Weniger ist oft mehr
Nothgottes zählt zu einem der bekanntesten Wallfahrtsorte im Bistum Limburg. Vor mehr als 600 Jahren wurde dort das Gnadenbild des leidenden Heilands zur Verehrung aufgestellt und seitdem kommen Menschen mit ihren persönlichen Anliegen zum Gebet hierher. Seit zehn Jahren leben und wirken Zisterzienser-Mönche aus Vietnam in Nothgottes. Am Sonntag, 3. September, war Bischof Dr. Georg Bätzing bei der Mönchsgemeinschaft zu Gast und feierte den Festgottesdienst zum Jubiläum. „Ich bin heute gerne gekommen, um mit Ihnen zusammen und vielen Menschen Gott zu danken für Ihr Zeugnis und Ihr gemeinschaftliches Leben“, sagte der Bischof.
Es braucht dringend neue Ziele
In seiner Predigt sprach sich Bätzing für eine fokussierte und reduziertere Lebensweise aus: „Jahrzehntelang hat uns – zumindest in der westlichen Welt – in unserem Lebensstil und gesellschaftlichen Bewusstsein die Fortschrittsgläubigkeit geleitet, die davon ausgeht, dass alles einfach immer weiter gesteigert werden kann“, so der Bischof von Limburg. Die großen Krisen zeigten aber, dass es dringend andere Ziele als das Höher, Schneller und Weiter brauche, um die Erde vor dem Klimakollaps und die Völker der Erde vor eigensinnigem Auseinanderdriften zu bewahren. „Verzicht und Umkehr sind geboten, damit mehr Gerechtigkeit zwischen den so unterschiedlichen Lebensverhältnissen der Menschen greifen kann und sich der Menschheit überhaupt eine Zukunft auftut. Wir brauchen ‚mehr Weniger‘“, so Bätzing.
Zisterzienser können Orientierung geben
Für Christen seien Verzicht und Umkehr eigentlich nichts Neues. Das Leben der Zisterzienser, einer Gemeinschaft, die in der monastischen Tradition des heiligen Bernhard stehe, könne da geradezu beispielhaft sein und Orientierung geben. Drei Stichworte sind dem Bischof hier besonders wichtig.
Stabilitas, bedeutet für Mönche und Ordenschristen, dass sie ein Leben lang an einem Ort, in einem Kloster bleiben. Nothgottes ist ein solcher Lebensort. Hier werde das Bild des leidenden Christus verehrt. Ein Bild und eine Tradition, die deutlich mache, dass Gott treu bleibe und nicht davon laufe. „Als Sie vor zehn Jahren hierher kamen aus einem ganz anderen Kulturkreis, da haben Sie nicht gewusst, was Sie hier antreffen, welche guten Gelegenheiten zum Leben sich Ihnen hier bieten und welche Hindernisse sich Ihnen in den Weg stellen“, sagte Bätzing. In der Tradition der Zisterzienser seien die Mönche aber entschlossen gewesen, in Nothgottes zu bleiben und den Gnadenort wieder mit klösterlichen Leben zu fühlen. Dies sei nicht leicht und ohne vielfältige Hilfe nicht möglich gewesen. Das feste Vertrauen, dass Gott an jedem Ort dieser Welt gegenwärtig ist und sich zeige, dränge die Mönche aber jeden Tag neu das Wagnis einzugehen.
Hin zu mehr Gerechtigkeit, Frieden und Liebe
Pietas, bedeutet das Leben im Rhythmus von Gottesdienst und Weltgestaltung. Ein guter Rhythmus sei wichtig und eine uralte Erfahrung. „Eine ausgeglichene Balance zwischen Innerlichkeit und äußerem Tun, Aktion und Ausruhen, Gebet und Arbeit verhilft dazu, das Leben in seinen tiefen Dimensionen zu entdecken“, sagte Bätzing. Ein eingespielter Rhythmus helfe genauso bei der Suche nach Gott, denn er zeige sich in der Wirklichkeit des Lebens, wenn der Mensch tief genug in diese Wirklichkeit einsteige. „Er, der Sohn Gottes, ist ganz und gar in unser Menschsein eingegangen, um es von innen heraus zu verwandeln“, so der Bischof. Der Rhythmus von Leben und Gebet helfe, das eigene Denken zu erneuern und diese Erde von innen heraus zu verwandeln hin zu mehr Gerechtigkeit, Frieden und Liebe.
Wahrer Glaube ist stets ein Sprung ins Ungewisse
Das dritte Stichwort war Confidentia, der Glaube und das feste Vertrauen auf Gott, denn der Glaube sei immer neu ein Sprung in die Zuversicht und ins Gottvertrauen. „Jesus weiß, was auf ihn zukommt. Mehrmals hat er seine Jünger darauf hingewiesen, dass sein Leben dem eines Weizenkornes gleicht. Nur wenn es im Leiden vergeht, wird es aufgehen können und hundertfach Frucht bringen“, erzählte der Bischof. Für die Jünger sei der Hinweis auf das Leiden ein Ärgernis gewesen und sie hätten erst allmählich gelernt, dass wahrer Glaube stets ein Sprung ins Ungewisse, ins Gottvertrauen hinein, sei. „Glauben wie Leben bedeuten, sich geben, sich einsetzen, sich selber wagen ohne immer zu wissen und kalkulieren zu können, was dabei herausspringt. Gottvertrauen und Selbstlosigkeit gehören darum eng zusammen“, so der Bischof.
Das Wesen des Christlichen könnte, so der Bischof auf diese zwei Elemente reduziert werden. Wage Gottvertrauen und Lebe selbstlos. Alles andere ergebe sich daraus. Die Frage, warum Menschen heute mehr Weniger brauchen, könne nicht theoretisch beantwortet werden. Das Leben gebe die Antwort.