LIMBURG, 01.10.2024
Schalom, Frieden für alle
„Wir wollen zusammen in Frieden leben – Schalom!“ Diesen Wunsch hat Inge Auerbacher den etwa 230 Schülerinnen und Schülern am Montag, 30. September 2024, mitgegeben. Im Rahmen der Limburger Zeitzeugenwoche begegneten die Schülerinnen und Schüler aus Limburg und Königstein vier Holocaust-Überlebenden. Anna Janowska-Cioncka, Anna Pliszka, Inge Auerbacher und Leon Weintraub schilderten ihre persönlichen Erfahrungen zur Zeit des Zweiten Weltkriegs und sprachen Themen wie Menschlichkeit, Freiheit und Hoffnung in schweren Zeiten an.
Es geht um Menschenleben
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„Wenn man von den Zeitzeugen hört, dass sechs Millionen Jüdinnen und Juden nicht ums Leben gekommen wären, wenn die Welt schneller reagiert hätte, dann spürt man eine viel stärkere Verbindung, als wenn man das im Schulbuch liest“, zeigt sich Jee-In von der Bischof-Neumann-Schule berührt vom persönlichen Bericht von Anna Janowska-Cioncka. Die Zeitzeugin erzählte den Schülerinnen und Schülern davon, dass manche Menschen grausam zu ihr waren, andere hingegen gut. Bis heute sei sie den Menschen dankbar, die sie damals geschützt hatten. „Es hat mich beeindruckt, wie mutig Menschen sein können. Man hat total gemerkt, dass es nicht nur um historische Ereignisse geht, sondern wirklich um Menschenleben“, sagte die 17-jährige Calliope.
Voneinander lernen
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„Inge Auerbacher hat gesagt, dass alle Menschen gleich sind und dass man in Frieden und ohne Vorurteile miteinander leben soll. Das finde ich wichtig zu hören, vor allem in der heutigen Zeit“, so Heidi von der Bischof-Neumann-Schule. Auerbacher zeigte den Schülerinnen und Schülern Fotos: von ihrem Geburtshaus, der Synagoge und ihrer Puppe Marlene. Die Puppe, benannt nach Marlene Dietrich, begleitete Inge Auerbacher sogar durch die Zeit im Konzentrationslager Theresienstadt. Auerbacher zeigte auch einen originalen gelben Stern, den damals alle Jüdinnen und Juden ab sechs Jahren auf ihrer Kleidung tragen mussten. Die Zeitzeugin beantwortete Fragen der Schülerinnen und Schüler, wie zum Beispiel, ob sie den Nationalsozialisten und den Mitläufern vergeben kann. „Vergeben kann ich nicht, das kann nur Gott. Viele haben auch aus Angst weggeschaut“, so Auerbacher. Wichtig sei, die Geschehnisse nicht zu vergessen und davon zu lernen. Man brauche auch Herzensbildung, ist sich die Zeitzeugin sicher. Sie wanderte nach dem Zweiten Weltkrieg in die USA aus und lebt heute in New York in unmittelbarer Nachbarschaft mit einer hinduistischen Familie: „Ich war bei deren Festen im Tempel. Sie waren mit mir in der Synagoge. Menschen kennenlernen und befreundet werden, das ist so wichtig. Habt keine Angst, wir sind alle Menschen.“
Wir sind alle Menschen
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„Es geht darum, dass wir als Menschen zusammenleben. Wir sind alle gleich. Wenn das heute ins Herz gedrungen ist, geht das wahrscheinlich nicht mehr raus“, sagte Marc Fachinger, Organisator der Zeitzeugenwoche. Fachinger leitet das Projekt Zeitzeugen im Bistum Limburg und zeigte sich beeindruckt von der klaren Botschaft, die Leon Weintraub den Schülerinnen und Schülern mitgab: Menschlichkeit. Der 98-jährige Zeitzeuge, der mehrere Deportationen in Konzentrationslager überstand, trat am Montagvormittag über Zoom aus Stockholm mit den Schülerinnen und Schülern in Kontakt. „Dieser Mensch hat eine unglaubliche Präsenz ausgestrahlt. Er war praktisch anwesend im Raum“, beschreibt Fachinger die Atmosphäre. Der Zeitzeuge berichtete den Anwesenden von seinen Erinnerungen, als er in einem Güterwagen eingepfercht an einen ihm unbekannten Ort gebracht wurde, vom Gestank im Zug, wie grob mit ihm umgegangen wurde. „Einmal sollte er bestraft werden und 20 Schläge bekommen, wurde aber schon nach acht ohnmächtig. Das ist ein Detail, das mir im Kopf bleibt“, sagte David von der Friedrich-Dessauer-Schule Limburg.
Begegnungen fürs Leben
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Dass sie die Schülerinnen und Schüler mit ihren Erlebnissen berühren konnte, ist sich auch Anna Pliszka sicher. Die Erlebnisse aus der Kindheit immer und immer wieder zu teilen, koste Pliszka zwar Überwindung, aber sie sehe, wie wichtig es ist, das Wissen und die Botschaft von Hoffnung an die nächsten Generationen weiterzugeben. „Das war heute eine Erfahrung, die man wahrscheinlich nur einmal machen wird, weil es nicht mehr so viele Zeitzeugen gibt, die das, was damals passiert ist, bestätigen können. Wir hatten heute die Möglichkeit, das aus erster Hand zu hören“, schätzte Paul von der Bischof-Neumann-Schule die Begegnung mit den Holocaust-Überlebenden ein.
Am Donnerstag, 3. Oktober 2024, ist von 16 bis 17.30 Uhr im Limburger Priesterseminar für alle Interessierten die Gelegenheit, mit den Zeitzeuginnen Inge Auerbacher, Anna Janowska-Cioncka, Henriette Kretz, Anna Pliszka und Dr. Boris Zabarko ins Gespräch zu kommen und ihre bewegenden Lebensgeschichten zu hören. Die Veranstaltung wird zusätzlich im Livestream übertragen: https://www.youtube.com/watch?v=ngPri1r4Nhg
Im Rahmen der Limburger Zeitzeugenwoche von Sonntag, 29. September, bis Samstag, 5. Oktober 2024, begegnen etwa 1000 Schülerinnen und Schüler aus Limburg und Umgebung Überlebenden von NS-Herrschaft und Shoah. Im Mittelpunkt stehen Themen wie Versöhnung, Menschlichkeit, Hoffnung in dunklen Zeiten sowie die unantastbare Würde des Menschen.