte ist eine von vielen wunderbaren Erzählungen, die in der Bibel stehen. Und auch dafür lohnt es sich, zu kommen und sehen, bzw. zu hören:  Ich hör mir diese Geschichten an, überlege, was sie mit meinem Leben zu tun haben und was sie für meinen Alltag bedeuten. Jesus will keine denkfaulen Mitläufer. Er will Menschen in seiner Nachfolge, die skeptisch sind, die Dinge hinterfragen, die selber denken. Die sich dann aber auch von positiven Erfahrungen beeindrucken lassen, all ihren Vorurteilen zum Trotz.

Und er nimmt Menschen so an, wie sie sind. Er nimmt auch mich so, wie ich bin. Er sieht auch bei mir eher die Stärken und guten Fähigkeiten, er nimmt mich ernst, er nimmt mich an. Solche Menschen und Orte sind keine  Selbstverständlichkeit.

In der Nachfolge Jesu zu leben bedeutet auch, einen solchen Umgang mit anderen Menschen zumindest zu versuchen: sie so zu nehmen wie sie sind. Und vor allem auf ihre Stärken und Fähigkeiten zu schauen, nicht so sehr, auf das, was nicht klappt, was schwierig ist. Gelingende Beziehungen leben genau davon. Auch wenn`s schwierig ist: diese Erzählungen aus der Bibel erinnern mich immer wieder daran, es in meinen Alltag zu versuchen: in der Familie, im Freundeskreis, mit Kollegen und Kolleginnen.  Aber auch für unsere Gemeinden und die Kirche gilt das: Menschen annehmen wie sie sind, vor allem ihre Stärken und Fähigkeiten zu sehen, sie wertzuschätzen und an alles mit einer positiven Grundhaltung ranzugehen.  Komm und sieh: auch das sollten Menschen bei mir als Christin und in unseren Gemeinschaften finden können!

Und noch etwas ist heute besonders, gehört unbedingt zu diesem Fest und unserem Gottesdienst dazu: die Reliquie des heiligen Bartholomäus, hier vor dem Altar zu sehen, ein Teil seines Schädels. Vielleicht der schwierigste Part von allem: warum verehren wir einen Knochen, dessen Echtheit vielleicht noch nicht einmal erwiesen ist?

Für mich bedeutet dieser Knochen: Real existierende Menschen haben an diesen Jesus von Nazareth geglaubt, sind ihm nachgefolgt, haben in ihrem ganz normalen Leben den Glauben bezeugt und sind sogar oft genug für ihre Überzeugungen gestorben. Es ist kein Fantasiekonstrukt, keine reine Weisheitslehre, dieser Glaube. Sondern er hat sich in der Geschichte ereignet und tut dies bis heute. Er wurde von ganz konkreten Menschen in der Geschichte bezeugt. Er existiert wirklich, in der Geschichte von Menschen, die real sind, mit Haut und Knochen. So wie es dieser Schädel des Bartholomäus demonstriert. Und das gibt mir Kraft und Stärke für mein Leben, für meinen Glauben. Ich steh nicht allein damit. Ich stehe in einer langen Kette von Menschen: sie haben immer wieder versucht, in allen Jahrhunderten, über die Zeiten hinweg, diesem Jesus von Nazareth nachzufolgen und den Glauben an Gott zu bezeugen. Jeden Tag auf Neues, ganz konkret in ihrem Alltag.

Komm und sieh – dann gibt es wirklich was zu sehen und zu hören, was das Kommen lohnt. Wir haben es in der Hand.

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