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LIMBURG, 20.11.2019

Sexueller Missbrauch wurde vertuscht

Zum Vorwurf der Vertuschung von sexuellem Missbrauch: Bistum veröffentlicht Abschlussbericht und Erklärungen.

Sexueller Missbrauch wurde im Bistum Limburg vertuscht. Das ist das Ergebnis einer externen Aufklärung des Juristen Ralph Gatzka. Im Auftrag des Bischofs hat der frühere Limburger Landgerichtspräsident den Vorwurf der Vertuschung eines Betroffenen geprüft, der sich im vergangenen Jahr an das Erzbistum Bamberg gewandt und den Missbrauch durch einen Priester des Bistums Limburg öffentlich gemacht hatte. Die Ergebnisse der juristischen Untersuchung hat Gatzka in einem Bericht zusammengefasst, der unter diesem Bericht angefügt ist. Zudem hat die Diözese persönliche Erklärungen von Altbischof Dr. Franz Kamphaus und vom ehemaligen Personaldezernenten Helmut Wanka veröffentlicht. 

Kirchenstrafrechtliche Wertung wurde vereitelt

Den Erkenntnissen des Juristen zufolge offenbarte sich das Opfer 1997 erstmals einer Vertrauensperson, die den beschuldigten Priester aufforderte, seine Taten einzugestehen, sich aus der Pfarrseelsorge zurückzuziehen und sich seinen Vorgesetzten gegenüber zu erklären. Dies habe zu zwei Besuchen des damaligen Personaldezernenten im Haus der Vertrauensperson und zu Gesprächen mit dem Opfer geführt. „Den glaubhaften Angaben des Opfers und von Frau Dr. T. zufolge waren Gegenstand dieser Gespräche zum einen das Bemühen um eine Vermittlung eines Therapieplatzes für das Missbrauchsopfer bei einem anerkannten Psychotherapeuten und zum anderen die Durchführung einer psychotherapeutischen Behandlung des Priesters im Rahmen eines mehrmonatigen Aufenthalts im Recollectiohaus Münsterschwarzach“, schreibt Gatzka in seinem Bericht. Außerdem habe der Personalverantwortliche versucht, ein „Absehen des Opfers von einer Strafanzeige gegen den Priester zu erreichen“. Dies ist gelungen, denn das Opfer stellte keine Strafanzeige. Auch das Bistum habe die staatlichen Ermittlungsbehörden nicht eingeschaltet. Zu dieser Zeit habe es die kirchliche Selbstverpflichtung zur Weitergabe von Informationen an die staatlichen Strafverfolgungsbehörden noch nicht gegeben. Gatzka stellt fest, dass die Strafverfolgungsverjährung zu diesem Zeitpunkt noch nicht eingetreten war und eine Einleitung einer kirchenstrafrechtlichen Voruntersuchung nicht veranlasst worden sei. Dadurch sei im Ergebnis die damalige kirchenstrafrechtliche Wertung der Handlungen des Priesters vereitelt worden. 

Keinerlei Hinweise in der Personalakte

„Die Personalakte des Priesters enthält keinen Hinweis auf den erhobenen Vorwurf des sexuellen Missbrauchs und die vor diesem Hintergrund geführten Gespräche, die zumindest in Form eines Aktenvermerks hätten dokumentiert sein müssen. Dass die Bistumsspitze, also Bischof und Generalvikar, informiert worden wären, lässt sich der Personalakte nicht entnehmen“, so Ralph Gatzka. Ebenso ließen sich aus keinen sonstigen schriftlichen Unterlagen des Bistums Kenntnis eines sexuellen Missbrauchs entnehmen. „Das Fehlen jeglicher schriftlicher Hinweise in der Personalakte des Priesters auf die Tatvorwürfe und die sich anschließenden Gespräche, die allesamt nicht in den Räumen des Bistums geführt wurden, die Nichterwähnung des Aufenthalts in Münsterschwarzach und die dortige therapeutische Behandlung legen nahe, dass der Personaldezernent agiert hat, ohne seine Vorgesetzten zu unterrichten, und das Geschehen bistumsintern nicht publiziert wurde“, schreibt Gatzka.  

Nach einem Aufenthalt im Recollectiohaus und einer Therapie sei der Priester wieder an alter Wirkungsstätte eingesetzt worden, ohne dass Vorkehrungen getroffen wurden, um der Wiederholung von Missbrauchstaten entgegenzuwirken. Der Priester habe keinerlei Auflagen erhalten, und es habe keine Hinweise über die Missbrauchsvorfälle an seine direkten Vorgesetzten gegeben. Die Vorwürfe seien auch beim Wohnortswechsel und bei der Versetzung in eine andere Diözese unerwähnt geblieben. 

Personaldezernent Wanka: „Ich bedauere zutiefst“

In einer persönlichen Erklärung bedauert der langjährige und damals verantwortliche Personaldezernent Prälat Helmut Wanka seine schwerwiegenden Fehler und entschuldigt sich beim Betroffenen. Er schreibt: „Ich bedauere zutiefst, dass ich schwerwiegende Fehler in der Wahrnehmung und anschließenden Einschätzung eines nun feststehenden schweren sexuellen Missbrauchs an Herrn Moritz durch seinen Pflegevater Pfarrer B. gemacht habe. Ich bitte vorrangig und an erster Stelle das Opfer und dann auch die Gläubigen des Bistums Limburg um Verzeihung.“ Heute sei ihm klar, dass er entschiedener, hartnäckiger und präziser hätte nachfragen müssen, als der Betroffene sich an ihn gewandt hatte und heute habe er einen anderen Wissensstand, der dazu führe, dass er den erlittenen sexuellen Missbrauch anders bewerte und zu anderen Einschätzungen komme.

Altbischof Kamphaus: „Ich habe schwere Schuld auf mich geladen“

Schuld auf sich geladen hat nach eigenen Worten auch Altbischof Kamphaus. In einer persönlichen Erklärung äußert sich der 87-Jährige nicht zum Fall, der von Gatzka aufgearbeitet wurde, da er davon keine Kenntnis gehabt habe. Ihn belaste seit langem jedoch der Fall des mittlerweile aus dem Klerikerstand entlassenen Wolfdieter W., der Mitte der 1980er Jahre aus dem Bistum Würzburg ins Bistum Limburg gekommen sei. Obwohl es Vorwürfe wegen sexuellen Missbrauchs aus der Vergangenheit gab, habe er ihm eine Pfarrei im Westerwald übertragen. Nach einiger Zeit breiteten sich Gerüchte in der Bevölkerung aus, dass es zu sexuellem Missbrauch gekommen sei, die jedoch nicht verifizierbar gewesen seien. Kamphaus drängte ihn zum Verzicht auf die Pfarrei und versetzte ihn in die Klinikseelsorge nach Frankfurt. Er beauftragte seinen Generalvikar dann Gespräche mit dem Bistum Würzburg zu führen, um ihn in seine Heimatdiözese zurückzuschicken. Wie er dann ins Erzbistum Bamberg kam, weiß Kamphaus nicht. Dort kam es jedoch erneut zu sexuellem Missbrauch, der auch zu einer staatlichen Verurteilung geführt habe. Dies habe er aber erst viel später erfahren. „Mit Blick auf diesen Fall ist mir heute klar, dass ich entschiedener hätte durchgreifen müssen. Der Einsatz dieses Priesters in der Seelsorge des Bistums Limburg und seine spätere Versetzung in ein anderes Bistum waren schwere Fehler. Opfern wäre Missbrauch erspart geblieben. Hier habe ich schwere Schuld auf mich geladen. Dafür bitte ich in aller Form um Verzeihung. Ich stehe den Opfern selbstverständlich für ein Gespräch zur Verfügung, wenn sie es wünschen“, schreibt Altbischof Franz Kamphaus in einer persönlichen Erklärung. 

Das Erzbistum Bamberg hatte Ende Dezember 2018 Strafanzeige gegen einen Priester des Bistums Limburg bei der Staatsanwaltschaft Marburg gestellt. Darüber hat die Diözese Limburg am 21. Januar 2019 mit einer Pressemitteilung informiert. Der Beschuldigte soll von 1986 bis 1993 einen minderjährigen Jungen mehrfach sexuell missbraucht haben. Die Taten sollen im Bistum Limburg verübt worden sein. Im Zuge der Berichterstattung zur MHG-Studie zum sexuellen Missbrauch durch Kleriker in der katholischen Kirche hat sich das Opfer bei der Missbrauchsbeauftragten des Erzbistums Bamberg gemeldet.

Der Täter war bis zu seiner Pensionierung viele Jahrzehnte in der Pfarrseelsorge in der Diözese tätig. Seinen Ruhestand verbringt er im Erzbistum Bamberg. Dort hat er gelegentlich Gottesdienstvertretungen übernommen. Das Bistum Limburg und das Erzbistum Bamberg haben, gemäß den Leitlinien der Deutschen Bischofskonferenz, dem Beschuldigten die Ausübung jeglicher priesterlicher Dienste untersagt. Die Diözese Limburg hat die kirchenstrafrechtliche Voruntersuchung eingeleitet und beendet. Das Ergebnis der Voruntersuchung wurde zusammen mit einem Votum des Bischofs an die zuständige Kongregation für die Glaubenslehre gesandt. Hier wird über das weitere Verfahren gegen den Priester entschieden. 

Die Aufklärung von Fällen sexuellen Missbrauchs im Bistum Limburg ist mit dem Bericht des externen Juristen nicht beendet. Die Diözese startete im September das Aufarbeitungsprojekt „Betroffene hören – Missbrauch verhindern. Konsequenzen aus der MHG-Studie“. In neun Teilprojekten, die grundsätzlich von Experten außerhalb des Bistums geleitet werden und je zur Hälfte mit Mitarbeitern und Externen aus unterschiedlichen gesellschaftlichen Gruppen besetzt sind, werden sie sich mit systemischen Problemen auseinandersetzen, die Missbrauch bisher begünstigt haben. Da geht es etwa um die Überarbeitung der Aus- und Weiterbildung oder um die Weiterentwicklung von Konzepten zur Personalführung, aber auch um die katholische Sexualmoral und eine Neubewertung von Homosexualität, um die Rolle der Frau in der Kirche, um Klerikalismus und Machtmissbrauch, Kommunikation und Information oder kirchenrechtliche Konsequenzen im Sinne einer Gewaltenunterscheidung. Teilprojekt I. widmet sich der Aufarbeitung bisheriger Fälle sexualisierter Gewalt und nimmt umfassende Akteneinsicht. Ein weiteres Teilprojekt soll schon während des Prozesses für die Nachhaltigkeit der vorgeschlagenen Maßnahmen sorgen, indem rasch umzusetzende Ideen direkt implementiert werden.
 

Dokumentation

In einer Pressemitteilung vom 21. Januar 2019 hat das Bistum Limburg darüber berichtet, dass nach der Erstattung einer Strafanzeige durch das Erzbistum Bamberg gegen einen im Erzbistum Bamberg seinen Ruhestand verbringenden Priester des Bistums Limburg nicht nur eine kirchenstrafrechtliche Voruntersuchung eingeleitet wurde, sondern auch eine externe Aufklärung dieses Falls in Auftrag gegeben wurde. Die kirchenstrafrechtliche Voruntersuchung der Missbrauchsvorwürfe konnte inzwischen abgeschlossen werden. Das Ergebnis der Voruntersuchung wurde zusammen mit einem Votum von Bischof Dr. Georg Bätzing an die mit Blick auf diese Tatvorwürfe zuständige Kongregation für die Glaubenslehre gesandt. Der Glaubenskongregation kommt es zu, über das weitere Verfahren gegen den Priester zu entscheiden.

Die externe juristische Untersuchung wurde von Bischof Dr. Georg Bätzing beauftragt, weil das Opfer in seiner Aussage die damals Verantwortlichen des Bistums belastet und vorbringt, dass sie Kenntnisse über den Missbrauch gehabt hätten. Mit der Untersuchung dieses Vertuschungsvorwurfs wurde Ralph Gatzka beauftragt, der frühere Präsident des Limburger Landgerichts. Der nun durch Herrn Gatzka vorgelegte Untersuchungsbericht hat diese Vorwürfe der Vertuschung bestätigt. Nachfolgend wird eine von Herrn Gatzka autorisierte Fassung des Berichtes dokumentiert. Der Bericht mit vollständigen Namensangaben ist – wie zuvor angekündigt – der Staatsanwaltschaft zugeleitet worden.

 

Untersuchungsbericht von Herrn Ralph Gatzka

Im Zuge der Untersuchungen wurden mehrere Zeugen vernommen, darunter die damalige Führungsspitze des Bistums um Bischof em. Dr. Franz Kamphaus. Außerdem erfolgte die Auswertung von Akten, die seitens des Bischöflichen Ordinariates vorgelegt wurden.

Hiernach ist der 1976 geborene Junge im Zeitraum von 1986 bis 1993 von dem Priester, seinem Cousin, regelmäßig sexuell missbraucht worden. Der Minderjährige lebte während dieser Zeit im Haushalt des Geistlichen im Pfarrhaus in Mittelhessen. Nach dem frühen Tod der Mutter des Jungen wurde der Pfarrer 1986 mit Genehmigung des Ordinariats zu dessen Vormund bestellt. Verübt wurden die unentdeckt gebliebenen Taten an dem vom Pfarrer abhängigen Mündel in der Regel im Schlafzimmer des Priesters, aber auch auf gemeinsamen Urlaubsreisen.

1995 - nach dem Abitur - übersiedelte das zwischenzeitlich volljährig gewordene Opfer zur Ableistung des Zivildienstes und zum späteren Studium nach München. Es stellten sich – bedingt durch die Vorfälle im Pfarrhaus – eine Lebenskrise und wiederholt auftretende Suizidgedanken ein, die auch in Suizidversuche mündeten. 1997 offenbarte das Opfer erstmals Dritten gegenüber den an ihm begangenen sexuellen Missbrauch und zwar der sehr engen Freundin seiner verstorbenen Mutter, der Psychologin Frau Dr. T. Deren sofortiger Aufforderung an den Priester, sich umgehend seinen Vorgesetzten zu erklären, denen die Taten einzugestehen und sich aus der Pfarrseelsorge zurückzuziehen, führte kurze Zeit später zu zwei Besuchen des damaligen Personaldezernenten in ihrem Haus in der Nähe von Bonn. Den glaubhaften Angaben des Opfers und von Frau Dr. T. zufolge waren Gegenstand dieser Gespräche zum einen das Bemühen um eine Vermittlung eines Therapieplatzes für das Missbrauchsopfer bei einem anerkannten Psychotherapeuten und zum anderen die Durchführung einer psychotherapeutischen Behandlung des Priesters im Rahmen eines mehrmonatigen Aufenthalts im Recollectiohaus Münsterschwarzach. Außerdem suchte – so die beiden Zeugen – der Personalverantwortliche des Bistums ein Absehen des Opfers von einer Strafanzeige gegen den Priester zu erreichen.  Zwar stellt der Personaldezernent Zeitpunkt und Inhalt dieser Gespräche abweichend dar und widerspricht den Angaben der Zeugen vehement, der spätere tatsächliche Geschehensablauf erhärtet indes die Version von Frau Dr. T. und des Opfers.

Einige Zeit später war der Psychotherapeut für das Opfer gefunden, und zwar derjenige, der in den Gesprächen bereits genannt war, und es begann die Therapie. Der Priester zog sich ab September 1997 für drei Monate zu einem  Aufenthalt in das Recollectiohaus Münsterschwarzach zurück, verbunden mit einer entsprechenden psychotherapeutischen Behandlung. Eine Strafanzeige seitens des Missbrauchsopfers blieb aus. Auch das Bistum schaltete die staatlichen Ermittlungsbehörden nicht ein. Zu dieser Zeit bestand noch nicht die kirchliche Selbstverpflichtung zur Weitergabe von Informationen an die staatlichen Strafverfolgungsbehörden, diese wurde erst durch die Novellierung der sog. „Missbrauchs-Leitlinien“, die zum 01. September 2010 in Kraft getreten sind,  aufgestellt (vgl. Nr. 26 Leitlinien 2010). Strafverfolgungsverjährung war zu diesem Zeitpunkt noch nicht eingetreten. Die Einleitung einer kirchenstrafrechtlichen Voruntersuchung wurde nicht veranlasst, wodurch im Ergebnis die damalige kirchenstrafrechtliche Wertung der Handlungen des Priesters vereitelt wurde – das aufgrund der Hinweise des Opfers Anfang 2019 aufgenommene kirchenrechtliche Strafverfahren ist nach den Informationen des Bistums noch nicht abgeschlossen.

Ebenso unterblieben im Jahr 1997  Sofortmaßnahmen; immerhin lagen zwischen dem Bekanntwerden des Missbrauchs und dem Aufenthalt des Priesters im Recollectiohaus mehr als sieben Monate, in denen der Priester weiter in der Pfarrseelsorge tätig war. Dem Opfer und der Familie vor Frau T. gegenüber räumte der Priester in dieser Zeit sein Fehlverhalten ein. In einem zu Ostern 1997 verfassten Schreiben bekennt er sich ausdrücklich als „schuldig“. Später leistete der Priester auch die im Rahmen der Gespräche diskutierten Entschädigungszahlungen an das Opfer.

Die Personalakte des Priesters enthält keinen Hinweis auf den erhobenen Vorwurf des sexuellen Missbrauchs und die vor diesem Hintergrund geführten Gespräche, die zumindest in Form eines Aktenvermerks hätten dokumentiert sein müssen. Dass die Bistumsspitze, also Bischof und Generalvikar, informiert worden wären, lässt sich der Personalakte nicht entnehmen. Ebenso wenig findet der Aufenthalt des Priesters im Recollectiohaus Münsterschwarzach Erwähnung, außer dass dieser in einem Schreiben um die Bestellung eines Vertreters während der Zeit seiner Abwesenheit bittet. Die Vertreterbestellung selbst, die bereits zuvor in der Personalkammer beschlossen worden war, und deren Bekanntgabe fehlen sowohl in der Personalakte des Vertretenden als auch in derjenigen des Vertreters. Hinweise und insbesondere Belege dafür, dass die Mitglieder der Personalkammer vom Personaldezernenten über den auslösenden Umstand, den „wahren Grund“ des dreimonatigen Aufenthalts des Priesters im Recollectiohaus Münsterschwarzach in Kenntnis gesetzt wurden, sind nicht vorhanden. Im schriftlichen Protokoll über die Personalkammersitzungen werden die Gründe für getroffene personelle Maßnahmen – also auch für Vertreterbestellungen – nicht festgehalten.

Sowohl der ehemalige Bischof wie auch der damals im Amt befindliche Generalvikar und der damalige Regens, die neben dem Personaldezernenten in dieser Personalkammersitzung anwesend waren, schlossen aus, dass ein sexueller Missbrauch eines Jungen durch den  Priester bei dieser Sitzung oder auch im Vorfeld oder danach erwähnt wurde.  Die Bitte eines Priesters nach einer Auszeit und einem Aufenthalt in einem Recollectiohaus zu Regenerationszwecken sei in der Diözese nichts Ungewöhnliches gewesen. Auch aus sonstigen schriftlichen Unterlagen lässt sich die Kenntnis eines sexuellen Missbrauchs nicht entnehmen.

Das Fehlen jeglicher schriftlicher Hinweise in der Personalakte des Priesters  auf die Tatvorwürfe und die sich anschließenden Gespräche, die allesamt nicht in den Räumen des Bistums geführt wurden, die Nichterwähnung des Aufenthalts in Münsterschwarzach und die dortige therapeutische Behandlung legen nahe, dass der Personaldezernent agiert hat, ohne seine Vorgesetzten zu unterrichten, und das Geschehen bistumsintern nicht publiziert wurde. Tatsächlich konnte der Personaldezernent in den sein Dezernat betreffenden Angelegenheiten im Wesentlichen eigenverantwortlich handeln.

Nach Beendigung des Aufenthalts im Recollectiohaus und der Therapie wurde der Priester wieder an alter Wirkungsstätte eingesetzt, ohne dass Vorkehrungen getroffen wurden, um der Wiederholung von Missbrauchstaten entgegenzuwirken. Das Ergebnis der Therapie ist nicht dokumentiert. Der Priester erhielt keinerlei Auflagen – etwa die Jugendarbeit in der Pfarrei anderen Personen zu überlassen oder das Verbot, Jugendliche mit ins Pfarrhaus zu nehmen o. ä., auch erhielten offensichtlich seine direkten Vorgesetzten, etwa der Bezirksdekan, oder die mit ihm arbeitenden Priester/Diakone keine Hinweise über die Missbrauchsvorfälle. Jedenfalls enthalten die Akten hierüber keine Angaben. Auch bei der ein Jahr später auf dessen schon lange Zeit vorher geäußerten Wunsch erfolgten Versetzung des Priesters in eine andere Pfarrei blieben derartige Hinweise und Verhaltensvorgaben aus. Der Priester verbringt seinen Ruhestand in der Erzdiözese Bamberg. Die Vorfälle um den sexuellen Missbrauch an dem minderjährigen Jungen blieben bei der üblichen Anzeige des Wohnortswechsels und bei der mündlichen Nachfrage des Erzbischofs nach der Person des Priesters unerwähnt.

Ralph Gatzka, 11. November 2019

In Sachen Aufklärung des sexuellen Missbrauchs durch Priester im Bistum Limburg habe ich schwere Fehler begangen. Konkret belastet mich besonders ein Fall, sodass ich schon vor einiger Zeit unseren Bischof darüber informiert habe.

Es handelt sich um den mittlerweile aus dem Klerikerstand entlassenen Wolfdieter W.. Er kam Mitte der 1980er Jahre aus dem Bistum Würzburg ins Bistum Limburg. Aus Studientagen war er meinem damaligen Generalvikar gut bekannt. Wir wussten, dass es gegen W. Vorwürfe wegen sexueller Übergriffe gab. Ein gegen ihn geführtes Strafverfahren war, gegen die Zahlung einer Geldbuße, eingestellt worden. Er war nicht verurteilt oder vorbestraft. So nahm ich ihn auf Drängen des Generalvikars ins Bistum auf und vereinbarte mit ihm, dass er regelmäßig mit einem Therapeuten zusammenzuarbeiten habe. Ich übertrug ihm die Seelsorge in einer Pfarrei im Westerwald. Nach einigen Jahren dort breiteten sich Gerüchte in der Bevölkerung aus, dass es erneut zu sexuellem Missbrauch gekommen sei. Diese Gerüchte konnten wir damals nicht verifizieren. Ich drängte ihn zum Verzicht auf die Pfarrei, den er schließlich widerwillig annahm. Danach versetzte ich ihn zunächst in die Klinikseelsorge nach Frankfurt. Kurze Zeit später bat ich den Generalvikar, Gespräche mit dem Bistum Würzburg zu führen, um ihn in seine Heimatdiözese zurückzuschicken. Wie er dann ins Erzbistum Bamberg kam, entzieht sich meiner Kenntnis. Ich hörte später, dass es dort erneut zu sexuellem Missbrauch kam, der auch zu einer staatlichen Verurteilung führte.

Mit Blick auf diesen Fall ist mir heute klar, dass ich entschiedener hätte durchgreifen müssen. Der Einsatz dieses Priesters in der Seelsorge des Bistums Limburg und seine spätere Versetzung in ein anderes Bistum waren schwere Fehler. Opfern wäre Missbrauch erspart geblieben. Hier habe ich schwere Schuld auf mich geladen. Dafür bitte ich in aller Form um Verzeihung. Ich stehe den Opfern selbstverständlich für ein Gespräch zur Verfügung, wenn sie es wünschen.

Wie ich erst später erfahren habe, hat sich vor einigen Jahren eine junge Frau aus dem Westerwald beim Bistum gemeldet. Sie machte die Verbrechen, die Wolfdieter W. als Pfarrer an ihr als Kind verübt hatte, bekannt. Dies führte Anfang 2015 dazu, dass das Bistum Limburg bei der Kongregation für die Glaubenslehre Anzeige gegen den Priester erstattete, die letztlich dazu führte, dass Papst Franziskus ihn im Juli 2015 aus dem Klerikerstand entließ.

Bischof em. Dr. Franz Kamphaus, November 2019

Bischof Dr. Bätzing hat mir den Bericht über die Ermittlungen eines unabhängigen Juristen zum Vorwurf des sexuellen Missbrauchs durch einen Priester des Bistums Limburg gegenüber Herrn Kai-Christian Moritz mit der Bitte um eine persönliche Erklärung übergeben.

Den Bericht habe ich sorgfältig gelesen, der auch das Protokoll zu meiner Befragung enthält. Er macht mir klar, dass es schon 1997/98 gewesen sein muss, als Herr Moritz und eine Freundin seiner verstorbenen Mutter erstmalig auf mich zukamen und das Gespräch mit mir suchten. In diesem Gespräch hat mir, soweit ich mich erinnere, Herr Moritz über das (Zitat) „böse Verhalten“ seines Pflegevaters berichtet. Er sprach aber nicht von konkreten sexuellen Übergriffen und auch die anderen Befragten aus dieser Zeit sagen übereinstimmend aus, dass Herr Moritz nicht über konkrete sexuelle Straftaten an ihm präzise Auskunft gegeben hat.

Mir ist klar, dass ich zum damaligen Zeitpunkt mit dem heutigen Wissensstand in Sachen Umgang von missbräuchlichem Verhalten durch Kleriker und andere kirchliche Bedienstete entschiedener, hartnäckiger und präziser hätte nachfragen müssen. Vielleicht wäre dann der sexuelle Missbrauch zur Sprache gekommen und weiteres Leid wäre Herrn Moritz erspart geblieben. Damals ging ich irrtümlich davon aus, dass es einen zwischenmenschlichen Dauerkonflikt zwischen dem Priester und seinem Pflegesohn Kai-Christian Moritz gab, der auch zu Problemen in der Pfarrei führte. Ich versuchte, beiden betroffenen Menschen, die nach meiner Wahrnehmung in einen massiven und scheinbar nicht auflösbaren zwischenmenschlichen und familiären Konflikt verstrickt waren, umfassende Hilfestellung zur Abklärung ihrer Situation zu geben. Ich konnte den Priester überzeugen, im Recollectiohaus Münsterschwarzach seine persönliche Lebenssituation zu klären. Herrn Moritz empfahl ich einen qualifizierten fachärztlichen Therapeuten.

Im Rückblick steht für mich heute fest, dass ich damals keine kompetenten und fachlich fundierten Einschätzungen zum Thema des sexuellen Missbrauchs und zu sexualisierter Gewalt hatte. Erst Ende der 1990er Jahre und im neuen Jahrtausend, als die Missbrauchsfälle immer deutlicher zu Tage traten, nahm ich Kontakt mit psychologischen und medizinischen Fachleuten auf, um mich kundig zu machen. Heute habe ich einen anderen Wissensstand als damals, der dazu führt, dass ich den erlittenen sexuellen Missbrauch von Herrn Moritz anders bewerte und zu anderen Einschätzungen komme.

Ich bedauere zutiefst, dass ich schwerwiegende Fehler in der Wahrnehmung und anschließenden Einschätzung eines nun feststehenden schweren sexuellen Missbrauchs an Herrn Moritz durch seinen Pflegevater Pfarrer B. gemacht habe. Ich bitte vorrangig und an erster Stelle das Opfer und dann auch die Gläubigen des Bistums Limburg um Verzeihung.

Prälat Helmut Wanka, Limburg, 16.11.2019

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