Von Limburg nach Paris
Wie funktioniert Kirche in einem Land, in dem Staat und Kirche strikt getrennt sind? Wie leben Katholiken, die nur eine kleine Minderheit in der französischen Bevölkerung ausmachen, ihren Glauben? Diesen und vielen weiteren Fragen sind 22 ehren- und hauptamtlichen Mitarbeiter aus dem Bistum Limburg bei einer Exkursion nach Paris auf den Grund gegangen. Die Reise stand unter dem Motto „Kirche findet Stadt“ und war eine von sechs Exkursionen zum Prozess der Kirchenentwicklung im Bistum. Von Donnerstag, 27. Juni, bis Sonntag, 30. Juni, haben die Teilnehmer Einblicke in das christliche Leben Frankreichs gesammelt.
Wenn Staat und Kirche weit auseinander stehen
Der Theologe und emeritierte Professor für systematische Theologie der Centre Sèvres in Paris Professor Christoph Theobald SJ führte die Teilnehmer in die Situation französischer Katholiken ein. Die besondere Situation der Kirche in Frankreich lasse sich nur durch die historische Entwicklung erklären. Als ein Beispiel hierfür nennt Theobald SJ das Trennungsgesetz aus dem Jahr 1905, welches für die strikte Trennung von Staat und Kirche in Frankreich sorgte und bis heute wirke. Wie in Deutschland verliere der christliche Glaube an Bedeutung und sei nicht mehr selbstverständlich. Ein Besuch bei der Ordensgemeinschaft Fraternités de Jérusalem zeigte jedoch, dass Kirche und Katholizismus trotzdem einen festen Platz in der französischen Gesellschaft haben. Der Orden ist in sechs Ländern auf der Welt angesiedelt und davon in Frankreich mit sechs Standorten besonders stark vertreten. Im Gespräch mit einem Ordensbruder der Gemeinschaft wurde deutlich, dass auch die französische StadtTaizé eine große Ausstrahlung für Katholiken weltweit habe. Dorothee Heinrichs vom Synodalamt des Bistums war durch die Begegnungen des Exkursionsprogramms beeindruckt, „weil man hier erleben kann, wie es gelingen kann, Gottes Gegenwart für ganz unterschiedliche Menschen erfahrbar werden zu lassen.“
Eine Kirche, die sonntags geschlossen hat
Die Exkursion führte die Teilnehmer auch in das Pariser Büroviertel La Défense. Im Vordergrund stand der Besuch von Notre-Dame de Pentecôte, einer Kirche, die von über 100 Ehrenamtlichen geleitet wird und das Ziel verfolgt, berufstätigen Menschen aus diesem Viertel in der Mittagpause eine spirituelle Auszeit anzubieten. Die Kirche hat nur werktags offen und bietet Gottesdienste, Gebetskreise, ein vergünstigtes Mittagessen und eine Singstunde mit dem Gospelchor in der Mittagspause an. „Am großartigsten war die Freundlichkeit und Lebendigkeit der Ehrenamtlichen, die die Arbeitnehmer empfangen haben. Es war eine Freude spürbar, die bei uns manchmal fehlt“, sagte Dr. Simone Husemann von der Katholischen Erwachsenenbildung Wiesbaden-Untertaunus-Rheingau. Der beeindruckende Einsatz und das soziale Engagement der Ehrenamtlichen wirkten noch an den folgenden Tagen nach.
Ein Begegnungsraum für interreligiösen Dialog
Kirche in der französischen Metropole steht immer wieder vor der Herausforderung, Menschen auf ihren Wegen individuell abzuholen. In Paris versucht das „Forum 104“ Menschen, die im Leben auf der Suche sind, mit kulturellen, interreligiösen und spirituellen Veranstaltungen zu erreichen und Austausch zu ermöglichen. Der Ansatz, spirituelle und nicht-christliche Veranstaltungen anzubieten, kann laut dem Exkursionsteilnehmer Moritz von Wedel von St. Bartholomäus in Frankfurt eine Inspiration für die Arbeit im Bistum Limburg sein. Der Umgang mit anderen Menschen sowie die große Offenheit und Wertschätzung verschiedener Glaubenshaltungen beeindruckte den Frankfurter. „In dieser Hinsicht kann das „Forum 104“ für uns ein Vorbild sein. Denn ernsthafte Suche, Innehalten und sich selbst in Frage stellen sind Haltungen, die alle Gläubigen gemeinsam haben“, sagte Wedel.
Auf den Spuren von Madeleine Delbrêl
Der vierte und letzte Tag der Exkursion stand im Zeichen von Madeleine Delbrêl (*1904, † 1964), die in der Region-Ile-deFrance, einem atheistisch geprägten Arbeiterviertel, als Sozialarbeiterin und Schriftstellerin arbeitete. Delbrêl entschied sich in jungen Jahren dafür, ihr Leben in Armut und Keuschheit zu leben. Sie engagierte sich außerordentlich in der französischen Gemeinde Ivry-sur-Seine. Für Delbrêl läuft derzeit ein Seligsprechungsverfahren. Nicht nur in Frankreich wird Delbrêl als katholische Mystikerin verehrt. Ihr Gedankengut und ihre Schriften werden noch heute in vielen Predigten auch im Bistum Limburg aufgegriffen. Die Exkursionsteilnehmer aus dem Bistum nehmen viele Eindrücke aus Frankreich mit nach Hause: Dass sich die Reise gelohnt hat, glaub Andrea Maschke, Mitarbeiterin von Heilig Kreuz, dem Zentrum für christliche Mediation und Spiritualität in Frankfurt: „Wir haben an vielen Orten eine mutige, wohlwollende und zukunftsorientierte Haltung erlebt. Das ist sehr ermutigend auch für die Veränderungen und Strukturfragen daheim.“