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LIMBURG, 24.01.2023

„Wie Gott uns schuf“ - Ein Jahr danach…

LSBTI-Beauftragte, Änderung der Grundordnung des kirchlichen Dienstes und zehn Leitlinien zum Umgang mit Sexualität: Mit verschiedenen Maßnahmen setzt sich das Bistum Limburg für die Anerkennung von queeren Personen in der katholischen Kirche ein.

Vor einem Jahr, am 24. Januar 2022, outeten sich 125 Menschen, die im Dienst der katholischen Kirche stehen oder standen, in der ARD-Dokumentation „Wie Gott uns schuf“, darunter fünf Personen aus dem Bistum Limburg. Hinter der Dokumentation steht die Initiative „OutInChurch. Für eine Kirche ohne Angst“. Sowohl vor als auch nach der Veröffentlichung der Dokumentation hat sich das Bistum Limburg mit verschiedenen Maßnahmen für die Anerkennung von queeren Personen in der katholischen Kirche eingesetzt – ein Überblick.

LSBTI-Beauftragte seit Oktober 2021

Im Oktober 2021 wurden Susanne Gorges-Braunwarth und Holger Dörnemann zu LSBTI-Beauftragten im Bistum Limburg ernannt. Somit sind sie zuständig für die Frage nach einer Lesben, Schwulen, Bi-, Trans- und Intersexuellen-Pastoral, die Austausch und Vernetzung fördert und Ausgrenzung entgegenwirkt. Damit queere Menschen sich von der Kirche nicht alleine gelassen fühlen und kompetente Gesprächspartnerinnen und -partner an die Seite gestellt bekommen, bauen Gorges-Braunwarth und Dörnemann kontinuierlich ein Netzwerk von queersensiblen Seelsorgerinnen und Seelsorgern aus. Diese sollen vor Ort in den Pfarreien Ansprechpersonen sein.

Für einen sensiblen Umgang mit den Anliegen und Fragen queerer Personen und deren Angehörigen haben die Bistümer Limburg und Mainz in Kooperation mit dem Theologisch-Pastoralen Institut Mainz (TPI) eine digitale Grundlagenschulung zu LSBTIQ* und eine Praxiswerkstatt entwickelt, die sich unter anderem mit queergerechter Sprache in Begleitung, Gebeten und Gesprächen, einer queersensiblen Liturgie und Einblicken in die Beratungspraxis beschäftigten. Zudem haben Gorges-Braunwarth und Dörnemann auch eine Resonanzrunde ins Leben gerufen, die sich in regelmäßigen Abständen zum Austausch trifft. Zu deren Mitgliedern gehören Menschen aus der queeren Community, darunter auch Mitarbeitende des Bistums.

Befreiungsprozess hat begonnen

„In den ersten Monaten unserer Beauftragung habe ich einige Gespräche geführt, die mich sehr berührt haben, weil ich da vielen Verletzungsgeschichten, Fragen und Unsicherheiten begegnet bin. Auch von Angehörigen queerer Personen, die in ihrem Glauben gerungen haben und zum Beispiel die Frage hatten: Wie ist das zu vereinbaren, dass ich mein Kind liebe und gleichzeitig die Lebensform von der katholischen Sexualmoral verurteilt wird“, erzählt Susanne Gorges-Braunwarth. Solche Gespräche hätten in den vergangenen Monaten nicht mehr stattgefunden. „Das zeigt mir, dass hier ein Befreiungsprozess begonnen hat für eine Kirche mit immer weniger Angst“, sagt Gorges-Braunwarth.

Auch symbolische Zeichen, wie etwa Regenbogenfahnen an Kirchtürmen, die vor eineinhalb Jahren noch diskutiert wurden, seien heute selbstverständlich. „In vielen E-Mail-Signaturen findet man außerdem Hinweise oder Symbole, die die Wertschätzung der Diversität zum Ausdruck bringen“, sagt Gorges-Braunwarth. Dörnemann ergänzt: „Ich merke, dass sich das Thema in die Arbeitsfelder verteilt. Beispielsweise werden queere Themen von vielen Fachreferentinnen und -referenten mittleerweile direkt mitgedacht. Sie haben also keinen Sonderstatus, sondern gehören dazu.“

Änderung der Grundordnung

Ein großer Befreiungsschlag für queere Mitarbeitende war der 22. November 2022. An diesem Tag beschloss die Vollversammlung des Verbandes der Diözesen Deutschlands (VDD) mit der erforderlichen Mehrheit eine Neufassung des Kirchlichen Arbeitsrechts. Damit wurde die „Grundordnung des kirchlichen Dienstes“ für die deutschen (Erz-)Bistümer empfohlen. Seit dem 1. Januar 2023 ist sie im Bistum Limburg in Kraft gesetzt. „Jede Lebensform, jede sexuelle Identität ist jetzt möglich, sogar erwünscht und Vielfalt wird wertgeschätzt. Das ist ein Kulturwandel im kirchlichen Arbeitsrecht, den ich vor einem Jahr noch nicht für möglich gehalten hätte“, betont Dörnemann.

Für Jugendbildungsreferent Eric Tilch, der in der Dokumentation „Wie Gott uns schuf“ dabei war, hat sich die Änderung der Grundordnung vor allem auf seine Zukunftsperspektive ausgewirkt. „Ich weiß jetzt, dass ich auch in einer gewissen Unabhängigkeit von Bistumsleitung oder Bischof sagen kann: Ich habe eine langfristige Zukunft in dieser Kirche“, sagt er. Auch seine Hoffnung und sein Gläubig-Sein hätten sich verändert: „Ich muss jetzt nicht mehr so stark zwischen der Institution und meiner individuellen Gläubigkeit unterscheiden. Und ich habe wieder Hoffnung in die Wandlungsfähigkeit der Kirche als Institution, von der ich ja gerne Teil bin“, betont er. Bei OutInChurch mitgemacht zu haben, sich offen zu outen und schließlich auch die Änderung der Grundordnung hätten ihn selbstbewusster gemacht. „Ich möchte, dass meine Sexualität zu meinem  Glauben, zu meiner Identität dazu gehört, dass ich nicht unterscheiden muss, zwischen einem ,gut katholischen Eric‘ und einem ,schwulen Eric‘, sondern dass das zusammengehört“, sagt er.

Einen Haken gibt es allerdings: transidente, intersexuelle und non-binäre Menschen finden in der Änderung der Grundordnung keine Erwähnung. Auch wenn die Generalsekretärin der Deutschen Bischofskonferenz, Beate Gilles, auf ein Schreiben von Gemeinde- und Pastoralreferentinnen und -referenten antwortete, dass diese Menschen gemeint seien, weiß Eric Tilch aus seinem Umfeld, dass es nach wie vor große Ängste bei diesen Personen gibt. „Da braucht es noch eine Klärung und da wünsche ich mir auch von den deutschen Bischöfen, dass sie genau zu diesen Fällen einmal ganz klar Stellung beziehen“, fordert er.  

Offener Umgang mit dem Thema Sexualität

Seit Oktober 2022 gibt es im Bistum Limburg zehn Leitlinien, die die sexualpädagogische Kompetenz stärken und damit Risikofaktoren für sexualisierte Gewalt und Grenzverletzungen minimieren. Das ist eines der Ergebnisse des MHG-Projektes „Betroffene hören – Missbrauch verhindern“ in der Diözese. „Es gab wissenschaftliche Untersuchung zum sexuellen Missbrauch in der Kirche. Diese haben aufgezeigt, dass eine fehlende Sprachfähigkeit für Betroffene den Missbrauch begünstigt hat. Also dass da, wo Betroffene keine Bezeichnung haben, für das was ihnen wiederfahren ist, Missbrauch begünstigt wird“, erklärt Gorges-Braunwarth. „Vor diesem Hintergrund war es ein ganz wichtiger Schritt zu sagen: Wir müssen hier auch sexualpädagogisch ansetzen, wir müssen offen über Sexualität sprechen“, sagt sie.

Damit sind die Leitlinien der Beginn für einen offeneren Umgang mit dem Thema Sexualität. Das Thema soll künftig in die Handlungsbereiche der Pfarreien und Einrichtungen des Bistums übersetzt werden. „Es bedeutet das eine in der Schwangerschaftsberatung, anderes in der Familienbildung und wieder anderes in der Pastoral“, erklärt Dörnemann. Eine Hilfe bei der Übersetzung in die jeweiligen Bereiche sollen unter anderem Schulungen zu sexueller Bildung und kindlicher sowie jugendlicher Sexualität bieten.

Theologie und Pastoral sind keine zeitlosen Geschehen

Viele Veränderungen innerhalb eines Jahres – das hat nicht nur für Zustimmung gesorgt. Gorges-Braunwarth betont dazu: „Theologie und Pastoral sind kein zeitloses Geschehen, wir sind vernetzt mit anderen Wissenschaften und wissenschaftlichen Erkenntnissen, die Eingang in die theologische Disziplin und die Pastoral finden. Und wir profitieren hier auch von den Entwicklungen und Erkenntnissen der Humanwissenschaften, von denen wir lernen, dass unser Bild des Menschen und der menschlichen Sexualität, wie es im Katechismus und der katholischen Sexualmoral gefasst ist, überkommen ist. Wir müssen dieses Menschenbild weiterdenken und korrigieren“, sagt sie. Eric Tilch wünscht sich einen Dialog auf Augenhöhe: „Wir haben das Problem, dass manche reaktionären Stimmen lauter sind, als die der vielen Reformerinnen und Reformer. Das können wir ändern, indem wir offen darüber sprechen und darüber diskutieren, in einer respektvollen Art und Weise“, sagt Tilch.

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