17.09.2011
Das Kreuz mit dem Kreuz
FRANKFURT.- Das Kruzifix in Klassenzimmern, islamischer Religionsunterricht in deutschen Schulen und das hessische Feiertagsgesetz sind Punkte, die in der heutigen Gesellschaft die Frage nach dem Verhältnis zwischen Staat und Religion neu stellen. Unter dem Titel „Das Kreuz mit dem Kreuz“ wurde dazu am Samstag, 17. September, anlässlich des Kreuzfestes in Frankfurt im Haus am Dom diskutiert. Professor Dr. Joachim Valentin, Direktor des Hauses, führte durch die Diskussion an der der Theologe Professor Dr. Georg Essen, Nijmegen, Michael Boddenberg, Hessischer Staatsminister für Bundesangelegenheiten, Wiesbaden, und Mürvet Öztürk, Sprecherin für Integration, Migration und Petitionen, Bündnis 90 / Die Grünen, Hessischer Landtag Wiesbaden, teilnahmen.
Anlass der Diskussion war das Urteil des Europäischen Gerichtshofes für Menschenrechte in Straßburg, welches in letzter Instanz entschieden hat, dass Kruzifixe in italienischen Schulen hängen dürfen und nicht aus Rücksicht auf nicht-christliche Schüler oder deren Eltern entfernt werden müssen. Das Gericht begründete das Urteil dadurch, dass es sich nicht beweisen lässt, ob das Kreuz einen prägenden Einfluss auf die Schüler hat. „Das ist eine frivole Sinnentleerung des Kreuzes. Ein Symbol, das mir als Christ heilig ist“, empfindet Essen das Urteil des Gerichtshofes. Öztürk gibt zu bedenken, dass, wenn das Kreuz sinnentleert wird, die Frage nach der symbolischen Bedeutung des Kopftuches wieder hervorgerufen wird. „Ich wünsche mir, dass diese Fragen nicht allein von dem Staat oder der Religion besprochen werden. Die Gesellschaft steht in der Pflicht das miteinander zu besprechen“, sagt die Politikerin und schlägt einen Ethikrat auf Länderebene als Lösung vor: „Ich wünsche mir, dass wir uns nicht so sehr an Symbolen aufhängen, sondern versuchen einen Kernpunkt der Kommunikation zu finden“.
In der Befürwortung eines säkularen Staates waren sich alle Diskussionsteilnehmer einig: Nach Ansicht des Theologen Essen würde ein religionsneutraler Staat zur Verbannung von Religion aus der Öffentlichkeit führen, was der Religionsfreiheit widerspräche. Essen ist der Ansicht, dass Religionsfreiheit und ein säkulares Staatssystem bedeuten allen Religionen einen Platz im Staat zuzuweisen „Dann ist es auch die Pflicht des Staates einen bekenntnisorientierten islamischen Religionsunterreicht einzuführen“, äußerte Öztürk. Dagegen hat auch Boddenberg keine Einwände, allerdings brauche die Einführung noch Zeit bedarf, da sich in der Vielfalt der muslimischen Gruppierungen kein zentraler Ansprechpartner für diese Fragen finde. „Der Kern des Problems ist die Institutionalisierung des Islams ? und die ist notwenig für die Einführung des Religionsunterreichtes“, sagte der Staatsminister. Zeit allerdings ist nach Einschätzung von Özturk ein erhebliches Problem, sieht sie doch die Gefahr, dass sich muslimische Jugendliche ohne diesen Religionsunterreicht allzu leicht von fanatischen Predigern beeinflussen ließen. (vf)