Von blinden Rechtecken und lebendigen Brücken
LIMBURG/FRANKFURT/MAINZ. – An einem langen blauen Seil halten sie sich fest. Noch stehen die 18 Theologie-Studenten damit in einer geraden Reihe, doch jetzt sollen sie sich zu einem Rechteck aufstellen. Kein Problem, hätte man ihnen nicht vorab die Augen verbunden. Die zukünftigen Seelsorgerinnen und Seelsorger sind jetzt gefordert: Es geht um Teamwork und Kommunikation. Und um ein bisschen Mathe.
Diese Übung war nur eine von vielen bei den „Theo-Tagen“ am ersten Mai-Wochenende in Limburg. Insgesamt 43 angehende Seelsorger haben sich zu diesem Workshop-Angebot des Bistums Limburg getroffen. Das Thema wählen die Studenten immer selbst: In diesem Jahr: Erlebnis- und Kirchenraumpädagogik. Das Treffen dient neben dem gemeinsamen Lernen vor allem der Vernetzung untereinander, denn bald arbeiten sie in den Pfarreien der Diözese zusammen: Als Priester, als Pastoralreferenten und als Gemeindereferenten. Eine Premiere gab es diesmal bei den Theo-Tagen: Erstmals waren Studenten von „Theologie im Fernkurs (ThiF)“ dabei, da ThiF-Studenten nun auch Gemeindereferenten werden können.
Nach den Übungen gibt es immer eine Reflexions-Runde. „Es sind ja keine Spiele, sondern pädagogische Übungen“, erklären die Workshop-Leiter Jürgen Otto und Silvia Wieber-Quirmbach. Zwei Rückmeldungen nach der Aufgabe mit den verbundenen Augen sind beispielsweise: „Vielleicht hätten wir mehr auf die leiseren Stimmen hören sollen?“ oder „Warum haben wir uns so beeilt und direkt den ersten Lösungsvorschlag genommen?“. Die Feedback-Runde zeigt, worum es geht: Um Gruppendynamik, Führung, Vertrauen, Teamwork, Kooperation, Kommunikation und um Praxisnähe. Und man könne dabei immer die Brücke zur Theologie schlagen, das heiße, so Otto, die Übungen sind auch in der Theologie verankerbar. “Und man kann das nicht nur in der Jugendarbeit einsetzen. Man kann das auch sehr gut mit Erwachsenen machen wie zum Beispiel dem Pfarrgemeinderat”, erklärt Otto.
„Ich tue es und verstehe“
Wenn man Erlebnispädagogik auf den Punkt bringen wolle, erklärt Wieber-Quirmbach, zitiere sie Konfuzius: „Ich höre und vergesse, ich sehe und erinnere. Ich tue es und verstehe“. Sie wolle den Studenten mit diesen Methoden Rüstzeug für ihr Berufsleben mitgeben. Lieselotte Harjung, zuständig für die Ausbildung der Gemeindereferenten, pflichtet ihr bei. Oft seien solche Übungen vielsagender als Worte. Wenn eine Gruppe eine Decke wenden müsse, auf der sie stehe, merke die Gruppe beispielsweise sehr schnell, dass es eben nicht schnell gehe. “Man braucht Geduld, und muss auf den richtigen Zeitpunkt warten. Und man erlebt, dass man sich mitunter gar nicht viel bewegen muss, um etwas grundlegend zu verändern. Meist genügt schon ein Perspektivwechsel.”, sagt Harjung.
Die Übung mit dem Rechteck hat die Gruppe gut gelöst. Durchgezählt, durch vier geteilt, Eckpunkte bestimmt und koordiniert. Bei einer anderen Übung ging es weniger um eine gemeinsame Lösung, sondern um Vertrauen: Sie heißt „lebendige Brücke“. Dabei stehen die Mitstudenten als Brücke quasi Spalier, immer zwei halten dabei eine Holzstange waagrecht an den äußeren Enden. Über diese Holzstangen - etwa ein Meter über dem Boden – gilt es dann zu laufen. Das erfordert etwas Geschick, vor allem aber Vertrauen in die Anderen: Vertrauen darauf, getragen und gehalten zu werden.
Die angehenden Seelsorgerinnen und Seelsorger finden das Angebot gut und wichtig. „In der Seelsorge arbeiten wir mit Menschen und mit vielen Gruppen; dazu brauchen wir pädagogische Skills“, sagt beispielsweise die zukünftige Pastoralreferentin Lucia Ott. Zweimal im Jahr treffen sie sich. Einmal im Frühjahr zu den „Theo-Tagen“, und ein weiteres Mal im Herbst. Der Austausch ist auch daher so wichtig, da sie von unterschiedlichen Hochschulen in Frankfurt, Mainz, Benediktbeuern oder Lantershofen kommen. Oder sie absolvieren den Fernstudiengang ThiF wie Stefanie Seubert aus Frankfurt. Seubert arbeitete schon lange ehrenamtlich in ihrer Gemeinde mit. Bis eines Tages die dortige Gemeindereferentin sie ansprach, ob sie sich das nicht auch beruflich vorstellen könnte. So hat sie beruflich umgesattelt und das Theologie-Studium begonnen. Das Workshop-Angebot findet sie klasse: „Vieles nutze ich schon in der Jugendarbeit. Das bestärkt und bestätigt mich.“
Team braucht ein gemeinsames Ziel
Heiko Dörr, zuständig für die Ausbildung der Pastoralreferenten und Regens Dr. Christof Strüder, zuständig für die der Priester, waren ebenfalls dabei. Für Dörr ist die Reflexion das A und O: „Es gilt, immer wieder zu schauen, was lief gut, warum lief es gut, was können wir daraus lernen.“ Gerade für die Teamarbeit in den neuen Pfarreien sei dies immens wichtig. Das erlebnispädagogische Arbeiten zeige, dass es nur mit einem gemeinsamen Ziel funktioniere, der Weg dahin könne allerdings unterschiedlich sein. „Theologie ist Reflexion auf Glaubenserfahrung“, sagt Strüder. Daher sehe er bei den erlebnispädagogischen Übungen im Kleinen eine Analogie zu dem, was ein Theologie-Studium bedeute. Denn die Studenten der Theologie studierten ja “eine schon vorhandene Erfahrung“.
Insgesamt drei Tage dauerten die Theo-Tage. Dieses Format gibt es schon seit mehr als 30 Jahren. Für das Team der Personalausbildung und die Teilnehmer sei es ein „Highlight in der Ausbildung“, so Strüder. Neben den verschiedenen Workshops gab es in diesem Jahr zudem Impulse zu Sport & Spiritualität mit Pfarrer Simon Schade, der im Sommer Surfexerzitien anbietet. Auch gemeinsame Gebetszeiten, unter anderem ein Taizégebet im Limburger Dom, gehörten dazu. In den vergangenen Jahren waren Schwerpunkthemen Kategorialseelsorge, Interreligiöser Dialog, Jugendarbeit oder auch Pilgern.