Liebeserklärung an Europa
Prominente Gäste, ungewöhnliche Veranstaltungsorte und ein großes Herz für Europa: Martin W. Ramb und Holger Zaborowski haben vor zehn Jahren die Gesprächs- und Veranstaltungsreihe „Denkbares“ gegründet. Im Interview spricht Ramb darüber, wie er mit dem Format die Lust am Lesen, Denken und Sprechen über Literatur, Theologie und Philosophie wecken will.
Was hat es mit dem Themenschwerpunkt Europa auf sich?
Martin W. Ramb: Unsere Formate und Gäste haben immer wieder Europa zum Thema. Das zieht sich wie ein roter Faden durch die vergangenen zehn Jahre und ist – aus gutem Grund – ein Leitthema. Angelehnt an die Themen des Kultursommers Rheinland-Pfalz haben wir die geistigen „Koordinaten Europas“ beleuchtet, die Wurzeln freigelegt und in die Zukunft geblickt. Freiheit, Verantwortung, Solidarität und Heimat sind zentrale Begriffe. Dabei wollen wir Lust auf Europa und auf ein Leben als Europäerin und Europäer wecken und den geistigen Grundwasserspiegel dieses fantastischen Kontinents lebendig halten.
Was war für Sie – gemeinsam mit Holger Zaborowski – der Anstoß für dieses Format und wie genau kann man sich eine Veranstaltung vorstellen?
Ramb: Wir hatten die Idee, dass wir kluge Köpfe, kluge Bücher mit unserem klugen Publikum „zusammenbringen“ – und das nicht an unseren kirchlichen Veranstaltungsorten, sondern an anderen und ungewöhnlichen Orten. Man könnte vielleicht neudeutsch sagen, wir wollten „raus aus der Blase“. Deshalb finden unsere Veranstaltungen zum Beispiel in einer Fabrikhalle, einem Keramikmuseum, in einer privaten Kunstsammlung oder in einem italienischen Supermercato statt.
Bei unseren Veranstaltungen ist der Name Programm: Wir machen ein Denk-Angebot. Wir setzen Impulse, wollen mit Tiefgang neugierig machen und kauen nichts Vorgefertigtes vor. Es entsteht so immer wieder ein spannender Austausch mit unseren Gästen und dem Publikum. Auch gehen wir mit bekannten Autoren in Schulen und wecken so die Lust am Lesen und am Denken und Sprechen über Literatur und Welt.
Nicht zuletzt verstehen wir Denkbares als Festival. Wir feiern also gern das Denken über Gott und die Welt. Die Begegnung mit Menschen steht bei uns im Zentrum. Dabei darf es bewusst kurzweilig und unterhaltsam sein. Und auf keinen Fall elitär. Wir haben in den Jahren die Erfahrung gemacht, dass unsere Gäste Freude haben, sich mit anspruchsvollen Fragestellungen auseinanderzusetzen.
An was erinnern Sie sich besonders gerne und warum?
Ramb: An eine Veranstaltung mit der Politikwissenschaftlerin und Grande Dame der SPD Gesine Schwan und dem Landtagspräsidenten Henrik Hering. Das Publikum war hin und weg von der Klugheit und Gelassenheit der beiden Gesprächspartner. Uneitel, locker und humorvoll im Gespräch, da ist der Funke aufs Publikum übergesprungen. Der Abend war kurzweilig und, um zurück auf den Anfang des Interviews zu kommen: Gesine Schwan ist auch eine überzeugte Europäerin und hat die Relevanz dieses Themas, auch für unsere Demokratie, sehr anschaulich darstellen können. Musikalisch umrahmt wurde der Abend von Schülern des Landesmusikgymnasiums Montabaur. So perfekt ist es aber natürlich nicht immer, ich erinnere mich auch an eine Veranstaltung, die das Gegenteil war, aber da nenne ich natürlich jetzt keine Namen. Das ist aber wirklich die Ausnahme, insgesamt haben wir phantastische Gäste aus Politik, Kultur und Kirche. Und eine Denkbares-Veranstaltung mit Arnold Stadler und Hans-Josef Ortheil ist sogar in dem neusten Roman Stadlers literarisch verarbeitet worden; „Irgendwo. Aber am Meer“ heißt der Titel des Buchs.
Das heißt, die Veranstaltungen richten sich an verschiedene Altersgruppen?
Ramb: Ja, das ist uns sehr wichtig, ich erwähnte gerade auch die Schulen: Die Zusammenarbeit mit Schulen und Universitäten ist gesetzt. Wir wollen aber immer ein Angebot für Jugendliche und Erwachsene machen. Denkbares ist intergenerationell. Wir wollen also nicht partout die Jüngeren ansprechen, sondern alle. Und um beispielsweise ältere Menschen, die nicht mehr mobil sind, weiter als Gäste begrüßen zu dürfen, denken wir aktuell über einen Fahrdienst in Kooperation mit den Kommunen vor Ort nach. Das ist gerade im ländlichen Raum eine Idee, die man weiterverfolgen sollte. Auch achten wir schon bei der Wahl der Locations darauf, dass die Veranstaltungsorte barrierefrei sind. Wir wollen niemanden ausschließen. Ein weiterer Faktor ist der Eintritt: Aus Kostengründen soll keiner am Besuch von Denkbares gehindert werden. Daher ist der Eintritt zu den meisten unserer Veranstaltungen gratis.
Wie geht es mit Denkbares weiter oder was wünschen Sie sich? Haben Sie Ideen für die Zukunft?
Ramb: Das Schöne an Ideen ist ja, dass sie nie ausgehen. Wir entwickeln unser Format immer weiter, setzen neue Akzente und haben beispielsweise mit der Einrichtung einer einwöchigen Sommerakademie in europäischen Städten seit fünf Jahren ein weiteres Highlight im Programm. In diesem Jahr geht es bei der Sommerakademie, die sich an junge Erwachsene bis 35 Jahre richtet, nach Prag. Dort wird Kultur und Bildung in europäischer Perspektive im Zentrum stehen. Wir waren auch schon in Salzburg oder in Gent. Es gibt im Übrigen noch einige wenige freie Plätze. Ein Blick in unser Programmheft lohnt sich – digital oder analog!
Fotoband zu 10 Jahre DENKBARES
Anfang Oktober geht das philosophisch-theologische Veranstaltungsformats DENKBARES für diese Saison zu Ende. Alle Verantaltungen bis dahin gibt es online unter denkbares.org. Anlässlich des zehnjährigen Jubiläums ist auch ein Fotoband erschienen.
HINTERGRUND:
DENKBARES® als im Wesentlichen ortsunabhängige Veranstaltungsplattform agiert vornehmlich im ländlichen Raum. Martin W. Ramb vom Bistum Limburg und Prof. Dr. Dr. Holger Zaborowski von der Universität Erfurt sind die Begründer der philosophisch-literarischen Gesprächsreihe DENKBARES. Der Theologe und der Philosoph sind mit der Gesprächsreihe offizieller Partner des rheinland-pfälzischen Kultursommers und Kooperationspartner der Katholischen Erwachsenenbildung im Bistum Limburg (KEB). Das aktuelle Programm uns weitere Informationen gibt es unter: www.denkbares.org