FRANKFURT, 29.01.2021
Kirche muss die Menschen fragen
„Kirche muss die Menschen fragen, was sie brauchen, muss also nah ran an die Sorgen und Nöte, soll zuhören, Verbindungen herstellen und ihren Beitrag leisten, um Probleme zu lösen“, sagt Gabriela von Melle. Die Pastoralreferentin der Pfarrei St. Josef sitzt mit ihrem Büro seit zwei Jahren mitten im Riederwald-Viertel und hat deshalb bereits einen guten Blick auf die Fragen, Sorgen und Hoffnungen der Menschen vor Ort. Nun hat das Bistum sie mit einer auf fünf Jahre ausgelegten Vollzeitstelle beauftragt, sich um die pastorale Innovation in St. Josef Frankfurt zu kümmern. Damit ist diese Pfarrei die dritte, der das Bistum diese Schwerpunktsetzung ermöglicht.
Gabriela von Melle soll explizit austesten, was es bedeutet, im Frankfurter Osten auf neue Weise Kirche zu sein. Also auch mal um die Ecke denken, mutig sein, gemeinsam träumen, experimentieren und lernen. Alles immer unter der Zielsetzung, die Kirche zukunftsfähig aufzustellen, indem sie auf alle Menschen zugeht, die im Viertel leben, nicht nur auf die, die zum Gottesdienst kommen. „Dynamische Stelle Kirchenentwicklung“ heißt das Ganze offiziell – und im diversen Pfarreigebiet von St. Josef bedeutet es nichts anderes, als durch eine gestärkte Ökumene als Christinnen und Christen im Quartier präsent zu bleiben und gemeinsam mit den umliegenden Gemeinden zum Wohl der Bewohnerinnen und Bewohner zu kooperieren.
Christen in der Minderheit
Was kann das am Beispiel des Riederwalds bedeuten? Dort sind die Christen, egal ob katholisch oder evangelisch, in der Minderheit. Ein harter Brocken, hier kirchlich zu wirken – doch genau das reizte Gabriela von Melle, die vorher lange sozialpastoral im Main-Taunus-Kreis gearbeitet hat, vor zwei Jahren zum Wechsel und motiviert sie auch jetzt, die kommenden fünf Jahre effektiv zu nutzen.
„In St. Josef ist etwas in Bewegung gekommen, das gefällt mir“, sagt sie. Dazu kommt, dass die 61-Jährige, die in Frankfurt geboren wurde und in Bad Vilbel lebt, beste Erfahrungen in ökumenischer Zusammenarbeit gemacht hat. So ist zum Beispiel ein Aspekt des ökumenischen Projekts Frankfurt Ost der Einzug der Evangelischen Philippusgemeinde in die Unterkirche von Heilig Geist. Darauf bereiten sich beide Gemeinden derzeit intensiv vor – und beziehen in die Überlegungen den Stadtteil mit ein.
Viele Ideen, viele Gedanken
Leider hat Corona das motivierte Team vorübergehend ausgebremst; eine umfassende Ideenwerkstatt musste erst verschoben werden und wird nun virtuell stattfinden. Trotzdem gibt es schon jede Menge Gedanken zum Umbau des Souterrain-Geschosses – auch solche, die gerade wegen Corona noch einmal neu gedacht werden. „Das ist ja aber auch die Grundlage von Kirchenentwicklung: Zu schauen, was ermöglicht mir dieser Moment?“, so Gabriela von Melle. Ein teilbarer großer Saal, Raum für Musikunterricht, Büros – wie teuer die Sanierung für die ökumenischen Partner wird, ist noch unklar. Doch den Zeitplan hat die motivierte Projektkoordinatorin sich schon gesetzt: Der Umbau soll innerhalb der Fünf-Jahres-Frist abgeschlossen sein. Noch vor Ende des vergangenen Jahres hat sich der Pfarrgemeinderat von St. Josef inhaltlich dafür ausgesprochen, bald soll die Projektidee auch der evangelischen Stadtsynode vorgelegt werden.
„Die gemeinsame Neugestaltung der Unterkiche ist unsere Chance, den Gemeinden und zugleich dem Stadtteil etwas Gutes zu tun“, sagt Gabriela von Melle. „Deshalb möchte ich, dass wir nicht zu klein und mutlos denken.“ Aktuell laufen die gemeinsamen Aktivitäten unter dem Titel „Ökumenisches Projekt Frankfurt-Ost“, doch die Pastoralreferentin wünscht sich einen griffigeren Titel, der auch die Menschen anspricht und ins Boot holt. Wichtig: „Dazu gehört auch Fechenheim, vielleicht werden wir dort ebenfalls einen gemeinsamen katholischen und evangelischen Anlaufpunkt im Viertel entwickeln“, erklärt sie. Ob Kirche oder Ladenlokal – wer weiß.
Auf die Bedarfe des Stadtteils schauen
Nun liegt der Fokus jedoch zunächst auf dem Riederwald. Gabriela von Melle unterstreicht: „Wir möchten nicht nur ein Haus für zwei Gemeinden bauen, sondern auch auf die Bedarfe des Stadtteils schauen.“ Sie träumt zum Beispiel von einer Küche, in der Menschen aus dem Stadtteil gemeinsam kochen können, oder einem wechselseitig ökumenisch besetzten Anlaufpunkt für alle. Ein Musikprojekt wäre denkbar – und auch die Seminarräume sollen allen offenstehen, die Interesse haben, dem weltlichen Spielkreis genauso wie der Familie, die in den eigenen vier Wänden keinen Platz für den Kindergeburtstag hat. „Uns geht es darum, den Menschen zu zeigen: Ihr seid wichtig für uns.“
Gerne würde sie auch eine muttersprachliche Gemeinde in der Kirche willkommen heißen. Eine interreligiöse Zusammenarbeit ist zwar derzeit noch nicht geplant, aber langfristig erwünscht. Für solche mutigen Gedanken ist die pastorale Innovation ja schließlich da. „Ich würde mich freuen, wenn wir mit unseren Erfahrungen auch andere Gemeinden ermutigen könnten, neue Wege zu gehen“, sagt Gabriela von Melle.