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FRANKFURT, 21.03.2022

Kirche 2.0 - wohin geht die digitale Glaubensreise?

Kann Kirche digital? Darüber waren die Referentinnen und Referenten beim Thementag „Digitale Strategien in kirchlichen Handlungsfeldern“ geteilter Meinung. Fakt ist: Es gibt bereits zahlreiche starke Digital-Projekte in Pastoral, Bildung und Sozialer Arbeit.

Kann Kirche digital? Nein, sagte der Mainzer Professor Andreas Büsch in seinem Vortrag „Kann Kirche digital? Kirchliche Positionierungen zu Digitalisierung und Digitalität“ beim Thementag „Digitale Strategien in kirchlichen Handlungsfeldern“. Zum Thementag eingeladen hatte die Katholische Akademie Rabanus Maurus in Kooperation mit dem AK Digitale Rhein Main.

Prof. Büsch machte seine These an einem kürzlich erschienen Dokument der Deutschen Bischofskonferenz fest („In der Seelsorge schlägt das Herz der Kirche, Nr. 110, vom 08.03.2022). In diesem Papier werden Worte wie digital oder Internet lediglich einmal benannt, der digitale Bezug für die Seelsorge fehle ganz, Kirche und Seelsorge als ganzheitliches und mehrdimensionales Interaktionsgeschehen sei nur „face-to-face“ möglich. Wenig Hoffnung also auf eine digitale Zukunft?

Doch, durchaus. Büsch relativierte, könne Kirche an anderen Stellen sehr wohl digital. Kirche sei online und im Internet zu finden, was er an einigen Beispielen verdeutlichte. Zudem gebe es Papiere und Arbeitshilfen des Papstes, der Deutschen Bischofskonferenz (DBK) wie auch der Evangelischen Kirche (EKD) zu sozialen Kommunikationsmitteln, zum Unterwegssein in der digitalen Medienwelt. Ziel der katholischen wie auch evangelischen Kirche sei es, eine positive und bereichernde Schnittmenge zwischen Künstlicher Intelligenz und dem gläubigen Menschen zu untersuchen und zu finden. Dabei sei Digitalisierung für die Kirche eine dreifache Herausforderung: auf funktionaler Ebene (Digitalisierung von Kommunikation), auf inhaltlicher Ebene (Transformation kirchlicher Grundvollzüge) und auf einer reflexiven Ebene.

Pastoral, Bildung und soziale Arbeit

Wichtig bei Digitalisierung, Medienbildung und ähnlichen Themenfeldern sei es, das wurde deutlich, den Menschen nicht zu vergessen. Somit ergeben sich in den kirchlichen Handlungsfeldern zahlreiche, fortlaufend sich erneuernde Aufgaben und es gilt Strategien zu erarbeiten, damit Kirche stärker digital agieren und handlungsfähig sein kann. Neben der grundlegenden Frage das Tages, ob Kirche denn überhaupt digital kann, orientierten sich die Vorträge des Thementages deshalb konkret an drei klassischen Handlungsfeldern: der Pastoral, der Bildung und der Sozialen Arbeit.

Als erstes konkretes kirchliches Handlungsfeld wurde die Pastoral in den Blick genommen. Dr. Andree Burke, stellvertretender Abteilungsleiter Pastorale Dienststelle im Erzbistum Hamburg , ging in seinem Impuls „Pastoral digital? – Eine Verhältnisbestimmung“ der Frage nach einer digitalen Pastoral und der Digitalisierung im soziokulturellen Transformationsprozess nach. Dabei blickte er auf Praktiken von Digitalisierung und Pastoral. Die Digitalisierung führe zwangsläufig zu Veränderungen in sozialen und kulturellen, wie auch in religiösen und kirchlichen Praktiken. Es stelle  sich die Frage, so Burke, ob Praktiken der Digitalisierung für pastorale Praktiken angewandt werden können.

Als digitale Praktiken nannte Bruke zum einen Informationspraktiken. Diese seien effizient, funktional, zielen auf eine gewisse Ergebnisqualität ab, förderten Kommunikation, Senden und Empfangen Informationen u.v.m. Zum anderen nannte er Profilierungs- und Singularisierungspraktiken, worunter z.B. das Internet fällt. Bei diesen Praktiken forciert digitale Technik eine Singularisierung des Sozialen, der Subjekte und Objekte. Das Profilsubjekt in digitaler Technologie singularisiert sich.

Praktiken des Unmöglichen

Pastorale Praktiken ließen sich hingegen nicht so leicht bestimmen und festsetzen, denn sie seien nach Bruke Praktiken des Unmöglichen. Sie seien als das Geben des Unmöglichen zu verstehen, dessen was nicht Handhabbar gemacht werden kann. Konkrete Beispiele sind Praktiken des Tröstens, des Ermutigens, des Sorgens oder des Vergebens. Solche Praktiken könne man nicht einfordern oder sichtbar überprüfen und verdeutlichen. Sie seien vielmehr Zusagen von etwas nicht Fassbarem – da es von einem Gegenüber, einem Anderen und von Gott komme und gegeben werde.

Diese unterschiedlichen Praktiken machen deutlich, dass eine Verhältnisbestimmung zwischen digitalen und pastoralen Praktiken nur schwer zu bestimmen ist. Gründe sind beispielweise, dass eine Praktik des Tröstens oder Sorgens, ein „einfach-da-sein“ im Digitalen nur eingeschränkt möglich ist, außerdem zielen solche Praktiken beziehungsweise zielt die Seelsorge nicht auf Informationsvermittlung, wie es die digitalen Praktiken tun, ab. Seelsorge informiert nicht. In der Pastoral geht es um etwas tieferes, was den Menschen betrifft. So stelle die Digitalisierung die Pastoral in jedem Fall vor zahlreiche Herausforderungen. Dabei kann es um neue Formen der Unsichtbarkeit des Menschlichen gehen. Es stellen sich Fragen nach einer digitalen Präsenzform der Seelsorge und wie diese möglich sein kann, wie man sich digital treffen, „einfach-da-sein“ und ansprechbar sein kann.

Auswirkung aufs ganze Leben

Trauerrednerin Birgit Janetzky aus Freiburg im Breisgau sprach über Trauer und Seelsorge im digitalen Kontext und im speziellen über die Schnittstelle zwischen Mensch, Tod und Internet. Die digitale Trauerkultur wachse und verändere den Umgang mit Tod und Sterben, sagte sie. Die Trauerbewältigung bekomme durch das Internet eine neue Aufmerksamkeit. Dabei stehe Kirche in Konkurrenz zu anderen Anbietern. Trauer und Trauerarbeit findet in unterschiedlichen Formen im Internet, auf Plattformen wie z.B. Facebook, Instagram statt, es gibt Podcast-Angebote zur Trauerbewältigung und auch eigene Trauer-Plattformen. Jedoch sei festzuhalten, dass es von kirchlicher Seite kaum solche digitalen Angebote und Online-Formate gebe.

Am späten Vormittag rückte das zweite Handlungsfeld – die Bildung – in den Blick. Hier gaben Prof. Dr. Viera Pirker, Professorin für Religionspädagogik und Mediendidaktik an der Goethe-Universität in Frankfurt, und M. Elena Gielians aus Hildesheim einen Einblick in das Netzwerk „relilab“. Relilab ist eine Lernplattform, die eine Kultur der Digitalität für Religionsunterricht und Lehrkräftebildung entwickelt. Ziel ist es, eine Vernetzung von Universität und Schule, von Studenten und Lehrkräften zu ermöglichen, um gemeinsam die Lehrkräftebildung im digitalen Kontext zu fördern. Es soll, wie Prof. Pirker betonte, ein Zueinander von Experten und Novizen ermöglicht werden, ein gemeinsames digitales Lehrkräftebilden. Vor allem zielt die Plattform darauf ab, Praxis in das theoretische Lehramtsstudium zu bringen und so eine Verbindung zwischen Uni, Studium, Studierenden und Schule, Unterrichten, Lehrkräften zu schaffen.

Gut verpackte Infos für den Religionsunterricht

Ebenfalls zum Handlungsfeld Bildung sprach Herr Martin Ramb, Schulamtsdirektor der Abteilung Religionspädagogik und Chefredakteur des Bildungsmagazins Eulenfisch, und stellte die Plattform „ru-digital“ vor. Nach dem Motto „Wer sucht, der findet“ ist ru-digital ein Medienguide für den Religionsunterricht, der es den Lehrkräften ermöglichen soll, auf einfachem Weg, ohne langes Suchen, Medien für ihren Religionsunterricht zu finden. Der Guide bietet einen planvollen Weg zu neuen Medienfeldern und soll den Lehrkräften die Mediensuche für den Religionsunterricht erleichtern. Das Projekt ru-digital bringt Lehrplaninhalte und Medien zusammen.

Nach dem Input zu den ersten beiden genannten kirchlichen Handlungsfeldern, folgte am Mittag ein Austausch zu den digitalen Bildungsangeboten in der Erwachsenenbildung wie auch der Katholischen Akademie Rabanus Maurus. Hier machte Dr. Markus Breuer, Leiter der Katholischen Erwachsenenbildung in Frankfurt, besonders deutlich, dass sich durch die Digitalisierung und ein damit einhergehendes digitales Bildungsangebot die Reichweite ihrer Bildungsarbeit, die Vernetzung von unterschiedlichen Akteuren und vor allem das Erreichen der Zielgruppen vergrößere. Durch das digitale Angebot ist der Zugang für viele Menschen leichter geworden, da sie einfach von Zuhause aus an den Angeboten teilnehmen können. Ähnliches sei auch von seitens der Katholischen Akademie festzuhalten, berichtet deren Leiter Prof. Joachim Valentin. Durch Youtube-Livestreams, Videos und Podcast zu den Veranstaltungen wurden, trotz der Pandemie, eine enorme Anzahl an Menschen erreicht; 2021 konnte die Akademie ihre Zuschauerzahlen sogar verdoppeln.

Soziale Arbeit - digital?

Am Nachmittag wurde in einem dritten Handlungsfeld der Sozialen Arbeit und Caritas durch Dr. Jürgen Holtkamp aus Dülmen der Blick auf digitale Transformationsprozesse in der sozialen Arbeit, am Beispiel der Caritas gelenkt. Zunächst machte Dr. Holtkamp deutlich, dass es einige Probleme mit der Transformation in der sozialen Arbeit gibt, wie eine Überforderung durch den technischen Fortschritt und die Digitalisierung, fehlendes Fachpersonal, fehlenden Innovationsmut. Und gleichzeitig steige der Druck zur Digitalisierung ständig an.

Fraglich bleibe, wie man die Transformation steuern könne, um Räume der Identität in der Digitalisierung zu eröffnen, um digitale Ungleichheit und Digitalisierungsdefizite zu überwinden. Eine Antwort ist nach Dr. Holtkamp Agilität. Es müsse agil gehandelt werden, man müsse flexibel sein, auf die ständigen Weiter- und Neuentwicklungen reagieren, sich der großen Komplexität des Digitalen bewusst sein und mit sich ständig ändernden Aufgaben umgehen. Am Beispiel der Caritas machte er deutlich, dass sie, als Anwältin, Aufklärungsarbeit in solchen Transformationsprozessen leisten müsse. Sie müsse eine Art Lobby- und Unterstützungsarbeit für digitale Themen und Auseinandersetzungen leisten, sodass Digital- und Innovationskompetenzen aufgebaut werden können. 

Text: Elisa Schum

Alle Videos zum Thementag „Digitale Strategien in kirchlichen Handlungsfeldern“

Samstag, 19. März 2022, Haus am Dom

Digitale Strategien in kirchlichen Handlungsfeldern

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