Mit Segen, Fantasie und einem langen Atem
Ein Amt ohne Schablone – das haben Christiane Moser-Eggs und Michael Thurn im Mai als erste Leitungsdoppelspitze der katholischen Stadtkirche übernommen. Am Sonntag sind sie im Rahmen des Festgottesdienstes zum Stadtkirchenfest von Bischof Georg Bätzing offiziell in ihr Amt eingeführt worden. „Wir lassen uns ein auf ein Leitungsmodell, das in der Kirche völlig unüblich ist“, sagte Christiane Moser-Eggs, nachdem der Bischof das Leitungsteam gesegnet und beglückwünscht hatte. „Wenn wir uns wünschen, was andere über uns und unser Wirken sagen mögen, so wäre das, dass wir vermitteln ermöglichen und vorangehen, wenn es nötig ist.“ Michael Thurn fügte an: „Wir sind getragen von der Überzeugung, dass unser Frankfurt gottesvoll ist. Mit euch und Ihnen zusammen möchten wir herausfinden, wo wir Gott finden können und wo Orte seiner heilenden Gegenwart in Frankfurt sind. Wir sind sicher, dass wir von Menschen in unserer Stadt viel lernen für das Christsein und für die Kirche von morgen. Lassen wir uns überraschen!“
Fast zwei Stunden dauerte der Festgottesdienst im Dom, der in anderen Jahren vor allem der Verehrung der Bartholomäusreliquie gewidmet ist und den Auftakt zu einem ganzen Festtag auf dem Domplatz bildet, an dessen Ende traditionell die Bartholomäusplakette für besonderes ehrenamtliches Engagement verliehen wird. Diesmal handelte es sich um ein „Stadtkirchenfest plus“, erklärte Marianne Brandt, Vorsitzende des Stadtsynodalrats, in ihrer Begrüßung. Denn neben den gewohnten Elementen – Reliquienverehrung, Wallfahrten per Schiff, Fahrrad oder zu Fuß und Fest – markierte der Tag das letzte offizielle Kapitel im Übergang der Stadtkirche von einem Stadtdekan-geleiteten Bezirk zu einer Region mit gewähltem Leitungsteam. Dieser Übergang ist Teil einer Strukturveränderung des Bistums Limburg, das sich seit diesem Jahr in nunmehr fünf Regionen gliedert.
Beistand von oben schadet nicht
Herzstück des Festgottesdienstes war die feierliche Einführung von Christiane Moser-Eggs und Michael Thurn als neues Leitungsteam der Stadtkirche. Gottes Segen, Fantasie und einen langen Atem – das wünschte Bischof Georg Bätzing der Doppelspitze. Ein bisschen Beistand von oben können Christiane Moser-Eggs und Michael Thurn durchaus gebrauchen, immerhin ist es keine kleine Aufgabe, die beide übernommen haben, als sie im April vom Stadtsynodalrat zur Nachfolge von Stadtdekan Dr. Johannes zu Eltz und Pia Arnold-Rammé gewählt worden sind. Der Stadtkirche Frankfurt gehören neun Pfarreien neuen Typs, 25 Gemeinden anderer Muttersprache sowie zahlreiche katholische Einrichtungen an, sechs davon sind ihr auch organisatorisch zugeordnet. Aktuell gibt es rund 120.000 Katholikinnen und Katholiken in Frankfurt, die fast ein Viertel der Katholik:innen im Bistum Limburg (520.023) ausmachen.
Vielfalt sichtbar machen
„Nicht Abgrenzung, sondern Zusammenwirken; nicht Kirchturmdenken, sondern tätige Grenzüberschreitung auf das, was die Menschen brauchen, um friedlich und würdevoll ihr Leben zu leben. Das gibt die Richtung vor, der wir als Stadtkirche in Frankfurt mit all unseren Einrichtungen, Ressourcen und engagierten Menschen dienen wollen“, sagte Bischof Bätzing in seiner Predigt (unten als PDF). Beim Festgottesdienst gelang es gut, die Vielfalt der Stadtkirche sichtbar zu machen. Wie immer waren im Chrogestühl zahlreiche Vertreterinnen und Vertreter aus den katholischen Einrichtungen dabei, Frankfurter Priester waren ebenso eingebunden wie die Leitungen der sechs Einrichtungen, die neu zur Stadtkirche gehören. Es gab Musik vom Collegium Vocale Liebfrauen, den Frankfurter Dombläsern, Kantorin Ute Riemer sowie Dommusikdirektor Andreas Boltz und Regionalkantor Peter Reulein.
Oberbürgermeister Mike Josef gratulierte der neu ins Amt eingeführten Leitung der Stadtkirche, die er als wichtigen Partner und tief verwurzelt in der Frankfurter Stadtgesellschaft bezeichnete. „Der heutige Tag ist mehr als eine Formalität, er soll Kraft und Hoffnung geben, und die brauchen wir“, sagte er. Angesichts von Krieg, Gewalt, Terror, Klimasorgen und sozialer Ungerechtigkeit hätten viele Menschen das Gefühl, dass die Welt ziemlich ins Ungleichgewicht geraten wäre. „Aber gerade in Krisenzeiten sind wir aufgerufen, uns zu engagieren und einzubringen.“ In Frankfurt sei die Diskussion lebendig und auf einem guten Weg, das zeige sich auch am Rat der Religionen, in dem in Frankfurt seit 15 Jahren Religionen im Dialog sind. Die Stadt und der Staat seien angewiesen auf die sinnstiftende Kraft der Religionen. Das zeigt sich auch an einem Vergleich Josefs: „Jede Woche gehen mehr Menschen in die Kirchen als in die Fußballstadien.“
Evangelischer Stadtdekan trifft den Nerv
Der Evangelische Stadtdekan Holger Kamlah sorgte mit seinem Grußwort für zustimmendes Schmunzeln. „Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie“, begann Kamlah, „dass ich heute als evangelischer Stadtdekan das Grußwort zur Einführung der katholischen Doppelspitze der Stadtkirche halte. Wir haben uns ja als Protestanten in aller bewährten ökumenischen Zusammenarbeit immer etwas darauf gehalten, dass wir doch die weniger hierarchische und demokratische Variante sind. Und jetzt führt Ihr die Doppelspitze ein und verabschiedet Euch vom Leitungsprimat des priesterlichen Amtes. So geraten Gewissheiten durcheinander. Alle Achtung, kann ich da nur sagen.“ Er habe großen Respekt davor, wie die selbstkritischen Einsichten der vergangenen Jahre in der katholischen Kirche ernstgenommen und mutig strukturelle Konsequenzen gezogen würden, sagte Kamlah: „Das steht bei uns in der evangelischen Kirche noch einiges bevor. Die Aufgaben sind andere, aber nicht weniger grundsätzlich.“
Darauf nahm auch Michael Thurn im gemeinsamen Wort der Doppelspitze Bezug: „Uns ist sehr klar, dass der massive Vertrauensverlust und der Rückgang von Ressourcen uns in der Stadtkirche in den nächsten Jahren sehr herausfordern wird. Das wird uns ab morgen wieder beschäftigen. Für heute freuen wir uns riesig, mit euch und Ihnen allen hier zu sein und im Dom und davor zusammen zu feiern.“
Musik, Grillwurst und wertvolle Infos
Auf dem Domplatz erwartete die Besucher Livemusik, Getränke, Kuchen und Gegrilltes – und verschiedene Stände kirchlicher und sozialer Gruppen. Beate Herman-Thel und weitere Mitglieder des Eine-Welt-Netzwerks informierten unter anderem über Oikocredit, die mit genossenschaftlichen Geldern die Armut im globalen Süden bekämpfen will. Anhand einer Weltkarte und Beuteln voller zerschredderter Geldscheine zeigte sie auf, wie ungleich Reichtum verteilt ist – und kam so mit Besucherinnen und Besuchern des Festes ins Gespräch über Geld und zum Beispiel auch private Rücklagen.
Auch am Nachbarstand ging es darum, Armut zu bekämpfen. Die Vietnam-Hilfe Direkt (www.vietnam-direkthilfe.de) verkaufte hier gehäkelte Spielzeuge, Perlenohrringe und Kerzen für Behinderte, Waisenkinder und Leprakranke in Vietnam. Die Gruppe ist angesiedelt in der Wiesbadener Pfarrei St. Birgid und aufgrund einer gewachsenen Verbindung mit Dompfarrer Johannes zu Eltz, erst Stadtdekan von Wiesbaden und bis später von Frankfurt, beim Stadtkirchenfest dabei. Teresa Dinh, Andrea Mayer und Bernhard Reinke besetzten den Stand und freuten sich über interessante Gespräche. Um die ging es auch Jörg Heuser vom Projekt Ankerplatz-ffm (www.ankerplatz-ffm.de), der seinen Stand vor dem Haus am Dom aufgebaut hatte. Er arbeitet im Team der Stadtkirche für den Themenbereich Kirche in der Arbeitswelt und informierte über Angebote wie die von ihm organisierten Social Days (der Nächste findet am 21. September statt), das Sommerfest für Berufstätige am 13. September oder seinen Spirituellen Segentörn auf dem Ijsselmeer, von dem er gerade zurückgekehrt ist und der auch im kommenden Jahr wieder stattfinden soll.
Bartholomäusplakette verliehen
Zum Abschluss des Festtages wurde im Dom noch die Bartholomäusplakette an zwei besonders engagierte Ehrenamtliche vergeben: Peter Deutsch und Barbara Kuhn. Deutsch erhielt sie für sein jahrzehntelanges Engagement, er konzipierte unter anderem 2016 gemeinsam mit dem Caritasverband und den Nassauischen Heimstätten die bis heute stark nachgefragte Allgemeine Sozialberatung. Neben der Allgemeinen Sozialberatung gehört auch das nachbarschaftliche Hilfenetz der Caritas in Sachsenhausen zu seinen Herzensprojekten, ebenso wie viele weitere Projekte in seiner Heimatpfarrei St. Bonifatius. „Nie hätte ich damit gerechnet, die Bartholomäusplakette zu erhalten für Dienste, die ich als selbstverständlich erachte“, sagte Deutsch, der hörbar bewegt seiner Pfarrei und seiner Kirche in Frankfurt und Limburg dankte. Er nehme die Ehrung stellvertretend für alle entgegen, die mit ihm arbeiteten. „Gerade heute ist es wichtig, das Gesicht einer jesuanischen Kirche sichtbar zu machen“, lautet sein Credo: „Dafür lohnt es sich, sich einzusetzen.“
Mit Peter Deutsch gemeinsam ausgezeichnet wurde in diesem Jahr Barbara Kuhn, die vom Malteser Hilfsdienst e.V. Frankfurt vorgeschlagen wurde. Sie engagiert sich seit 2006 für den Malteser Hilfsdienst Frankfurt als ehrenamtliche Projektleiterin des Malteser Social Day. Bei dem einmal im Jahr stattfindenden Malteser Social Day engagieren sich jährlich zwischen 500 und 1000 Helfende für Frankfurts Senioren und Seniorinnen, für Jugendliche und Kinder, für Wohnsitzlose, Suchtkranke und auch für Einsame und Arme. Die Helfenden kommen in Teams aus (Frankfurter) Unternehmen und setzen in sozialen Einrichtungen unterschiedlichste Projekte um. Kuhn bekannte in ihrer Dankesrede, dass sie aufgeregt sei, habe sie doch nicht damit gerechnet, für ihre Arbeit, die sie leidenschaftlich gerne verrichtet, geehrt zu werden. „Es erfüllt mich mit Stolz und Freude, ich hätte aber nichts ohne die vielen Menschen geschafft, die mit mir arbeiten“, so Kuhn, die die Gelegenheit nutzte, für die zahlreichen Projekte zu werben, in denen man sich bei den Maltesern ehrenamtlich engagieren kann. „Es ist ein bunter Korb an Möglichkeiten – und wir brauchen immer Helfer, um diesen bunten Korb zu füllen.“