16.09.2011
Lärm machen und Schweigen aus Protest
HOFHEIM. ? Wer viel Lärm braucht, ist auf einem Schulhof allemal richtig: Es war daher eine weise Entscheidung, die Aktion „Stand up ? Take action“ in Hofheim erneut zusammen mit einer Schule auszurichten. Nach der Teilnahme der Main-Taunus-Schule im vergangenen Jahr machten diesmal Schüler der Brühlwiesenschule am Freitag, 16. September, um 12.15 Uhr ordentlich Krach als Protest gegen den Hunger in der Welt. Mit Trillerpfeifen und Gastrompeten, mit Trommeln, Händeklatschen und lautem Schreien setzten die rund 600 Teilnehmer bereitwillig den Aufruf von Günter Adam vom Katholischen Bezirksbüro Main-Taunus um, lautstark die Politiker wach zu rufen und auf die Umsetzung der acht Milleniumsziele aufmerksam zu machen.
Mit Lärm allein aber ist es nicht getan: Das wissen spätestens jetzt auch die Oberstufenschüler, die sich seit einigen Wochen in verschiedenen Arbeitsgruppen intensiv mit Ursachen und Folgen der Armut auseinander gesetzt und ein Programm für den Aktionstag erarbeitet haben. Schließlich soll die Teilnahme an der Demonstration „nachhaltig“ sein, so Schulleiter Wolfgang Bill. Eine Schulstunde lang gab´s daher auf dem Schulhof Unterricht in Welt- und Wirtschaftspolitik, allerdings aus dem Blickwinkel derjenigen, die nicht am westlichen Wohlstand teilhaben. Eine elfte Klasse stellte die "Rosen-Story" vor, die gar nicht romantisch klang, sondern von Kinderarbeit und inhumanen Arbeitsbedingungen handelte. Vom fernen Kenia kommen die Blumen hierher, zehn Stück kosten im Supermarkt gerade mal 1,99 Euro. Andere beschäftigten sich mit den Themen Bildung, mit dem Export von Bananen und Kaffee, mit dem Zugang zu sauberem Wasser: Mehr als eine Milliarde Menschen haben keinen ausreichenden Zugang zu sauberem Trinkwasser, hieß es dazu auf dem Podium.
„Alle 3 Sekunden stirbt ein Kind an den Folgen extremer Armut“: Was eigentlich unvorstellbar ist, versuchte eine Schülergruppe mit einer Pantomime fassbar zu machen. Während unaufhaltsam und behutsam ein leiser Gong angeschlagen wurde, setzten sich die Teilnehmer nach und nach auf die Treppenstufen, bargen ihre Köpfe auf den Knien, verdeckten mit den Kapuzen ihre Gesichter. Ein eindringliches Bild ? das ebenso schnell aus den Köpfen und Herzen verschwindet, wie die vielen Bilder von hungernden und sterbenden Kindern, die im Fernsehen immer wieder gezeigt würden, sagte Otmar Vorländer, Geschäftsführer des Caritasverbandes Main-Taunus, und lud die Schüler daher zu einer Gedenkminute ein. Eine Minute ruhig sein und sich einfühlen in das Leid und die Ungerechtigkeit, die nicht sein müssten: „Denn Geld ist genug da, es ist bloß falsch verteilt.“ 60 Sekunden Stille auf einem wohl gefüllten Schulplatz: Dass das klappt, damit hatten wohl auch die Schüler selbst nicht unbedingt gerechnet. Jedenfalls belohnten sie sich für diese Leistung mit einem herzhaften Applaus.
Zu der weltweiten Aktion „Stand up ? gegen Armut, für die UN-Milleniumsziele“ ist im Main-Taunus zum fünften Mal eingeladen worden. Veranstalter ist hier das Aktionsbündnis gegen Armut im Main-Taunus, federführend das Katholische Bezirksbüro. An der Kundgebung nahmen auch Bürgermeisterin Gisela Stang, Vertreter der Fraktionen, des Stadtparlaments, der Kirchen und Wohlfahrtsverbände teil. Inzwischen ist es zehn Jahre her, dass 189 Staaten - darunter auch Deutschland - die UN-Millenniumerklärung verabschiedeten. Die Staats- und Regierungschefs versprachen, bis 2015 die acht Millenniumsziele umzusetzen: Bekämpfung von extremer Armut und Hunger, Primarschulbildung für alle, Gleichstellung der Geschlechter und Stärkung der Rolle der Frauen, Senkung der Kindersterblichkeit, Verbesserung der Gesundheitsvorsorge der Mütter, Bekämpfung von schweren Krankheiten, ökologische Nachhaltigkeit und Aufbau einer globalen Partnerschaft für Entwicklung. (rei)