23.09.2011
Ein Schicksalsschlag entfernt von der Straße
FRANKFURT.- Im Winter 1990/91 hat der Caritasverband Frankfurt e. V. das Wohnwagenprojekt initiiert, ein Kooperationsprojekt mit Frankfurter Kirchengemeinden. Es ermöglicht bis heute wohnungslosen Menschen eine vorübergehende Unterkunft in einem Wohnwagen, der auf dem Gelände einer Kirchengemeinde aufgestellt wird. Zum 20-jährigen Jubiläum zeigt das Haus am Dom bis zum 20. Oktober eine Ausstellung des Fotokünstlers Uwe Schober, der das Projekt in eindrückliche Bilder umgesetzt hat.
Uwe Schober (45) hat 2007 in London Fotojournalismus und Dokumentarfotografie studiert und ist seither als freiberuflicher Fotograf tätig. Die Schwerpunkte seiner Arbeiten sind Politik- und Sozialreportagen und „allgemein Menschen in all ihren gesellschaftlichen Strukturen und Bindungen“. In den vergangenen Monaten hatte er die Gelegenheit Bewohner des Wohnwagenprojekts zu porträtieren. Aus diesem Projekt ist die Foto-Ausstellung „Zwischenräume“ entstanden.
"Mich interessiert die „conditio humana“, die Möglichkeiten und Bedingungen des Menschseins in all ihren Formen und dies schließt sehr oft leider die negativen Seiten unseres Menschseins mit ein: Armut, Krieg, Flucht, Vertreibung und Not", sagt der Künstler zu seiner Motivation. Die Idee, die Bewohner des Frankfurter Wohnwagenprojekts zu porträtieren, sei entstanden, um zu erkunden, wie Menschen, die nur temporär einen Raum bewohnen, trotzdem dort eine persönliche Note einbringen.
Bei seinen Besuchen habe er gemerkt, dass es oft nur ein sehr kurzer Weg von einem gesicherten Dasein zu dem eines Wohnungslosen sei, betonte schober: "Ein Schicksalsschlag, eine falsche Entscheidung im Leben, eine Schwächephase oder verpasste Chance und man sitzt plötzlich auf der Straße."
Beispiele gibt es viele: Der Ingenieur, der seine Familie beim Tsunami in Thailand verloren hatte und damit nicht fertig wurde; der Mann, dessen zwölfjährige Tochter durch Leukämie gestorben ist und an deren Tod seine Ehe zerbrach; ein Leistungssportler, der durch falsche Investitionen alles verlor? Natürlich gibt es auch die „erwarteten“ Biografien von Menschen, die immer schon durch Drogenmissbrauch, Spielsucht oder Straftaten am Rande der Gesellschaft gelebt haben: "Wir sind letztlich alle nur ein oder zwei Schicksalsschläge entfernt von der Straße."
Im Lauf der vergangenen 20 Jahre haben rund 200 Wohnungslose aus dem Projekt eine eigene Wohnung und Arbeit gefunden. Anfang der 90er Jahre, als das Wohnwagenprojekt entstand, war die Wohnungslosigkeit in Deutschland auf einem Höchststand. Allein in Frankfurt lebten über 300 Menschen auf der Straße. Wohnheime und Übergangsunterkünfte wie angemietete Hotelzimmer waren überfüllt. Im Winter wurden zusätzlich Zelte im Ostpark aufgestellt. Das war die Geburtsstunde des Wohnwagenprojekts.
Es entstand eher zufällig, als ein Wohnungsloser in einer öffentlichen Toilette übernachtete - für ihn musste schnell eine andere Lösung gefunden werden. Ulrich Schäferbarthold vom Caritas-verband Frankfurt hatte genau die richtige Idee und setzte sie auch kurz entschlossen in die Tat um: Das Sozialamt reagierte unbürokratisch und finanzierte die Anschaffung des ersten Wohnwagens. Aus der spontanen Idee wurde ein Konzept: In Zusammenarbeit mit den Frankfurter Kirchengemeinden gelang es im Lauf der Jahre 24 Wohnplätze in Wohnwagen zu schaffen. (cv)
Die Ausstellung „Zwischenräume“ ist bis zum 20. Oktober 2011 zu den Öffnungszeiten des Hauses am Dom täglich von 9 Uhr bis 19 Uhr, donnerstags bis 21:30 Uhr zu sehen. Der Eintritt ist frei.