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HOFHEIM, 20.05.2022

Viele gute Ideen für schöpfungsverträgliches Handeln

Nachhaltigkeit hat viele Gesichter: Beim ersten Schöpfungsmarkt im Main-Taunus haben regionale Initiativen im Garten des Exerzitienhauses ihre vielfältigen Projekte präsentiert. Die Katholische Kirche will am Thema dran bleiben.

Der Schöpfungsmarkt der katholischen Kirche im Main-Taunus lässt sich gut an: Gleich zum Start weckt am Stand der Bürgerinitiative Klimabewusstes Bad Soden ein handliches Kraftwerk als einziges Ausstellungsstück das Interesse vieler Besucher. „So eine Balkon-Solaranlage wird im Prinzip einfach an die Steckdose gehängt“, erklärt Winfried Hackel. 300 Watt pro Sonnenstunde seien drin, meint er. Unkompliziert eigenen Ökostrom auf der Terrasse oder dem Garagendach zu produzieren, das klingt für mancheinen überzeugend, zumal die Mini-Module im Main-Taunus-Kreis bezuschusst werden.

Mit dem Info-Flyer in der Hand schlendern die Leute, die an diesem frühen Donnerstagabend die Anhöhe zum Exerzitienhaus erklommen haben, ein paar Schritte weiter: „Habt Ihr noch alte Handys Zuhause liegen“, fragt missio-Diözesanreferentin Jaqueline Schlesinger und informiert über die Aktion Schutzengel. Bisher wurden dafür bereits über 250.000 Handys recycelt oder wiederaufbereitet und damit über 5,7 Kilogramm Gold und weitere wertvolle Rohstoffe wiedergewonnen. Wer das weiß, kann bereits die erste Frage des eingangs ausgeteilten Quiz richtig beantworten und gehört am Ende vielleicht zu den glücklichen Gewinnern eines der ausgesetzten Preise.

"Wir bleiben an dem Thema dran"

Der spannende Rätselspaß ist Teil des bunten Begleitprogramm der Veranstaltung, die eine Premiere darstellt. Im Garten des Exerzitienhauses präsentieren sich an 24 Ständen ganz unterschiedliche regionale Initiativen rund um das Thema Nachhaltigkeit. Initiator ist der Bezirkssynodalrat, der sich eben dieses Thema als Schwerpunkt der laufenden Wahlperiode gesetzt hat, wie Bezirksdekan Klaus Waldeck und die stellvertretende Vorsitzende der Bezirksversammlung, Inga Russek, vor Ort erklären. Dem Markt voraus gegangen waren ein Schöpfungsgottesdienst am selben Ort und ein Workshop mit Impulsen der aktuellen Schöpfungstheologie für eine ökologisch nachhaltigere Kirchenentwicklung. Was als nächster Schritt folgen wird, ist eine Baumpflanzaktion im geschundenen Taunuswald, für die auch in Hofheim gespendet werden kann. „Wir müssen uns als Kirche und als Gesellschaft verändern“, sagt Bezirksreferent Dr. Matthias Braunwarth und macht unmissverständlich klar, dass auch für das Vorhaben selbst Nachhaltigkeit unabdingbar ist: „Wir bleiben an dem Thema dran.“

Dass es dabei nach seinen Worten auch um soziale, kulturelle und ökonomische Fragen geht, spiegelt sich im Ausstellungsangebot wieder. Von Oikocredit und Foodsharing über die ecokids und SolarInvest Main-Taunus bis zur Tafel Hofheim-Hattersheim ist die Bandbreite groß. Mitmachen und selbst etwas ausprobieren steht dabei besonders hoch im Kurs. Wie sieht es  zum Beispiel mit dem eigenen Ressourcenverbrauch aus? Am Stand der AG Schöpfung aus Oberursel lädt Elisabeth Bentrup zur Selbsteinschätzung ein. Kinder und Erwachsene gehen langsam die auf der Wiese ausgelegten Riesenfüße mit Fragen zu Ernährung, Energie, Mobilität und Konsum ab und notieren die erzielten Punkte. Wer unter 20 bleibt, ist gut dran: „Prima. Du lebst klimaneutral:“, heißt es dazu. „Mich haben die Quadratmeter, die ich bewohne, herunter gerissen“, kommentiert eine Frau, die nachdenklich ihr Ergebnis studiert. „Bei mir ist es der Käse!“ ruft eine andere überrascht.

Konsum reduzieren

Wie Konsum durch Tauschen und Spenden reduziert werden kann, demonstriert anschaulich der Umsonstladen Hochheim. Auf dem Tresen steht ein Korb mit einigen Gegenständen, darunter eine blaue Eulenspardose, ein Föhn, ein silbernes Backförmchen und zwei gelbe Handtücher. Ein kleines Kärtchen verrät, wie es geht: „Jede(r) darf bis zu 5 Teilen ein neues Zuhause geben.“ Gleich nebenan macht mit einem lila Fahrrad der Gebrauchtwarenmarkt „Tisch und Teller“ der Diakonie in Flörsheim auf sich aufmerksam. „Wir holen auch Möbel ab“, sagt Mitarbeiterin Heike Rosa. Auf drei bis vier Tonnen schätzt sie die Waren, die pro Woche neue Besitzer fänden und sonst im Müll gelandet wären.

Plastik recyclen

„Was würden Sie hierfür geben“, fragt am Stand der Plastic Bank Peter Nitschke und hält einen Rosenkranz mit lila Perlen und einem silbernen Kreuz und ein ebenfalls lilafarbenes Armbändchen hoch. „Einen Euro?“ meint ein junger Mann und korrigiert das schnell, als er vom Entstehungsprozess der Teile hört. Sie werden im Rahmen eines Sozialprogrammes in einem Gefängnis in Manila aus Plastik hergestellt, das aus dem Ozean gefischt wurde. Plastic Bank Foundation ist ein gemeinnütziger Verein zur Unterstützung des weltweit wachsenden Sozial Plastic Recyclingsystems. Ernüchternd die Fakten, die er bereit hält: Nur 14 Prozent des anfallenden Plastikmülls wird jährlich global recycelt.

„Inspirieren, ermutigen, gemeinsam verändern“: Das hat sich die Initiative „Wandel im MTK“ auf die Fahnen geschrieben. 2019 war der Start, inzwischen haben sich rund 20 Leute zusammengefunden aus unterschiedlichen Altersgruppen und Berufen, vom IT Berater über Wildnisbiologen bis zur Fachangestellten, die alle das Ziel eint, direkt und konkret etwas für die Umwelt zu tun, am liebsten draußen und mit Lust, an frischer Luft aktiv zu sein. Mit-Macher und Unterstützer sind ausdrücklich willkommen, vor allem solche, „die sich auch gern die Hände schmutzig machen.“

 

Das trifft auf David Rothberg schon von Berufswegen zu. Seit fünf Jahren ist der Gärtner für die „gepflegte Wildnis“ rund um das Exerzitienhaus zuständig, die Führung mit ihm wird zum verprochenen Erlebnis: „Die Natur macht alle Arbeit, ich helfe nur“, beschreibt er dabei seine Leitlinie. Früher sei es hier eher aufgeräumt und deutlich leerer gewesen, erklärt er mit Blick auf die üppig grün wuchernde und mit vielen bunten Blumentupfern versehene Bepflanzung. „Was blüht, bleibt“, ist sein Credo, auch wenn manche Leute sagten, dies oder das sei Unkraut, bemerkt er schmunzelnd. Ob Akelei oder seltene, gelbe Pfingstrose: Abgeschnitten wird nichts, gegossen übrigens auch nichts. Das Beste präsentiert er zum Schluss, bevor das aufkommende Gewitter das Marktgeschehen sehr plötzlich beendet. Beherzt und fast liebevoll greift Rothberg in den Kompost und präsentiert eine Handvoll frische, schwarz-glänzende Erde: „Das ist das Herz vom ganzen Garten.“

Gottesdienst inmitten der Schöpfung

Bei einem ökumenischen Open-Air-Gottesdienst ein paar Tage zuvor hatte sich die Schöpfung durchgehend im schönsten Sonnenlicht präsentiert. Vor dem mit bunten Blumen geschmückten Altartisch hatte sich auf der grünen Wiese vor dem Exerzitienhaus auf Klappstühlen, Bierbänken und Picknickdecken eine bunt gemischte Gemeinde eingefunden, darunter auch einige Familien mit Kindern. Pfarrerin Susan Genthe von der evangelischen Kirchengemeinde Langenhain, die zusammen mit Pastoralreferent Enrico Wagner und Gemeindereferentin Bärbel Hasselbach von der Pfarrei St. Peter und Paul Hofheim dem Gottesdienst vorstand, hatte ihrerseits noch die beiden 14-jährigen Konfirmandinnen Tamara und Lena mitgebracht, die eine kleine Kriminalgeschichte rund um einen geheimnisvollen Gärtner vortrugen.

What a wonderful world

„What a wonderful world“ erklang es passend zum Ambiente von der kleinen Projektband, die Bezirkskantor Matthias Braun zusammengestellt hatte. Wie es in Zukunft auf der Welt aussehen wird und wie sie lebenswert erhalten werden kann, darum drehte es sich in den Texten und Fürbitten. Auch die Hofheimer Kinder, die zu Wort kamen, hatten sich Gedanken dazu gemacht: „Werden die Menschen in 100 Jahren ausgestorben sein?“ lautete ihre besorgte Frage. „Zu viele Autos und Flugzeuge“ war einer der Kritikpunkte. Das passte zu den Ideen, die die Gottesdienstteilnehmer später in einer kurzen Flüsterrunde zusammen trugen. Wasser sparen, weniger Fleisch essen, Second Hand-Kleidung kaufen und das Auto stehen lassen, gehörten unter anderem zu den guten Vorsätzen. Wie das konkret in der Region umgesetzt werden kann, dafür bot der Schöpfungsmarkt der katholischen Kirche reichlich Anknüpfungspunkte und Vernetzungsmöglichkeiten.

Weitere Informationen finden sich auf der Projekthomepage

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